Miami ist am ertrinken


eilahtan

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Auch wenn der untere Bericht etwas lange ist finde ich diesen doch recht Interessant.

Es geht um Korallen, Umweltverschmutzung und den Anstieg der Meerwasserspiegel.

 

Ich wusste bis heute nicht, daß es eine Krustenanemone namens „Zoanthus Miami Vice“ gibt. :D

Seht selbst:

http://www.whitecorals.com/shop/de/-Zoanthus-Miami-Vice-CID2013242

Auf der Seite sind weitere wunderschöne Fotos von Korallen zu sehen.

 

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Quelle des Berichtes und die dazugehörigen Fotos:

http://www.vice.com/de/read/miami-ist-am-ertrinken-0000798-v10n8

 

Miami ist am Ertrinken

Und die Korallen könnten nicht glücklicher sein

 

von John McSwain Sep. 5 2014

 

 

Die Corallimorpharia, zu deutsch Scheibenanemone, von der sich der Name „Coral Morphologic“ ableitet, hat sich ohne Skelett entwickelt, um, wie man annimmt, besser mit sich wandelnden Klimaverhältnissen umgehen zu können.

 

In Miami Beach gehen die Leute 50 cm über dem Meeresspiegel einkaufen. Das Setting dafür ist ein Whole Foods in South Beach. Dieser Ableger der Biosupermarktkette liegt damit auf dem niedrigsten noch bewohnbaren Stück Land in Florida. In unmittelbarer Nähe und nur wenige Zentimeter höher gelegen befindet sich auf aufgeschüttetem Land, wo einst tiefblaues Salzwasser war, eine wuchernde Ansammlung von Eigentumswohnungen, Hotels, Schulen, Parks und kleinen Geschäften, die jedes Jahr schlimmeren Überflutungen ausgesetzt sind.

Sie alle werden—Quadratzentimeter für Quadratzentimeter—irgendwann vom Ozean verschluckt werden. Eine Meile südlich des Whole Foods ist ein kleines Stück Küste, das man den Government Cut nennt. Hier wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein Kanal ausgegraben und befestigt, der den Zugang zum Hafen Miamis erleichtern sollte. Ein Jahrhundert später ist dieser Hafen der elfgrößte Anlaufpunkt für Containerschiffe in den Vereinigten Staaten. Obwohl der Hafen kontinuierlich Gewinne abwirft, sind die Baggerschiffe zurückgekehrt und graben weiter. Ihre gigantischen Stahlklauen ziehen große Brocken des Seebodens nach oben, als wären sie verschlammte Kuscheltiere aus einem Greifautomaten.

Hinter dem Wasser steht das verlassene, aber noch immer eindrucksvolle Gebäude, in dem sich einmal der Firmensitz des Miami Herald befand. Die halb abgerissene und verfallene Struktur sitzt auf der Felskante der Biscayne Bay, mit der relativ beeindruckenden Höhe von einem Meter. 2011 hatte die malaysische Firmengruppe Genting Group, die Mutterfirma der Resorts World Casinos, ihre Absicht bekundet, auf dem Grundstück ein neues Casino zu bauen, obwohl deren Betrieb im Staat Florida nach wie vor verboten ist.

Was die Kontroverse noch weiter zuspitzte, war das Gerücht, dass man das Casino nur mit dem Boot oder Hubschrauber würde erreichen können, woraus manch einer schloss, dass Gentings Projekt als reiner Superreichenspielplatz konzipiert war.

Nun soll auf der Fläche ein riesiger Moloch aus Geschäfts- und Wohnhäusern entstehen. Doch im Moment ist es nur ein ominöses Gebäudeskelett, dessen Südseite seine steinernen Eingeweide wie in einem postapokalyptischen Albtraum zur Bucht herunterhängen lässt.

Ein kleines Stück südlich des ehemaligen Herald-Gebäudes befindet sich ein Graben von 300 m Länge und 100 m Breite mit trägem Wasser, der als FEC Slip bezeichnet wird. Er trennt die American Airlines Arena, die Heimat der Basketballmannschaft Miami Heat, vom Museum Park, einer erst kürzlich eröffneten attraktiven Parkanlage, auf der sich das neue Pérez Art Museum Miami befindet.

Der FEC Slip schaut auf eine reiche Geschichte zurück, er war Teil des ursprünglichen Hafens von Miami, der 1897 von Henry Flagler erbaut wurde und bis zum Umzug Mitte der 1960er genutzt wurde. Heute sammelt sich dort vor allem der Müll und Schutt an, der von den Ausbaggerungen des Government Cut herangeschwemmt wird. Es ist zudem der Ort, an dem David Beckham seine Absicht verkündete, ein neues Fußballstadion zu bauen—eine 25.000 Sitze große Manifestation der wachsenden Fußballbegeisterung in den USA.

Auf Vorschlag des Bürgermeisters Miamis, Carlos Gimenez, hatten Beckhams Unterstützer geplant, den FEC Slip mit Erde zu füllen und diese Fläche zusammen mit dem südlichen Teil des Museum Parks zu bebauen, nachdem ihre Pläne für ein ähnliches Bauvorhaben im Hafen von Miami abgelehnt worden waren. Dollarscheine wurden herumgeworfen, Gespräche begannen und die Öffentlichkeit reagierte.

Unter den Gegnern war Colin Foord, ein ortsansässiger Meeresbiologe und Mitbegründer des Kunst- und Wissenschaftsprojektes Coral Morphologic. Um sich das Problem genauer anzusehen, nahm er die Dinge selbst in die Hand und schwamm ein paar Runden durch den Slip.

Genauer gesagt ging er schnorcheln und fand, unter der dicken Schicht Unterwasserschrott, ein abwasserumspültes Ökosystem, dass sich auf den großen, von der Stadt 2006 dort zum Schutz gegen die Brandung versenkten Steinbrocken ausgebreitet hatte. Coral Morphologic nennt diese seltsamen Arten „urbane Korallen“. Während sich der Slip mit der Zeit in die stinkende Lache verwandelte, die er heute ist, waren seine marinen Lebensformen gezwungen, sich an die verschlechterten Bedingungen anzupassen. Wie es die Miami New Times in einem Artikel über die Arbeit von Foord und Coral Morphologic beschreibt, ist „das Studium solcher ‚urbaner Korallen‘ der Schlüssel zum Verständnis darüber, wie sich der Klimawandel auf das Leben der Menschen und Tiere auswirken wird“. Anders gesagt, wenn diese Korallen es hier schaffen zu überleben, schaffen sie es überall.

Nach einer kurzen Bedenkzeit beschloss die Stadt, Beckhams Stadiontraum ad acta zu legen; seine Gruppe überdenkt ihre Investition im Moment und sucht ein neues Baugrundstück. Obwohl die Forschungsergebnisse nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor in der Entscheidung gegen die Trockenlegung des Slip waren, war man nun auf sie aufmerksam geworden, sodass sich nicht nur die Stimmen für einen Erhalt der Korallen entlang der historischen Sliprampe mehrten, sondern das Thema an sich, politisch gesprochen, aus den schlammigen Tiefen des Wassers auf das trockene Land aufstieg.

 

Jared McKay, Mitbegründer von Coral Morphologic, säubert und pflegt eines der Seeanemonenbecken der Firma.

Foord und sein Partner bei Coral Morphologic, Jared McKay, untersuchen Miamis „urbane Korallen“ seit 2009. Damals entdeckte Foord eine seltene Hybridart aus zwei verschiedenen Spezies kleinpolypiger Steinkorallen, der Hirschgeweihkoralle und der Elchgeweihkoralle, die entlang der künstlichen Uferlinie Fisher Islands lebte. Wenn diese Korallen in der Lage waren, innerhalb der Stadtgrenzen von Miami auf menschengemachten Strukturen und unter den denkbar schlechtesten Umständen zu überleben, waren sie vielleicht der Schlüssel zu der Frage, wie man Korallen auch anderswo, in den unterschiedlichsten Habitaten retten konnte.

Was die Arbeit der Gruppe so außergewöhnlich macht, ist, dass ihre Unterwasserforschung nur einen winzigen Teil ihrer Arbeit darstellt. In ihrem Labor in dem Stadtviertel Overtown recken sich Schalen voller knallbunter fluoreszierender Korallen, Seeanemonen, Krustenanemonen, Fische und Krustentiere den Strahlen der über ihnen aufgehängten Pflanzenlampen entgegen. Bei Coral Morphologic werden Korallen und ihnen verwandte Gattungen hybridisiert, kategorisiert, gezüchtet, dokumentiert und schließlich an Aquarien auf der ganzen Welt verkauft. Seitdem sie ihr Unternehmen 2007 gegründet haben, haben die beiden vier neue Arten von Krustenanemonen entdeckt—kleine, blumen- oder schotenähnliche Verwandte der Korallen, die unter farbigem Licht besonders abgefahren aussehen. Die Miami Vice Krustenanemone mit ihrer auffälligen Farbgebung (pink und hellblau) ist die geschützte Handelsmarke von Coral Morphologic.

Und weil es ihnen anscheinend nicht reicht, die selbst ernannten Beschützer von Miamis oft übersehenem Unterwasser-Ökosystem zu sein und diese ambitionierte Aufgabe zudem zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell entwickelt zu haben, haben sie ihre Arbeit in eine Form von Kunst verwandelt, die die Disziplinen Fotografie, Film, Skulptur und Installation vereint. Die schon von Natur aus faszinierenden Tiere werden einzeln in extremen Makroaufnahmen gefilmt und fotografiert und dabei mit einem besonderen photochemischen blauen Licht bestrahlt (das Schwarzlicht sehr ähnlich ist).

Die Videos werden um ein Vielfaches beschleunigt, um der Konzentrationsspanne der Internetgeneration entgegenzukommen, und danach wird ein von McKay eigens komponierter Soundtrack über das Ganze gelegt, in den er Geräusche aus dem Labor ebenso wie von den Korallen selbst produzierte Sounds einbaut. Eine Sammlung der frühen Filme von Foord und McKay mit dem Titel Natural History Redux wurde vor Kurzem im Internet veröffentlicht. Zusammenschnitte dieser Kurzfilme wurden auf dem Miami Borscht Film Festival gezeigt und auf der Art Basel Miami Beach großformatig auf Häuserfassaden projiziert. Ihre Fotos, Filme und Skulpturen sind in diversen Galerien ausgestellt worden.

Die Arbeiten von Coral Morphologic sind mehr als nur Porträts der in ihren Laboren gehaltenen Spezies. Foord und McKay sehen sie als eine Art, die existierende Mythologie der Korallen zu erweitern und ihre symbiotische Beziehung zu Miami zu beschreiben, das auch durch sie zu dem geworden ist, was es ist. Das Heranziehen der Korallen und ihr ganzes, stets sichtbares Laborleben werden so sinnhafter Weise zum Teil des künstlerischen Projekts.

„Sie entscheiden jeden Schritt—wie sie die Korallen ansiedeln, und wie sie gefilmt werden“, sagt Lucas Leyva, ein Kollaborationspartner von Coral Morphologic. „Sie werden auf eine bestimmte Weise kuratiert und präsentiert. Es ist krass, wenn deine eigene Kunst ein Lebewesen ist, dass du selbst geklont hast.“

Foord und McKay sind beste Freunde, seitdem sie gemeinsam in New Hampshire die Mittelschule besuchten—eine Beziehung, die an der Highschool fortdauerte und sie dort gemeinsam in die Arme der Punk- und DIY-Kultur trieb. Wie Foord es ausdrückt, verbrachten sie eine Menge ihrer gemeinsamen Zeit damit, „in der Küche Chips und Salsa zu essen und über das Leben zu reden“, und dabei für das Leben um sicher herum ihre eigenen Werte und Maßstäbe zu entwickeln. „Wir waren mit den coolen Kids befreundet“, fügt McKay hinzu, „aber wir waren nicht die Alphatiere unter den coolen Kids, und so hatten wir eine gewisse Außenseiterperspektive, die es uns erlaubte, zu analysieren, was lief, wer wen gerade verarschte. Daraus entwickelte sich dann einer Art Küchenpsychologie, warum Leute die Dinge tun, die sie tun.“

Als Kind verbrachte Foord seine Zeit damit, in einem leer stehenden Zimmer seines Elternhauses mit der vollen Unterstützung der Familie einen Miniatur-Unterwasserzoo aufzubauen. Als es an der Zeit war, seine Bewerbungen an die Zulassungsstellen der Colleges zu schicken, hatte er schon eine riesige Sammlung an Tieren. „In meinem Senior-Jahr hatte ich in meinem Zimmer ein 1.500 l fassendes Aquarium“, sagte er. Foord schrieb sich an der Miami University ein, wo er zu seiner Enttäuschung, aber nicht allzu großen Überraschung feststellte, dass die meisten seiner Mitstudierenden Delfine, Schildkröten und Wale erforschen wollten. Korallen sind nur zu einem erstaunlich geringen Maße erforscht.

„Man muss wissen, dass das Meiste, das wir von der Biologie der Korallen wissen, durch das Aufkommen des Sporttauchens erschlossen wurde, also erst nach dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt mir Foord, als ich ihn nach seinen Erlebnissen an der Universität befrage. „Erst in den 60ern bekamen die Leute mit, dass Korallen fluoreszierend sind.“ Korallen sind natürlich fluoreszent, aber nicht biolumineszent, was heißt, dass ihre bunten Farben im Spektrum des direkten Sonnenlichts nicht zu erkennen sind. Mithilfe photochemischer Beleuchtung leuchten Korallen aber greller als das psychedelischste Schwarzlichtposter. Fluoreszierende Lampen wurden erst 1939 eingeführt, und blaue LED-Lichter gibt es erst seit den 90ern. Warum die Korallen fluoreszieren, ist für die Wissenschaftler noch ein ungelöstes Rätsel.

„Nach Miami zu kommen und die Korallen studieren zu wollen und sich zu denken: ‚Was für ein perfekter Ort, um im Rahmen meiner Ausbildung auf die besten Ressourcen zurückgreifen zu können‘—und dann festzustellen, dass es diese zu diesem Zeitpunkt gar nicht gab“, sagte Foord. „Und gleichzeitig existiert diese Hobby-Aquarium-Gemeinde, die mit der wissenschaftlichen Welt in keinster Weise in Verbindung steht. Und obwohl es kaum zu glauben ist, sind die meisten Durchbrüche auf dem Gebiet der Gerätetechnik und der Korallenhaltung von der Hobbyszene durch Ausprobieren entwickelt worden.“

Wie viele Wissenschaftler und Künstler sind Foord und McKay mit Leidenschaft bei der Sache. Nach einer einfachen Begründung für das rapide Absterben der Korallenpopulationen auf der ganzen Welt gefragt, gibt Foord nicht etwa eine schlüssige und leicht verständliche Antwort wie „Umweltverschmutzung“, sondern holt zu einer weitschweifigen Erklärung aus. Ein Grund führt zum nächsten und der dann wieder zum nächsten. Genauigkeit und Begeisterung sprechen auch aus seinen Mails. Während unserer Korrespondenz hatte ich morgens oft lange, nächtlich geschriebene Mails in meiner Inbox, in denen er die Dringlichkeit dessen, was er und McKay machen, zu erklären suchte und bis ins Kleinste erläuterte, gegen welche Mächte sie dabei ankämpfen. Viele dieser Berichte schilderten das Ausbaggern des Meeresbodens und ins Besondere eine Ausbaggerung, die in Kürze stattfinden sollte.

Während die Stadt ihre Pläne, den Government Cut erneut auszubaggern, in die Tat umzusetzen begann, um so Platz für riesige Öltanker der Post-Panamax-Generation zu schaffen, bemühten sich Foord und McKay um eine Genehmigung, eine große Anzahl von Korallen retten und umsiedeln zu dürfen, die auf dem vor der Ausbaggerung entstandenen Uferdamm gewachsen waren. Das US Army Corps of Engineers, das die Ausgrabung durchführen wird, hatte geplant, nur Korallen ab einer Größe von über 25 cm umzusetzen, sodass Tausende kleinerer Korallen verloren gegangen wären, die Foord und McKay als extrem wichtig nicht nur für die Aquakultur, sondern auch für die Erforschung des größtenteils unbekannten Wesens ihrer Anpassungsfähigkeiten erachten.

Korallen sind gesetzlich geschützt und, um sie in Florida oder dem Karibischen Meer entfernen zu dürfen, bedarf es eines so langwierigen Genehmigungsprozesses, dass es im Prinzip auf ein „nie“ hinausläuft. Im Fall der Ausbaggerung hat das Corps of Engineers aber entschieden, dass es sich bei den Arten, die im Government Cut leben, um „opportunis­tische Korallen“ handelt, und haben es Coral Morphologic und Forschern der Miami University gestattet, über einen kurzen Zeitraum so viele von ihnen, wie sie möchten, zu retten. Foord und McKay erhielten schließlich eine Nachricht, dass die Stadt Coral Morphologic erlaubt, die von der Ausbaggerungsstelle entfernten Korallen in ein großes küns­tliches Riff zu transplantieren, das in gut einem Kilometer Entfernung vom Government Cut liegt.

Die Tauchgänge zur Rettung der Korallen waren eigentlich für Anfang Januar 2014 geplant und Foord und McKay hatten alles stehen und liegen lassen, um sich auf die anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten. Dann passierte nichts, also warteten sie. Und warteten. Anfang Mai sagte man ihnen, dass die Genehmigungen jetzt ausgestellt werden würden und dass sie außerdem bis zum 15. Juli Zeit hätten, die Rettungsaktion abzuschließen—was mehr als ausreichend sei. Als sie die Genehmigungen am 15. Mai bekamen, sagte man ihnen, dass sie bis zum 6. Juni Zeit hätten, so viele Korallen wie möglich zu retten.

In einem Wettlauf gegen die Zeit und die Widrigkeiten von Gezeiten und vorbeifahrenden Schiffen, gelang es Foord und seinem Assistenten, eine beachtliche Anzahl Korallen zu retten. „Wir haben die Situation so genommen, wie sie war“, sagte Foord, „und unter diesen Umständen etwas Großartiges geleistet. Ich bin stolz auf das, was wir geschafft haben.“

Momentan konzentrieren sie ihre Arbeit auf die Transplantation auf das Riff. In der Vorbereitung auf die Transplantation haben sie das Riff schon gesäubert, und nun geht es vor allem darum, den durch die Ausbaggerung aufgewirbelten Schlamm zurückzudrängen, der die Korallen sonst ersticken könnte. Ein Job, der mit jedem Tag schwieri­ger zu werden scheint. Ende Juli haben Coral Morphologic zusammen mit Biscayne Bay Waterkeeper eine Klage gegen das Corp of Engineers eingereicht, weil diese nicht gewährleisten, dass die Sedimentation während des Ausbaggerns in einem akzeptablen Rahmen bleibt. Das Verfahren läuft noch.

 

Colin Foord dokumentiert die langsamen Bewegungen seiner Studienobjekte mit einem Video im Zeitraffer.

Die Weird Miami Tour der Künstler Naomi Fisher und Jim Drain ist eine saisonabhängige sonntäg­liche Bustour durch Miami, die ungewöhnliche Orte ansteuert. Auf einer dieser Touren lernten Coral Morphologic Alberto Ibargüen kennen, den Präsident der John S. and James L. Knight Foundation, einer der größten Kunststiftungen in den USA. Zu dem Zeitpunkt bauten Foord und McKay gerade das Labor auf, das sie im Moment nutzen.

„Das Foyer, das Esszimmer, das Wohnzimmer, der Wintergarten, alles war voller Korallen, in Wasserbecken, unter speziellem Licht“, erinnert sich Ibargüen an die anfänglichen improvisierten Arbeitsbedingungen des Duos. „Ich dachte nur, na ja, also das fällt ganz sicher unter Weird Miami. Und es war alles wunderschön anzusehen. Dann gingen wir die paar Blocks zu ihrem zukünftigen Labor hinüber und sie zeigten ein Video, das ein kleines Aha-Erlebnis für mich war.“

Ibargüen schlug Coral Morphologic vor, ihre Videos während der Art Basel Miami Beach, dem tropischen Winterstandbein der alljährlichen Art Basel auf Gebäude zu projizieren. Natürlich fanden Foord und McKay diese Vorstellung großartig.

„Das Projizieren der Korallenbilder auf Kalkstein war von Anfang an ein wichtiger Teil unserer künstlerischen Praxis“, sagte Foord. „Die Idee entstand, weil der Zement und der Kalkstein, aus denen Miami besteht, genau genommen zu Fossilien gewordene Korallen von vor Äonen von Jahren sind, als Miami sich noch unter dem Wasser befand. Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, werden die Korallen kein Problem haben, sofort zurückzukommen und sich auf dem Beton, also auf sich selbst, anzusiedeln.“

Ibargüen war früher der Herausgeber des Miami Herald. Er zog sich 2005 aus dem Journalismus zurück, um die Leitung der Knight Foundation zu übernehmen, einer privaten Stiftung. Die Stiftung widmet sich der Unterstützung des Journalismus und der Künste in den Regionen, in denen die Zeitungen der Firma beheimatet waren, und fördert diese Art Aktivitäten inzwischen in acht Städten, darunter Miami, Detroit und Akron, Ohio, über speziell eingesetzte Programmdirektoren; und ist in weiteren 18 Kommunen beraterisch tätig. Die Mission der Knight Foundation, und auch die von Ibargüen und dem Vizepräsidenten Dennis Scholl, ist es, Kunst an Orte zu bringen, und für Menschen zugänglich zu machen, die sonst eher nicht mit ihr konfrontiert wären. „Kunst im weitesten Sinne“, fügte Ibargüen erklärend hinzu. „Ich kann mir keine Zeit vorstellen, in der Kunst keine Relevanz für die Entwicklung einer Gemeinschaft hätte“, sagte er mir. „Kunst, die erklärt, wer wir sind, Kunst, die uns inspiriert, besser zu sein, Kunst, die andere Arten zu denken aufzeigt. Das sind keine theoretischen Vorstellungen. Ich halte mich in der Hinsicht nicht für sonderlich sentimental oder leidenschaftlich. Ich habe es einfach beobachtet.

75 Prozent der Menschen, die hier leben, sind woanders geboren. 50 Prozent in einem anderen Land. Wir brauchen etwas, das Verbindungen schafft; wir müssen den gemeinsamen Nenner finden, der uns hilft, uns zu binden und an einem Ort heimisch zu werden; wir müssen Wurzeln entwickeln, weil unsere Gemeinschaft so jung ist.“

 

Zwei Spezies aus dem Labor von Coral Morphologic, Zoanthus und Montastraea, liefern Einnahmen, eine weites Forschungsfeld und stundenlange Unterhaltung.

 

An einem Morgen hing ich vor einem Tauchgang in der Küche des Labors ab, während Foord mit seinen zwei Assistenten, Allan Cox und Max Ivers, scherzte, die kürzlich bei der Firma eingestiegen waren, um sich um die Krustenanemonen zu kümmern.

Am Abend vor meiner Abreise hatte die Gruppe vorgeschlagen, dass ich das Korallenlabor noch mal in voller Blüte erleben solle. In völliger Dunkelheit hielten wir blaue Lampen auf die Wasserbecken und strahlen die Korallen eine nach der anderen an. Die tiefe Ruhe, die sich über uns herabsenkte, die tiefe Achtung vor den Kreaturen, die die Gruppe einte, und die verblüffende Schönheit, die von den fluoreszierenden Gestalten ausging, vereinten sich zu einem Gefühl der Erhabenheit, das manchen beim Anblick eines Rothko überkommen mag und andere beim Beobachten der Nordlichter. Ich wurde von einer Welle der Schönheit und Bewunderung ergriffen. Das Geheimnisvolle der Atmosphäre von Coral Morphologic wird noch dadurch verstärkt, dass sich das Labor in den Räumen einer ehemaligen Pfingstkirche befindet. Der blubbernde Tank, in dem ihre Krustenanemonen angesiedelt sind, steht an der Stelle, wo sich einmal die Kanzel befunden hat. Ein Gefühl von Spiritualität durchzieht den Ort.

An meinem letzten Tag in Miami verließ ich das Labor, um Professor Harold Wanless zu treffen, Leiter der Fakultät der Geologischen Wissenschaften an der Miami University. Wir unterhielten uns auf einer Bank am South Pointe Park, am südlichen Zipfel des South Beach—nur einen kurzen Fußmarsch entfernt von dem am niedrigsten gelegenen und am unmittelbarsten von Überschwemmungen bedrohten Whole-Foods-Bioladen der Welt.

„Wir haben die Realität noch nicht ganz an uns herangelassen, und ich weiß nicht, ob wir das je werden“, sagte er. Ein Teil seiner wissenschaftlichen Forschung befasst sich mit modernen Lebensumfeldern, insbesondere von dem Typ, den man in Südflorida und den Bahamas vorfindet, und dem Anstieg des Meeresspiegels über lange Zeiträume—und dabei wiederum vor allem mit der Art, wie Riffe, Barriereinseln und Sümpfe auf Erosion und das Ausbaggern reagieren. Er hat in den letzten Jahren die Sommer in Grönland verbracht und dort die schmelzenden Eisschichten untersucht.

„2007 haben wir für Miami-Dade County die Vorhersage erstellt, dass wir es in diesem Jahrhundert wahrscheinlich mit einem Anstieg des Wasserspiegels von einem bis eineinhalb Metern zu tun haben werden, was Miami in eine extrem ernste Lage bringt“, sagte er. „Aber mit den Informationen, die wir aus dem beschleunigten Abschmelzen dieses Jahres in der Antarktis ableiten können, der fehlenden Topografie, die das Eis zurückhalten könnte, und der Tatsache, dass in Grönland dasselbe passiert, müssen wir uns wahrscheinlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts eher auf zwei bis drei Meter einstellen, was absolut schockierend ist. Wir sitzen hier auf extrem porösem Kalkstein. Da kann man Deiche bauen, wie man will, und kann so vielleicht Sturmfluten von Land weghalten, aber es wird das Wasser nicht aufhalten, dass von unten kommt, oder das Flutwasser, das sich über das Land ausbreiten wird. Es ist vorbei; so einfach ist das.“

Foord teilt Wanless’ düstere Zukunftserwartungen, aber wenn es um die Korallen geht, die an den Gebäuden Miamis leben, ist er optimistischer: „Miami war einmal ein Korallenriff. Die höchste Erhebung Miamis ist die Cutler Ridge, ein ehemaliges versteinertes Korallenriff, daher weiß man, dass Miami einst komplett unter dem Wasser lag. Miami Beach war nichts weiter als eine Barriereinsel mit Mangroven darauf. Ein paar reiche Typen haben hier ein Experiment der Bauentwicklung durchgezogen, um hier den Traum des Tropenurlaubs zu verkaufen, und sie haben einen guten Job gemacht. Die Leute haben Milliarden Dollar verdient. In der Zukunft wird es einen Punkt geben, wenn die Blase der Grundstückspreise platzt und die Leute sich fragen müssen, ob es überhaupt nachhaltig ist, ein Haus für einen längeren Zeitraum zu bauen als für fünf oder zehn Jahre, bis der nächste große Wirbelsturm kommt. Wir sind vom Wasser umgeben. Was Miami Beach so relevant macht, ist, dass es—um einen Ausdruck der heutigen Zeit zu gebrauchen—ein YOLO-Lebensraum ist. You only live once. Heute ist er hier, morgen ist er weg.“

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ja interessanter beitrag von dir , wenn das stimmt ? :)?(

 

Freut mich, daß Du Dir die Zeit dafür genommen hast.   :flowers:   Ich bin ganz begeistert von den schönen Korallen.

Also nichts wie nach Miami ... solange es noch geht. :D

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