Katz & Maus - (Abgeschlossene Geschichte)


reisin

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Katz & Maus

PROLOG

Es war ein guter Tag zu sterben - oder nein - nochnicht! Aber es war der perfekte Tag, um das Spiel zu beginnen. Die Katze hatte ihre Krallen geschärft, jetzt wartete sie darauf, der Maus den ersten Schlag zu versetzen.

EINS

Lao Li war tot. Er hatte den Großteil seines Vermögens und seine Geschäfte an seinen langjährigen Freund und Vertrauten Major Ho-Chi Wong vererbt, denn in seiner Familie gab es niemanden, dem er die Führung seines Imperiums wirklich zutraute. Ein anderer Grund, warum er Wong wählte, war, dass dieser ihm seinen letzten Wunsch erfüllen würde. Lao Li wollte Gerechtigkeit. Er wollte, dass sein Erzfeind büßte, für das was er ihm angetan hatte. Er sorgte dafür, dass Lao Li vor einigen Jahren ins Gefängnis musste und er verhinderte erfolgreich, dass Lao Li das Gefängnis noch zu Lebzeiten wieder verlassen konnte. Wong würde ihm diesen Gefallen tun! Er würde sich an seiner Stelle an Martin Castillo rächen und nicht ruhen, ehe Castillo tot war. Schließlich hatte Wong selbst noch eine Rechnung mit Castillo offen. Sein ältester Sohn war bei der Schießerei am Pass nördlich von Mae Sa in Thailand umgekommen. Damals stellteCastillo einen Trupp zusammen, mit dem er Lao Lis Opiumlieferungen aus den Shan-Bergen überfallen wollte. Castillos Truppe war von Dale Menton, einem CIA-Agenten und Vertrauten Lao Lis, verraten worden. Obwohl sie den Standpunkt und die Stärke von Castillos Team kannten, und sie sie aus dem Hinterhalt angriffen, konnten Castillos Männer den Drogenkurieren schwere Schäden zufügen. Castillo selbst entkam damals schwer verletzt. Kein Tag verging, an dem der Major nicht voller Trauer an den schrecklichen Tod seines Sohnes dachte. Der Major hatte all die Jahre darauf gewartet, Castillo eines Tages für seinenschweren Verlust bezahlen zu lassen. Jetzt endlich war es soweit. Er wusste, wer der Richtige für diesen Job war. Er galt alsMeister seines Faches. Der Auftrag war bereits erteilt. Es kostete ihn zwar eine schöne Stange Geld, aber Castillos Tod war ihm jeden Cent wert. "Du bist schon so gut wie tot, Lieutenant Martin Castillo", murmelt er vor sich hin und sein Gesicht verzog sich zu einer kalt lächelnden Fratze. "Ich hoffe dein Tod wird langsam und schmerzhaft sein.“
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ZWEI

Montag, 15. Juni 1987 Martin Castillo saß in seinem Garten auf einem der eisernen Gartenstühle. Vor ihm auf dem Tisch standen eine braune Teekanne und eine dazu passende Schale mit grünem Tee. Der Tee war noch heiß, kleine Rauchschwaden stiegen auf und wurden vom Wind verwirbelt. Ein kräftiger Wind blies und zerzauste Castillos Haare. Für Juni war es heute relativ kalt, aber das störte den Lieutenant nicht. Er empfand es als eine willkommene Erfrischung nach den letzten heißen Tagen. Er lauschte dem Rauschen der großen Palmen, die in seinem Garten wuchsen, dass sich mit dem Rauschen des Meeres mischte. In der Ferne hörte er das Kreischen von Möwen. Gedankenverloren blickte Castillo hinaus aufs Meer. Wie fast jeden Tag war er früh schwimmen gegangen. Üblicherweise stand er fast immer bereits um 6 Uhr auf und ging immer gleich zum Stand, nachdem er sich seine schwarze Badehose angezogen und ein Handtuch über die Schulter geworfen hatte. Von seinem Garten aus gelangte er in nur fünf Minuten zum Strand. Er liebte es so früh schwimmen zu gehen. Um diese Uhrzeit verirrten sich normalerweise nur sehr wenige Leute hierher und er hatte den Strand und das Meer fast für sich alleine. Heute war er niemanden begegnet, weil der wolkenverhangene Himmel wohl andere Schwimmer und Spaziergänger abschreckte. Es sah so aus, als könnte es jede Minute zu regnen beginnen. Die Touristen wollten wohl erst abwarten wie sich das Wetter entwickelte. Martin war dies recht. Er liebte die Einsamkeit. Der kräftige Wind peitschte das Meer auf und große Wellen spülten an den Strand. Das Meer sah grau und bedrohlich aus und nicht wie sonst blau und einladend. Das hatte ihn aber nicht davon abgehalten eine Stunde lang in den Fluten zu schwimmen. Castillo liebte es gegen die Wellen zu kämpfen, seine Kräfte mit dem Meer zu messen. Als sehr geübter Schwimmer machten ihm die hohen Wellen nichts aus. Für ihn stellte das Schwimmen nicht nur eine gute Möglichkeit dar seinen muskulösen Körper zu trainieren und fit zu bleiben, sondern auch um seine Gedanken zu ordnen und dadurch einen kühlen und klaren Kopf zu bekommen. Das Schwimmen hatte fast einen meditativen Charakter. Heute hatte es jedoch nicht geholfen. Seine Gedanken wirbelten immer noch wild in seinem Kopf herum. Eine innere Unruhe breitete sich in ihm aus. Er griff nach der Teetasse, blies hinein und nippte vorsichtig an dem heißen Gebräu. Er hatte bereits geduscht und sich umgezogen. Wie fast jeden Tag trug er eine schwarze Anzughose, ein weißes kurzärmeliges Hemd und eine dünne, schwarze Lederkrawatte. Nur sein schwarzes Jackett hatte er noch nicht angezogen, dies hing noch im Esszimmer über einer Stuhllehne. Sein Revolver, sein Funkgerät und die Dienstmarke lagen auf dem Esszimmertisch bereit. In wenigen Minuten würde er mit seinem Dienstwagen, einem Ford Tempo, ins OCB fahren. Er seufzte, während er sich mit der Hand durch sein zerzaustes Haar strich. In Miami war seit einigen Wochen ein neues "Supercrack", wie es auf der Straße genannt wurde, auf dem Markt. Die Mixtur bestand aus Heroin und verschiedenen synthetischen Drogen. Der Rausch erfolgte schneller, war intensiver und hielt auch länger vor als bei den herkömmlichen Drogen. Außerdem war es billiger als reines Heroin. Das machte diesen Stoff sehr begehrt. Wie sich jedoch herausstellte, führte eine mehrmalige Einnahme bei Menschen mit geschwächter Konstitution, und die hatten nun mal leider viele Drogensüchtige, sehr häufig zum Tode. Allein in den letzten zehn Tagen fanden sie 6 Drogentote, die durch "Supercrack" starben und weitere Tote waren jederzeit zu erwarten. Sie arbeiteten mit Hochdruck an dem Fall, aber bisher gab es weder einen Hinweis auf den Dealer, der den Stoff unter die Leute brachte, noch auf den Hersteller dieses Teufelszeugs. Castillo leerte seine Tasse, stellte sie auf den Tisch und blickte nochmals aufs Meer hinaus. Er sog die salzige Meeresluft tief ein und lies sie wieder ganz langsam entweichen. Die aufgepeitschten Wellen spiegelten seine innere Unruhe wieder. Irgendetwas lag in der Luft ...etwas gefährliches kam auf ihn zu! Er konnte es spüren, aber er konnte nicht genau sagen was es war. Martin hatte gelernt, sich auf seine Instinkte zu verlassen, sie hatten ihn bisher nicht in Stich gelassen. Er blickte sich prüfend um, konnte aber nichts verdächtiges entdecken. Da! Er glaubte ein Geräusch gehört zu haben ... ein leises, metallisches Klappern. Er lauschte erneut, schloss die Augen, um sich besser auf die Geräusche ringsum konzentrieren zu können und wandte den Kopf in alle Richtungen. Außer dem Rauschen der Palmblätter und des Meeres hörte er jedoch jetzt nichts mehr. Er schüttelte den Kopf. Vermutlich hatte er sich das Geräusch nur eingebildet. Er blickte kurz auf seine Armbanduhr ... Viertel vor Acht ... Zeit ins Büro zu fahren. Martin Castillo stand auf, nahm die Teetasse und die Teekanne in seine Hände und warf nochmals einen prüfenden Blick umher. Plötzlich durchschnitt ein Schuss die friedliche Morgenstille. Die Kugel traf den Lieutenant oberhalb der rechten Brust. Die Wucht schleuderte ihn zurück gegen den Stuhl, der laut über den Boden kratzte, als er wegrutschte. Die Teekanne und die Teetasse flogen zu Boden wo sie mit hellem Klirren in tausend Stücke zersprangen. Als der Lieutenant zu Boden fiel schlug er mit dem Kopf gegen die Kante des eisernen Gartentisches. Blut sickerte sofort aus einer Wunde an der Stirn. Es tropfte auf den Boden und auf seiner rechten Brust breitete sich ein roter Fleck aus. Er blieb benommen am Boden liegen. Der Kopf und die Schulter schmerzten, aber das Adrenalin, das durch seinen Körper schoss, verhinderte im Moment, dass er den Schmerz zu stark empfand. Instinktiv griff er nach seiner Waffe. Mist - er hatte sie vorhin auf den Esszimmertisch gelegt. Vorsichtig hob er den Kopf und blickte in die Richtung aus der er den Angriff vermutete, aber er nahm alles nur verschwommen wahr. Wenn der Schütze noch da draußen war, dann hätte er jetzt leichtes Spiel. Er musste in Deckung gehen. Martin rappelte sich mühsam hoch, um hinter einer der Palmen in Deckung zu gehen, als erneut ein Schuss erklang. Er wurde zu Boden geschleudert, stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hoch und stolperte die wenigen Schritte bis zur Palme weiter. Hinter den Baum ging er in Deckung. Castillos Kopf dröhnte und ihm war schwindelig. Blut rann von der Stirn über seine Wangen bis in den Kragen seines Hemdes. An seinem rechten Arm lief Blut hinab. Benommen lehnte er sich an den Stamm der Palme. War der Schütze noch da und wartete auf eine weitere Gelegenheit oder hatte er sich zurückgezogen? Ich muss versuchen ins Haus zu gelangen, dort bin ich sicherer, kann meine Waffe holen und Verstärkung rufen, dachte er bei sich. Mit letzter Kraft, lugte er um die Palme herum. Dann torkelte und stolperte er, Haken schlagend, in Richtung der großen Schiebeglastür, die zu seinem Wohnzimmer führte. Wieder ein Schuss! Martins Beine sackten unter ihm zusammen, so dass er zu Boden stürzte. Sein rechtes Bein schmerzte. Mit letzter Kraft kroch er den halben Meter bis zur Schiebetür, zwängte sich durch den Spalt und brach bewusstlos zusammen. In einiger Entfernung zerlegte ein Mann in aller Seelenruhe ein modernes Gewehr mit Zielfernrohr, um es sorgfältig in eine schwarze Ledertasche zu packen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er war zufrieden, auch wenn er wusste, dass es sein Auftraggeber nicht sein würde, aber das interessierte ihn nicht. Hier ging es schließlich nicht um irgendeinen x-beliebigen, gutbezahlten Job, sondern um das Wiedersehen mit einem alten Freund. Er freute sich schon sehr, seinen Freund wieder zu sehen. „Das Spiel kann beginnen", flüsterte er leise in den Wind.
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DREI

Im OCB war es an diesem Montagmorgen vergleichsweise ruhig. In der Luft lag der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee. In wenigen Minuten sollte die übliche Teambesprechung beginnen. Stan dessen Hawaii–Hemd in grellen gelb-, grün- und rottönen einen fröhlichen Farbtupfer an diesem sonst so grauen Morgen bildete, nutzte die letzten Minuten vor der Besprechung, um sich noch schnell mit der Funktionsweise eines neuen Richtmikrofons vertraut zu machen. Er hatte es erst vor wenigen Minuten an der Rezeption in Empfang genommen. Vor sich hinmurmelnd probierte er verschiedene Einstellungen aus. Neben sich auf dem Schreibtisch hatte er die Bedienungsanleitung liegen, in die er ab und zu einen kurzen Blick warf. Immer wieder hielt er das Gerät Richtung Besprechungsraum und versuchte das leise Gespräch, das Trudy und Gina führten, in seinem Kopfhörer zu empfangen. Die beiden Kolleginnen wollten die wenigen Minuten bis zur Besprechung nutzen, um sich über ihre Erlebnisse am Wochenende auszutauschen. Vor sich auf dem Besprechungstisch hatte jede einen Becher mit Kaffee und eine Mappe mit dem letzten Bericht liegen. „Er ist wirklich süß", hörte Stan nun Gina sagen. „Er sieht gut aus, ist ein richtiger Gentleman und ein sehr guter Zuhörer.“ „Klingt als wärst du schwer verknallt in den Typen", empfing er nun Trudys Stimme. „Ich gebe zu in meinem Bauch flattern einige Schmetterlinge, mal sehen, ob mehr daraus wird. Ian ist aber auch einfach zu süß!", schwärmte Gina nun. Rico im silbergrauen Armani-Anzug mit lachsfarbenem Hemd, dessen obersten drei Knöpfe geöffnet waren, saß noch an seinem Schreibtisch, um seinen Bericht zu vervollständigen. Schließlich legte er das Blatt in einen Hefter, klemmte die Mappe unter dem Arm, nahm seine zur Hälfte geleerte Kaffeetasse, in die eine, eine Tüte mit Weintrauben in die andere Hand und schlenderte nun ebenfalls zum Besprechungszimmer hinüber. „Hallo ihr Süßen“, begrüßte er seine beiden Kolleginnen mit einem strahlenden Lächeln. „Ich hoffe, ich störe euch nicht bei irgendwelchen intimen Details", flachste er. Nachdem er neben Trudy an dem großen Besprechungstisch Platz genommen und seinen Kollegen von den Weintrauben angeboten hatte, begann er selbst zu essen. Auch Stan beendete inzwischen die Abhörversuche. Er packte das Richtmikrofon zurück in den Karton und trudelte nun grinsend im Besprechungszimmer ein. Er stellte seine Kaffeetasse mit einem Bild von Elvis darauf und eine Schachtel mit Donuts vor sich auf den Tisch, ehe er sich mit einem Ächzen auf den Stuhl gegenüber seinen beiden Kolleginnen plumpsen ließ. Es war bereits 9.00 Uhr. „Hallo Mädels, hallo Rico, na Gina, ein schönes Wochenende gehabt?" Er grinste Gina frech an. Misstrauisch warf ihm Gina einen Blick zu. Trudy, die zuvor einen kurzen Blick auf das Richtmikro erhaschen konnte, lächelte Stan an. „Es scheint also alles zufriedenstellend zu funktionieren?", konterte sie. Gina warf Beiden einen verwirrten und zugleich misstrauischen Blick zu. Sie hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden aus dem sich eine Strähne gelöst hatte, die ihr nun ins Gesicht fiel. Gedankenverloren strich sie die Strähne zurück. „Weiß eigentlich jemand wo Sonny und der Lieutenant sind?", fragte Rico in die Runde. Als hätte er seinen Namen gehört, riss Sonny in diesem Moment die OCB-Tür auf und eilte herein. Sich im Vorbeilaufen eine Mappe von seinem Schreibtisch schnappend stürmte er heftig schnaufend ins Besprechungszimmer. Er war unrasiert, seine blonden Haare standen wild durcheinander wie bei jemandem, der eben erst aus dem Bett hochgeschreckt und in aller Eile in seine Klamotten geschlüpft war. Sein türkisfarbenes T-Shirt war verknittert und auf einer Seite war der Kragen seines weißen Sakkos hochgeklappt. „Entschuldigung, ich habe verschlafen.", murmelte er mit gesenktem Kopf. Ohne sich weiter umzusehen, ließ er sich auf seinen Platz nieder. Er warf lässig die Mappe auf den Tisch, schlug sie auf und begann den Bericht zu überfliegen. „Du bist heute jedenfalls nicht der Einzige, der sich verspätet", grinste ihn Rico an. Das muss ja eine lange und ich vermute auch eine heiße Nacht gewesen sein. Wer war denn die Glückliche?", neckte Rico seinen Partner. Erst jetzt blickte Sonny hoch und sah sich erstaunt um. Ohne auf die Neckereien seines Freundes einzugehen fragte er in die Runde: „Wo ist denn der Lieutenant? Castillo ist doch NIE unpünktlich.“ „Keine Ahnung, er ist heute noch nicht aufgetaucht und er hat jedenfalls nicht Bescheid gegeben, dass er sich verspätet", murmelte Trudy. „Ich versuche mal ihn zu Hause oder am Autotelefon zu erreichen, vielleicht wurde er ja nur aufgehalten." Aber es klang nicht überzeugt. Sie verließ das Besprechungszimmer, um von ihrem Schreibtisch aus die Gespräche zu führen. Auf der Kante ihres Schreibtischs sitzend, ihre langen Beine übereinandergeschlagen, wählte sie die beiden Nummern, die sie auswendig kannte. Bereits nach wenigen Minuten kehrte sie zurück, blieb aber im Türrahmen stehen und schüttelte bedauernd den Kopf, so dass ihre langen silbernen Ohrringe, die sie heute trug, leise klirrten. „Nichts, es geht keiner dran." „Ich mache mir allmählich Sorgen. Der Lieutenant ist doch sonst die Pünktlichkeit in Person! Nach ihm könnte man eine Atomuhr stellen. Wenn er aufgehalten worden wäre, hätte er bestimmt Bescheid gesagt. Ich hoffe es ist nichts passiert." Gina blickte sorgenvoll zu Sonny. Normalerweise hätte Sonny Ginas neues, eng anliegendes, mintfarbenes Kleid mit einem freundschaftlichem Geplänkel kommentiertund mit ihr ein wenig geschäkert, aber im Moment stand ihm einfach nicht der Sinn danach. Er biss sich auf die Lippen und fuhr sich gedankenverloren durch sein Haar. Er grübelte. Irgendetwas stimmte nicht! Auch Rico, Stan und Trudy sahen besorgt und schweigend in die Runde. „Vielleicht sollte einer von uns zu ihm rausfahren und nach dem Rechten sehen, nur so zur Sicherheit .....", begann Sonny, als er durch das Läuten seines Telefons auf seinem Schreibtisch unterbrochen wurde. „Wer weiß, vielleicht ist er das ja ...", murmelte Sonny, ehe er aus dem Raum eilte. Er schnappte sich den Hörer und blieb neben seinem Schreibtisch stehen. „Crockett", schnauzte Sonny ins Telefon. Dann lauschte er. „Was, wie ...., ja, ja ich habe verstanden.“ Er legte auf. Kreidebleich setzte er sich auf seinen Stuhl, nahm einen Bleistift zur Hand, drehte ihn nervös in der einen Hand und fuhr sich mit der anderen Hand durch sein Haar. Seine Kollegen, die seine Reaktion durch die Glasfenster des Besprechungszimmer beobachtet hatten, versammelten sich um seinen Schreibtisch und sahen ihn gespannt und nervös an. „Es war ein Kollege von der Metro Dade Police. Auf Castillo wurde heute Morgen geschossen. Er befindet sich gerade im Biscayne Hospital. Der Kollege konnte mir aber nicht sagen wie es um ihn steht."
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VIER

Major Wong ging im Atrium seines Hauses auf und ab. Wong war bereits über 70, seine magere Figur steckte in einem cremeweißen Anzug so wie ihn auch Lao Li immer getragen hatte, dazu ein weißes Hemd und eine silbergraue Krawatte. Seine kurzen schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt. Er stütze sich auf einen schwarzen Stock mit einem silbernen Knauf, der die Form eines Adlerkopfes hatte. Nicht dass er den Stock benötigt hätte, denn für sein Alter war Wong noch erstaunlich fit. Nein, er hatte festgestellt, dass er mit dem Stock seinen Leuten noch mehr Respekt und manchmal auch, wenn nötig, Angst einflössen konnte. Denn dieser Stock war nicht nur einfach ein Stock, sondern eine tödliche Waffe. In seinem Inneren war ein etwa 30 cm langer Dolch verborgen. Wong war, wie sehr viele Asiaten, nicht sehr groß, aber seine aufrechte Haltung und sein unnachgiebiger Blick deuteten auf einen eisernen Willen hin. Wer Wong gegenüber stand, wusste, dass er es mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun hatte, den man besser nicht unterschätzte. Nun war der Major wütend, zornig und zutiefst enttäuscht. Soeben hatte er erfahren, dass Castillo noch lebte und ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sein Informant konnte ihm jedoch nicht sagen, wie Ernst der Gesundheitszustand des Lieutenant war. Wong hoffte jedoch, dass Castillo die bevorstehende Operation nicht überlebte. Er durchschritt das Atrium, das auf der Längsseite Richtung Süden eine große Fensterfront aufwies. An der anderen, schmäleren Seite des Raumes war eine große Spiegelfront angebracht. Vor dem Spiegel blieb er nun kurz stehen und betrachtete sein Spiegelbild. Er straffte seine Schulter, richtete seinen bereits kerzengeraden Rücken noch etwas mehr auf. Danach drehte er sich um und schritt zu dem kleinen hölzernen Tischchen mit asiatischen Schnitzereien, das neben dem Fenster stand. Darauf lag ein weißes Deckchen auf dem das Telefon stand. Wong wählte eine Nummer. Ungeduldig wartend, war sein zorniges Gesicht nun einer undurchdringlichen Maske gewichen. Als sich am anderen Ende der Leitung eine männliche Stimme meldete, fauchte er: „Sie haben es vermasselt. Castillo lebt noch. Dafür wurden sie nicht bezahlt!" Der Mann am anderen Ende lachte: „Keine Sorge, Major, Castillo wird sterben! Aber erst wenn ich es will!" Wong blickte finster zum Fenster hinaus auf den großen Garten mit dem gepflegten Rasen und den alten Palmen, ehe er antworte: „Hören Sie, Castillo ist gefährlich, sehr gefährlich. Wenn er herausfindet, dass Sie hinter dem Anschlag stecken, wird er sie töten. Besser Sie erledigen ihren Job, so schnell wie möglich, am besten solange er noch geschwächt im Krankenhaus liegt." Der andere Mann klang amüsiert, so als müsse er ein Lachen unterdrücken. „Danke für den guten Tipp, Major", erwiderte er ironisch. „Ich weiß wie gefährlich Castillo wirklich ist. Ich habe es selbst erlebt. Keine Sorge, Major, ich verstehe mein Handwerk, Castillo wird sterben ... bald, aber erst will ich noch ein bisschen Spaß haben." Es klickte in der Leitung, der Mann hatte aufgelegt. Missbilligend runzelte Wong die Stirn. Er hoffte, dass dieses „bald" auch wirklich schon sehr bald sein würde.
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FÜNF

Sämtliche Geschwindigkeitsgebote und rote Ampeln ignorierend, raste Sonny mit seinem weißen Ferrari Testarossa Richtung Krankenhaus. Mit quietschenden Reifen bog er nun in eine weitere Straße ein, die zu seinem Ziel führte. Der Wagen begann zu schlingern, das Heck des Wagens brach aus und geriet zur Hälfte auf die Gegenfahrbahn. Sonny hatte den Wagen wieder schnell unter Kontrolle, aber er konnte nicht verhindern, dass ein entgegenkommender schwarzer Porsche auf den Bürgersteig ausweichen musste. Der Fahrer drückte wütend auf die Hupe und drohte mit der Faust, aber Sonny kümmerte es nicht und fuhr in rasendem Tempo weiter. „Sachte, sachte, Mann - geht es nicht ein bisschen langsamer? Castillo läuft dir bestimmt nicht davon und du hilfst ihm nicht, wenn du jetzt einen Unfall baust", versuchte Rico seinen Partner etwas zu bremsen. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Starr geradeaus auf die Straße blickend, hielt er sich mit seiner rechten Hand krampfhaft am Türgriff fest. Ohne Rico anzusehen, nicket Sonny. „Du hast ja Recht", murmelte er, die Geschwindigkeit drosselnd. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie wenige Minuten später ihr Ziel, den Krankenhausparkplatz. Den Ferrari parkte er gleich neben der Notaufnahme. Die beiden Detectives stürmten ins Gebäude. In der Notaufnahme herrschte rege Betriebsamkeit. Gerade wurde ein junger Mann mit einer blutenden Kopfwunde auf einer Trage hereingebracht. Ein Arzt eilte hinzu und bedeutete den Sanitätern den Mann in Raum 3 zu bringen. „Ein Autounfall" berichtete der Sanitäter. Sonny und Rico gingen an dem Verwundeten vorbei. Durch einen Vorhang sahen sie einen Arzt Wiederbelebungsversuche bei einem Patienten vornehmen. Der Arzt begann mit einer Herzmassage, während eine Krankenschwester den Defibrilator vorbereitete. Schnell gingen die beiden weiter bis zum Ende des Ganges. Dort kam ihnen ein junger Polizeibeamter in Uniform entgegen. „Detective Crockett und Tubbs?", fragte er. Die Beiden nickten und musterten den jungen Mann, der aussah, als sei er gerade von der Polizeischule gekommen. Höchstens Anfang/Mitte Zwanzig, schätzte Rico. „Ich bin Officer Main“, stellte er sich vor. „Ich habe sie vorhin angerufen". Der Junge sah fast aus als wolle er jeden Moment stramm stehen und salutieren. Eifrig erstattete er Bericht. „Lieutenant Castillo wurde heute Morgen in seinem Garten niedergeschossen. Er wurde dabei von mehreren Kugeln getroffen. Dem Lieutenant gelang es noch sich ins Haus zu schleppen und den Notruf zu verständigen, ehe er bewusstlos zusammen brach. Sie haben ihn gerade in den OP gebracht. Es wird vermutlich eine Weile dauern, ehe wir Näheres über seinen Gesundheitszustand erfahren. Die Spurensicherung untersucht gerade den Tatort." „Irgendwelche Hinweise auf den Täter?", wollte Sonny wissen, aber der junge Polizist schüttelte nur bedauernd den Kopf. Nachdenklich sah Sonny zu seinem Partner. Dann schmiss er ihm die Schlüssel des Ferrari zu, die Rico geschickt mit einer Hand auffing. „Fahr du raus zu Castillos Haus und versuche rauszufinden, ob die Spurensicherung schon irgendwelche Hinweise gefunden hat. Mach ihnen ordentlich Dampf. Ich bleibe hier und warte bis Marty aus dem OP kommt. Du kannst mich ja später abholen.“ Rico nickte, dann musste er trotz der ernsten Situation grinsen, warf die Schlüssel in die Luft und fing sie wieder auf. „Das ich das tatsächlich noch erlebe, dass du mir deinen Ferrari anvertraust ....", drehte sich schnell um und verschwand, ehe es sich Sonny vielleicht doch noch anders überlegte. Denn schließlich war der Testarossa sein Heiligtum, das er normalerweise niemandem anvertraute. Keiner bemerkte den Mann, der nur wenige Meter entfernt lässig an der Wand lehnte und so tat, als ob er in einer Zeitschrift las.
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SECHS

Der Mann langweilte sich. Sicher am Morgen hatte er ein wenig Spaß gehabt. Doch das war lange vorbei. Das Spiel hatte begonnen und er hatte den ersten Spielzug gehabt, aber den nächsten Schritt würde er erst in einigen Tagen unternehmen können. Er lächelte, wenn er daran dachte, auf welche Weise er seinem Gegner eine Nachricht hatte zukommen lassen. Seit damals hatte er viel dazugelernt, war nun besser in dem Spiel. Sein Gegner hatte keine Chance. Er verließ das kleine Motelzimmer. Die kühle Abendluft war eine willkommene Erfrischung. Langsam die Straße entlang schlendernd, überlegte er sich, wie er sich die Zeit vertreiben könnte. Sollte er es mal wieder mit einem richtigen Spiel versuchen, sein Glück im Casino herausfordern? Nein, dazu hatte er heute keine Lust, ihm Stand der Sinn mehr nach einem etwas exklusiveren Vergnügen. An der Hauptstraße angekommen, wanderte er an verschiedenen Restaurants und Bars vorbei. Der Duft von Essen, gemischt mit Zigarettenqualm drangen ihm in die Nase. Sollte er etwas Essen oder einen Drink zu sich nehmen? Nein, er hatte keine Hunger und eine Bar war nicht das, wonach ihm der Sinn stand. Eine Nutte vielleicht? Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah er wie eine der Damen gerade mit einem Mann redete. Vermutlich nannte sie ihm gerade ihre Preise. Aber auch dazu hatte er keine Lust. Da sah er etwa 100 m weiter die Straße hinunter ein kleines Geschäft. Das war es! Soeben hatte er die Idee, wie er den Abend verbringen konnte. Nach einer Stunde kehrt der Mann in sein bescheidenes Zimmer zurück. Sicher, er hätte es sich leisten können in einem Luxushotel abzusteigen. Geld verdiente er genug. Seine Arbeitgeber zahlten ihm sehr viel Geld für seine Dienste. Aber er bevorzugte Mittelklassemotels. Diesen Luxus brauchte er nicht, wenn er arbeitete. Er hatte schon an Orten geschlafen, an denen sich normale Bürger nicht mal bei Tag trauten, sich dort aufzuhalten, geschweige sich dort nachts in die Nähe zu wagen. Aber ihn machte so etwas nichts aus. Er bevorzugte diese einfachen Motels, weil viele von ihnen anonym waren. Bezahlte man bar und machte keinen Ärger, dann kümmerte sich niemand um einen und beachtete ihn nicht weiter. Und niemand interessierte sich dafür, ob der Name auf dem Anmeldebogen auch wirklich stimmte. Er streifte seine schwarzen Lederschuhe ab und schob sie mit dem Fuß unter den braunen Cordsessel. Der Raum war einfach gehalten. In der Mitte war ein großes Doppelbett mit einer grün-blauen Tagesdecke. Dem Bett gegenüber war eine kleine Holzkommode mit einem alten Fernseher. Ein zweitüriger Schrank und ein kleiner runder Tisch mit zwei Stühlen sowie ein großer eckiger Spiegel, der an der Wand hing, vervollständigten die Einrichtung. Der Boden war mit einem beigen Teppich ausgelegt. Das Zimmer war nicht sehr groß und das Mobiliar hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, aber es war sauber und das Bett frisch bezogen. Zu dem Zimmer gehörte noch ein kleines weiß gefliestes Bad mit Dusche und WC. Über dem Handtuchständer hingen zwei gelbe Handtücher. In der linken Hand hielt der Mann eine kleine Schachtel in der sich etwas bewegte. Man hörte ein Kratzen und Scharren aus dem kleinen Karton, der kleine Luftlöcher enthielt. Auf dem Karton war der Name und die Anschrift einer Zoohandlung aufgedruckt. Vorsichtig stellte er ihn auf den Tisch. Dann öffnete er sein Jackett und zog eine Katze daraus hervor. Es war eine schwarze Katze mit einem kleinen weißen Fleck an der Kehle und einer weißen Pfote. Sie hatte sich in einer Seitengasse in der Nähe des Motels herumgetrieben. Sie war sehr zutraulich gewesen, ließ sich gerne von ihm streicheln und auf den Arm nehmen. Nun hielt er die Mieze in seinem Arm, kraulte sie sanft hinter den Ohren. Sie schnurrte zufrieden und kuschelte sich in seinen Arm. Tiere waren in dem Motel zwar verboten, aber das war ihm egal. Diesen Abend würde sie ihm helfen, seine Langeweile zu vertreiben. Aus der Schachtel auf dem Tisch erklang ein ängstliches Quieken. „Zeit fürs Abendessen", sagte er zu seiner neuen Freundin mit einem heimtückischem Grinsen.
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SIEBEN

Sonny wartete im Krankenhaus bis Martin Castillo aus der Narkose erwachte. Er saß an seinem Bett im Aufwachraum. Es roch nach Desinfektionsmitteln, die bei Sonny eine leichte Übelkeit verursachten. Am liebsten wäre er nach draußen gegangen und hätte frische Luft geschnappt, aber er wollte unbedingt anwesend sein, wenn Marty aufwachte - er sollte nicht allein sein, wenn er das Bewusstsein wieder erlangte. Nachdem Castillo erwachte und Sonny einige Worte mit ihm gewechselt hatte, fuhr Sonny zum OCB zurück. Eigentlich wollte er noch gar nicht gehen, aber der Arzt machte ihm eindringlich klar, dass der Lieutenant seine Ruhe brauchte und ausruhen müsse. Er schärfte Sonny auch ein, dass er vor morgen keinen weiteren Besuch beim Lieutenant dulden würde. Während der Rückfahrt zum OCB überlegte Sonny die ganze Zeit, wer hinter dem Anschlag stecken könnte. Hatte es vielleicht etwas mit ihrem jetzigen Fall zu tun? Andererseits hatte sich Castillo im Laufe seiner Karriere viele Feinde gemacht und Sonny kannte nur einen kleinen Teil dieser potentiellen Feinde. Er hoffte, dass die Spurensicherung etwas gefunden hatte, dass ihnen bei der Suche nach dem Täter weiterhalf. Als Sonny am OCB ankam und durch die Schwingtür ins Büro trat, unterbrachen seine Kollegen ihr momentane Tätigkeit und richteten ihre Augen gleichzeitig besorgt und neugierig auf ihn. Es herrschte eine angespannte Stille, nur Sonnys Schritte und das Knarzen von Bürostühlen war zu hören. Sonny lächelte. "Der Lieutenant wird durchkommen.", sagte er schon, ehe er das Büro vollständig betreten hatte. Er ging zu seinem Platz, setzte sich auf den Rand seines Schreibtisches und erstattete weiter Bericht. "Er hatte großes Glück. Die Kugel traf ihn in die rechte Schulter, es war auch nur ein relativ kleines Kaliber. Es wurden keine inneren Organe oder Arterien verletzt. Eine Zeitlang wird er wohl Schmerzen haben und seinen Arm nicht voll bewegen können, aber er wird bald wieder auf dem Damm sein. Außerdem erlitt er noch Streifschüsse am rechten Arm und rechten Bein sowie eine leichte Gehirnerschütterung. Als er zu Boden stürzte, scheint er mit seinen Kopf gegen irgendetwas hartes geprallt zu sein. Die Ärzte wollen ihn noch 2-3 Tage zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Auf jeden Fall braucht er noch Ruhe. Vor morgen darf ihn keiner besuchen - ärztliche Anweisung! Die entfernte Kugel wurde bereits ins Labor zur ballistischen Untersuchung geschickt." Alle atmeten erleichtert auf. Gina drückte vor Freude Trudys Arm, Stan ließ sich soerleichtert in seinen Stuhl zurückfallen, dass die Rückenlehne knarzte und Rico strahlte von einem Ohr zum anderen. "Ich habe kurz mit ihm gesprochen, aber er hat niemanden gesehen oder bemerkt. Der Schuss traf ihn aus heiterem Himmel. Er war noch etwas benommen von der Narkose, deshalb werde ich ihn morgen nochmals befragen. Vielleicht fällt ihm ja noch etwas ein. Ich habe übrigens veranlasst, dass der Lieutenant Rund um die Uhr von zwei Beamten überwacht wird. Irgendwelche brauchbaren Hinweise von der Spurensicherung, Rico?" wandte sich Sonny an seinen Partner. Rico runzelte die Stirn: "Vielleicht! - Die Spurensicherung hat keinerlei verwertbare Spuren gefunden, nur auf dem Tisch, neben Castillos Teetasse stand komischerweise eine Patronenhülse, Kaliber 5,56, ein relativ kleines Kaliber also. Sonst haben sie nirgends weitere Patronenhülsen gefunden. Der Täter muss sie wohl aufgesammelt haben. Wir wissen allerdings noch nicht, ob die Hülse irgendetwas mit dem Anschlag zu tun hat, dazu müssen wir erst die ballistischen Untersuchungen abwarten. Die Ergebnisse werden wir erst morgen bekommen. Sagtest du nicht gerade, dass die Kugel, die Castillo traf, aus einer relativ kleinkalibrigen Waffe stammte? Vielleicht gehört die Patronenhülse ja zu der Kugel. Aber entweder hat Castillo die Hülse dahin gestellt und sie hat mit dem Fall nichts zu tun, oder es war der Täter und dann vermute ich, dass er damit uns vielleicht irgendetwas mitteilen will."
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ACHT

Der Mann öffnete den Deckel der kleinen Schachtel. Eine kleine Maus sah ihn mit ihren kleinen schwarzen Augen ängstlich an und versuchte sich in die Ecke der kleinen Schachtel zu ducken. Sie zitterte am ganzen Körper. Er senkte die Pappkiste um der Katze, die er auf den Sessel abgesetzt hatte, den Inhalt zu zeigen. Die Katze spitze ihre Ohren und wollte mit ihrer Tatze in die Schachtel schlagen, aber er zog die Schachtel schnell zurück und meinte nur, "etwas Geduld meine Liebe, gleich darfst du spielen". Er klappte den Deckel wieder zu, setzte die Schachtel vorsichtig auf den Boden ab und wartete, bis die Katze sich zu ihm gesellte. Dann öffnete er die Schachtel wieder und kippte sie um, sodass die Maus aus der Schachtel entkommen konnte. Voller Angst versuchte die Maus unter das Bett zu flüchten, aber die Katze war schneller. Sie sprang hinzu, packte die Maus am Genick und wirbelte sie hoch in die Luft. Als die Maus wieder auf den Boden prallte, rappelte sie sich etwas verwirrt auf, um erneut die Flucht zu ergreifen. Wieder packt die Katze die Maus, wirbelte sie erneut in die Luft, wobei sie mehrmals mit den Tatzen nach der Maus schlug. Die Maus versuchte noch mehrmals ihr Heil in der Flucht zu suchen, aber immer wieder wurde sie von der Katze gepackt, durch die Luft geschleudert und mit den Pfoten traktiert. Der Mann hatte sich in den Sessel gesetzt und beobachtete amüsiert das Schauspiel. Dieses Spiel dauerte fast eine Stunde. Als die Maus erneut durch die Luft gewirbelt wurde und auf den Boden aufschlug, blieb sie einen Moment benommen liegen. Danach rappelte sie sich noch ein letztes Mal auf, diesmal jedoch deutlich langsamer. Doch ehe sie erneut wegrennen konnte, packte sie die Katze am Genick, biss fest zu und tötete sie. Dann legte sie sich hin, die Maus zwischen den Vorderpfoten, und begann die Maus aufzufressen. Der Mann strahlte. Er streifte schwarze Lederhandschuhe über, zog ein Messer aus einer Scheide, die er seitlich am Gürtel befestigt hatte, packte die Katze am Hals und schnitt mit zwei schnellen Bewegungen ihre Stimmbänder durch. Die Maus, die noch im Maul der Katze hing, fiel zu Boden, als die Katze vor Schmerzen das Maul aufriss um zu schreien. Blut tropfte aus der Halswunde auf die Handschuhe und auf das schwarze Fell, das nun feucht glänzte. Die Katze wollte fauchen und schreien, aber es war kein Laut zu hören. Sie versuchte sich aus dem Griff des Mannes zu entwinden und ihn mit ihren Krallen zu kratzen, aber er hielt sie mit seiner linken Hand weit genug von seinem Körper entfernt. Meistens schnitt er zuerst die Stimmbänder bei seinen Opfern durch. Die Schreie oder das Winseln um Gnade konnte er nicht ertragen, wenn er mit ihnen spielte. Außerdem musste er so nicht befürchten, dass seine Opfer mit ihren Schreien jemanden Unerwünschten auf ihn aufmerksam machten. Er nahm eine der samtigen Katzenpfoten in seine rechte Hand, so als wolle er sie streicheln. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte er das Gelenk in die andere Richtung. Es knackte und die Pfote stand in einem merkwürdigen Winkel vom Bein ab. Die Katze zappelte, versuchte zu kratzen und zu beißen und sich aus der Hand des Mannes zu befreien. Beinahe hätte sie es geschafft, sich aus seiner Umklammerung zu entwinden. Mit beiden Händen hielt er sie gnadenlos an den Hinterpfoten fest und schmetterte sie zu Boden, wo die Katze kurz benommen liegen blieb. Mit seinem Fuß trat er ihr fest in ihren Bauch. Die Katze bäumte sich unter Schmerzen auf, aber es war nur ein schwaches Fauchen zu hören. Mit einem sadistischen Grinsen packte er sie erneut am Nacken und zückte sein Messer. "Das Spiel ist noch nicht vorbei mein Kätzchen ..."
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NEUN

Ein Mann mit einem weißen Kittel und einem Stethoskop um seinen Hals näherte sich dem Krankenhausbett, in dem Castillo schlief. Es war so einfach gewesen, an den Bewachern vor der Krankenzimmertür vorbeizukommen. Er sagte einfach, er sei der diensthabende Arzt der Nachtschicht. Bis sie ihren Irrtum bemerken würden, wäre es schon zu spät. 'Wie leicht sich doch Menschen oft vom äußeren Schein trügen lassen', dachte sich der Mann. 'Ein weißer Kittel und ein Stethoskop und schon werde ich für einen Arzt gehalten.' Er lachte innerlich. Vorsichtig näherte er sich dem Bett. Er versuchte möglichst kein Geräusch zu verursachen, um Castillo nicht zu wecken - zumindest noch nicht. Aber seine Sorge war unbegründet. Castillo schlief tief und fest. Wahrscheinlich waren dies noch die Nachwirkungen der Narkose. Aus seiner Tasche zog der Mann nun eine Spritze und injizierte eine klare Flüssigkeit durch die Hohlnadel, die in Martins Handrücken steckte und mit der ihm eine Salzlösung verabreicht wurde. Dann hieß es noch einen kurzen Moment warten, bis die Droge wirkte. Gewöhnlich wirkte sie sehr schnell. Sie sorgte dafür, dass die Muskeln erschlafften und sein Gegner keine Gegenwehr mehr leisten konnte. Dann zückte er sein Messer und schnitt Castillo, wie zuvor schon bei der Katze, die Stimmbänder durch. Durch den Schmerz plötzlich und unsanft aus dem tiefen Schlaf geschreckt, riss Castillo die Augen auf. Er wollte sich gegen den Mann wehren, der über ihn gebeugt war und ein Messer in der Hand hielt, aber seine Gliedmaße wollte einfach nicht gehorchen. Er hatte keine Kontrolle mehr über sie. Der Mann setzte nun das Messer an Martins rechter Wange an und schlitzte langsam und genussvoll die Haut auf. Das Blut quoll aus der Wunde, vermischte sich mit dem Blut aus der Halswunde und tropfte auf den blütenweißen Bettbezug. Castillo wollte schreien, aber aus seinem Mund drang nur ein Röcheln. Mit aller Kraft versuchte er sich auf die Bewegung seiner Arme zu konzentrieren, aber vergebens. Dann ergriff der Mann Castillos kleinen Finger, ein kurzer Ruck verbunden mit einer Drehung und der Finger war aus dem Gelenk gesprungen. Er sah Castillos weit aufgerissenen Augen, angstvoll und schmerzerfüllt. Er schien, um Gnade flehen zu wollen. Mit einem eiskalten Lächeln stieß der Mann das Messer in Martins Oberarm, zog es heraus, um es sofort in den Unterarm zu stoßen. Er empfand immer mehr Vergnügen bei seiner Beschäftigung. Immer wieder stach er zu, immer darauf bedacht, ihm keine tödlichen Verletzungen zu zufügen. 'Zumindest noch nicht' dachte er grimmig. Er wollte jede Minute auskosten. Dann widmete er sich den anderen Fingern. Das schmerzverzerrte Gesicht und Castillos Hilflosigkeit versetzten ihn in eine euphorische Stimmung. Er schwitzte, wollte erneut mit dem Messer zustechen, als er - erwachte. Es dauerte einen Moment bis er realisierte, dass dies alles nur ein Traum gewesen war. Es war zutiefst enttäuscht. Die Vorstellung seinen Traum noch heute Nacht Realität werden zu lassen, erregte ihn. Warum noch länger warten? Jetzt war Castillo am meisten geschwächt. Vielleicht sollte er es jetzt beenden .....
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ZEHN

Dienstag, 16. Juni 1987 Martin Castillo wachte nach der Operation kurz auf und wechselte im Halbschlaf, einige Worte mit Sonny - oder hatte er das nur geträumt? – Erwar sich nicht ganz sicher. Dann schlief er wieder ein und erwachte erst am nächsten Morgen. Vielleicht waren dies die Nachwirkungen der Narkose und der Schmerzmittel, die man ihm zusammen mit einer Kochsalzlösung verabreichte. Castillo kam langsam zu sich, immer noch etwas benommen. Er versuchte mühsam die Augen zu öffnen. Die Wirkung der Schmerzmittel ließ offensichtlich nach, denn sein Kopf schmerzte. Hinter seiner Stirn pochte es als würde ein kleiner Mann mit einem Presslufthammer versuchen ein Loch in seine Schädeldecke zu schlagen. Er dachte angestrengt nach. Sonny besuchte ihn hier, redete mit ihm. Aber wo befand er sich? Ja richtig, im Krankenhaus. Sonny faselte etwas von einem Schuss. Ein Schuss? Langsam begann er sich zu erinnern. Er hatte in seinem Garten Tee getrunken als ein Schuss fiel. Er konnte sich an das komische Gefühl in seiner Magengegend erinnern, dass etwas Bedrohliches in der Luft lag, kurz bevor er getroffen wurde. Seine Instinkte hatte ihn gewarnt, wenn auch etwa zu spät. Ließ sein Instinkt langsam nach? Wurde er langsam alt und nachlässig? Aber wer war der Schütze? Warum wurde auf ihn geschossen? Die Fragen schwirrten nur so in seinem Kopf umher. Er versuchte sich zu konzentrieren, was aber mit diesen Kopfschmerzen schwierig war. Als er sich etwas aufrichten wollte, spürte er einen stechenden Schmerz in der Schulter. Richtig, der Schütze hat ihn an der Schulter getroffen und er wurde operiert. Er konnte sich nicht daran erinnern, vor dem Schuss etwas bemerkt zu haben. Er hatte weder etwas gesehen noch gehört. Ein Profi! schoss es ihm durch den Kopf. Oder nein - dann wäre er jetzt tot und hätte nicht nur eine Kugel in der Schulter und zwei Streifschüsse abbekommen. Wer war der Schütze? Wer wollte ihn töten? – Im Laufe seiner Karriere hatte sich Castillo viele Feinde gemacht. Ihm fielen auf Anhieb ohne weiter nachzudenken mindestens ein Dutzend Personen ein, die seinen Tod gerne sehen würden. Aber wer von diesen steckte wirklich hinter dem Anschlag? Es klopfte an der Krankenzimmertür. Ein junger Polizeibeamter, der zusammen mit einem Kollegen vor der Tür Wache stand, trat ein, nickte zur Begrüßung mit dem Kopf und überreichte ihm ein kleines Paket. "Guten Morgen Lieutenant. Hier - für Sie, wurde gerade von einem Kollegen an der Rezeption abgegeben". Er überreichte ihm das Päckchen und verschwand schnell und leise aus dem Zimmer. Martin zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. Wer schickte ihm ins Krankenhaus ein Päckchen? Misstrauisch untersuchte er das Paket, er wog es in der Hand. 8-10 Pfund schätzte er. Es war ein grauer stabiler Karton, etwa in der Größe eines Schuhkartons, mit braunem Packband zugeklebt. Castillo dreht ihn in alle Richtungen, schüttelte ihn vorsichtig, fand aber nichts Verdächtiges. Er kam zu dem Entschluss, dass wohl nicht mit einer Gefahr zu rechnen sei, und öffnete es vorsichtig. Im Karton lag eine tote Katze. Sie war in einer durchsichtigen Plastiktüte verpackt, wodurch verhindert wurde, dass der einsetzende Verwesungsgeruch nach draußen drang. Es handelte sich um eine schwarze Katze mit einem weißen Fleck an der Kehle und einer weißen Pfote. Das Tier wurde übel zugerichtet. Zahlreiche Wunden übersäten ihren Körper und überall klebte getrocknetes Blut, der Schwanz wurde abgetrennt und ein Auge fehlte. Angewidert schloss Castillo die Schachtel und legte sie beiseite. Nur ein Psychopath konnte Freude daran haben, ein Lebewesen derart zu quälen. Er kannte nur einen, der so etwas ...... - aber nein, er war schon lange tot. Oder vielleicht doch nicht? Könnte es sein, dass er noch lebte und es auf sein Leben abgesehen hatte? Sollten die Schüsse und die Katze eine Warnung darstellen?
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ELF

Sonny fuhr gleich nach dem Frühstück zu Castillo ins Krankenhaus, aber Castillo konnte ihm leider keinerlei Hinweise geben. Er hatte weder etwas gesehen noch etwas gehört, kurz bevor der Schuss fiel. Der Lieutenant bat Sonny, vorübergehend die Leitung von Vice zu übernehmen und sich vor allem weiterhin auf den Fall mit den Drogentoten zu konzentrieren. Auf dem Weg zum OCB erhielt Crockett übers Autotelefon einen Anruf von der Metro Dade Police. Es gab schon wieder eine Tote. Vermutlich eine Prostituierte, die entweder an einer Überdosis oder an dem neuen Supercrack starb. Genaueres würde die Obduktion ergeben. Also wendete Sonny seinen Ferrari und raste zum Fundort der Leiche, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Als er etwa eine Stunde später ins OCB zurückkehrte, berief er sofort eine Besprechung ein. Seine Kollegen waren bereits um den Tisch im Besprechungszimmer versammelt, als Sonny, eine Mappe unter den Arm geklemmt, eintrat. Er trug heute einen weißen Anzug mit einem gelben T-Shirt und er war heute tatsächlich frisch rasiert. Er setzte sich auf den Stuhl an der Stirnseite des Tisches. "Schöne Grüße von Castillo. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Leider kann er uns aber keine Hinweise auf den Schützen geben. Er bat mich, vorübergehend die Leitung von Vice zu übernehmen. Er möchte, dass wir uns alle weiterhin auf den Fall mit den Drogentoten konzentrieren. Auf keinen Fall - und das hat er ausdrücklich betont- möchte er, dass wir irgendwelche Alleingänge starten, um den Schützen ausfindig zu machen. Die Drogentoten haben oberste Priorität. Bedauerlicherweise rief mich auf der Rückfahrt zum OCB die Metro Dade Police am Autotelefon an und teilte mit, dass schon wieder ein vermeintliches Drogenopfer entdeckt wurde. Sie vermuten, dass es sich bei dieser Frau um eine Prostituierte handelt. Der Gerichtsmediziner ist sich ziemlich sicher, dass unser neues Supercrack die Schuld an ihrem Tod trägt. Eine Bestätigung erhalten wir jedoch erst heute Nachmittag nach der Obduktion. Er versprach mir sich zu beeilen und mich sofort anzurufen, sobald der Befund vorliegt." Vor sich auf den Tisch lag eine Mappe, die er nun öffnete und Kopien eines Fotos entnahm. Er reichte die Kopien an seine Kollegen weiter. Trudy betrachtete das Bild auf der Kopie. Sie hatte den Kopf schief gelegt und hielt das Foto ziemlich nah vor ihre Augen, damit sie es besser betrachten konnte. In ihrem Kopf arbeitete es. Sie runzelte die Stirn. "Irgendwie kommt mir die Frau bekannt vor. Ist sie nicht eine von Skys Nutten?" Trudy blickte fragend zu Gina, die langsam nickte. Sie hatte das Bild vor sich auf dem Tisch liegen, beugte sich weit vor und studierte das Foto eingehend. "Ja, du hast recht. Wir haben sie letztes Jahr mal verhaftet. Ich glaube sie hieß Michelle oder Michaela, wenn ich mich nicht irre." Sie blickte ihrer Partnerin in die Augen und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sonny warf seinen Kolleginnen einen freundlichen Blick zu. "Okay, Gina und Trudy sprecht mit den anderen Nutten von Sky. Vielleicht weiß eine, aus welcher Quelle der Stoff stammt. Irgendeine Kollegin wird hoffentlich wissen, wo die Tote den Stoff gekauft hat. Rico, Stan, ihr beide versucht Sky ausfindig zu machen. Vielleicht hat er ja Informationen für uns. Mit etwas Glück haben inzwischen alle Angst, selbst an dem Teufelszeug draufzugehen, sodass hoffentlich jemand bereit ist zu plaudern. Ich werde mich hier um den Papierkram kümmern. - O Mist, hoffentlich kommt der Lieutenant bald zurück. Ich hasse es hier im OCB bleiben zu müssen," brummte Sonny missmutig vor sich hin. Rico musste grinsen und klopfte seinem Partner kurz auf die Schulter, ehe er mit Stan das Besprechungszimmer verließ. "Was meinst du Trudy, sollen wir uns hübsch machen für die Straße?", fragte Gina ihre Partnerin im Hinausgehen. Im Vorbeigehen legte sie ihre Hand tröstend auf Sonnys Schulter. Sonny lächelte sie dankbar an, packte seufzend die Unterlagen zusammen und verließ das Besprechungszimmer.
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ZWÖLF

Major Wong wurde zunehmend ungeduldiger und gereizter. Castillo war noch immer nicht tot. Der Schuss hatte Castillo gestern nur verletzt. In wenigen Tagen würde er aus dem Krankenhaus entlassen werden. Ein Schuss in die Schulter, noch dazu mit einem kleinen Kaliber und zwei Streifschüsse. So ein Dilettant dachte er. Er schnaubte. Sein Gesicht war wutverzerrt. Den silbernen Knauf seines Stockes hielt er fest umklammert, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Er hatte viel Geld gezahlt, sehr viel Geld, und der Auftrag war noch immer nicht erledigt. Er hasste es, wenn Dinge nicht zu seiner Zufriedenheit erledigt wurden und zwar schnellstmöglich. Ärgerlich schritt er im Arbeitszimmer auf und ab. Er atmete tief durch. Das Pochen des Stockes wurde durch einen schweren Perserteppich gedämpft. Der Raum war nach westlichen Standards eingerichtet. In dem Arbeitszimmer befand sich ein großer schwerer Schreibtisch aus dunklem Holz, dazu ein zweitüriger Schrank und zwei Regale aus dem gleichen Holz. Hinter dem Schreibtisch stand ein schwarzer Lederdrehstuhl. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing ein Ölbild an der Wand, das den Grand Canyon zeigte. Wong blieb er an seinem Schreibtisch stehen, auf dem sich ein schwarzes Telefon befand, hob ab und wählte die ihm bekannte Nummer. Es tutete mehrmals, ehe abgenommen wurde. "Hier ist Wong. Hören Sie, sie haben bereits eine sehr großzügige Anzahlung für ihren Job erhalten. Den Rest erhalten Sie erst, wenn Sie ihren Job auch wirklich erledigt haben. Wenn Sie ihren Job nicht sehr bald erledigen, dann suche ich mir jemand anderes dafür, jemand, der diesen Job auch wirklich ernst nimmt", fauchte Wong ins Telefon. Mit der anderen Hand pochte er mit dem Stock auf den Boden, so als wolle er jedes Wort, das er sagte, noch zusätzlich betonen. Sein Gesicht färbte sich rot vor Zorn. Was erlaubt sich dieser Mann eigentlich? Weiß er nicht, mit wem er es zu tun hat? dachte Wong ärgerlich. Am anderen Ende hörte er ein verächtliches Lachen: "Hören Sie, Major", wobei der Mann das Major extra betonte, "Ich werde jeden töten, der Castillo zu nahe kommt. Castillo gehört mir, mir allein. Wissen Sie was eine Katze mit der Maus macht, ehe sie sie tötet und frisst? - Sie spielt mit ihr. Und ich - ich bin Castillos große böse Katze". Es klickte, er hatte aufgelegt.
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DREIZEHN

Mittwoch, 17. Juni 1987 Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr trafen sich die Kollegen zu einer erneuten Besprechung, um sich über die Ergebnisse des Vortages auszutauschen. Wie die Obduktion bestätigte, war Michelle Kingston, so hieß die Tote wie Gina und Trudy durch die Verbrecherkartei herausgefunden hatten, tatsächlich an den Folgen des Supercracks gestorben. Sie war damit das siebte Opfer. Gina und Trudy hatten am Vortag nicht nur Skys Nutten, sondern auch einige andere Nutten befragt, die hin und wieder als Informantinnen für sie arbeiteten. Leider wusste niemand den Namen des Dealers, oder aber sie wollten ihn nicht sagen. Gina und Trudy erfuhren jedoch von Kitty, einer Freundin Michelles, dass Michelle in letzter Zeit häufiger in ein China Restaurant namens China Town in Brownsville ging und dass, obwohl Michelle chinesisches Essen hasste, wie Kitty beteuerte. "Und einen Kunden hat sie dort auch nicht", behauptete sie, "davon hätte sie mir nämlich erzählt!" Wie Trudy durch Recherchen herausfand, gab es in Brownsville zwei Restaurants mit dem Namen China Town, eines in der Nähe des Lincoln Gardens Park und eines in der Nähe des Range Parks. Es war bisher ihre beste und leider auch einzige Spur. "Stan und Rico, ihr seht euch im China Town beim Lincoln Gardens Park um und ihr Ladies -" dabei blickte Sonny zu Gina und Trudy - "ihr übernehmt das Restaurant am Range Park. Vielleicht kommt euch ja jemand bekannt vor oder ihr entdeckt sonst irgendetwas Verdächtiges." Die Kollegen nickten zustimmend, packten ihre Unterlagen zusammen und verließen das Besprechungszimmer. "Na, heute schon was mittags vor? Wie wär's, wenn ich dich heute mal zum Chinesen ausführe?", neckte Rico seinen Kollegen Stan. Stan erwiderte grinsend: "Soll das ein Date sein, liebster Rico? Dann müsste ich mich ja noch in Schale werfen. Aber Mittagessen klingt immer gut, ich habe einen Bärenhunger, ich hatte schließlich seit heute Morgen nur 3 Donuts. Von mir aus könnten wir in beiden Restaurants ein drei Gänge Menü bestellen oder wir futtern uns durch die gesamte Speisekarte beider Restaurants." Rico rollte verzweifelt mit den Augen, stöhnte und klopfte Stan anzüglich auf den Bauch. Gemeinsam verließen sie grinsend das Büro.
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VIERZEHN

Kurz vor 18 Uhr hatten die Überwachungsteams noch immer keine brauchbaren Hinweise. Auch Gina und Trudy meldeten über Funk, dass sie bisher keinen Erfolg hatten. Rico und Stan saßen in Ricos Caddy und beobachteten das Restaurant. "Vielleicht könnten wir uns ja wenigstens zum Abendessen ein paar Frühlingsrollen mit dieser leckeren Schweinefleischfüllung holen?" fragte Stan hoffnungsvoll. Er trug eine beige Hose und dazu ein giftgrünes Hemd mit gelben Blumen, das sich verdächtig um den Bauch herum spannte. Da Rico ebenfalls Hunger bekam, beschlossen sie, dass Stan in das Restaurant ging und etwas zum Essen besorgte. "Für mich die vegetarischen Frühlingsrollen und dazu noch gebratene Nudeln mit Gemüse" rief Rico ihm hinterher. Er machte es sich erneut im Autositz bequem. Von ihrem Standpunkt aus hatten sie einen guten Überblick über das Restaurant. Sie konnten sowohl sehen wer durch den Vordereingang als auch durch den Hintereingang, der sich in einer schmalen Nebengasse befand, das Restaurant betrat oder verließ. Bisher konnten sie jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Vorsichtshalber schossen sie aber von jedem, der das Restaurant besuchte, ein Foto. So konnten sie später im Büro nochmals gründlich alle Bilder und Personen checken. Es war relativ ruhig auf der Straße. Da das Restaurant in einer Nebenstraße lag, kamen auch nur wenige Autos vorbei. Ein weißer Lamborghini bog auf den Parkplatz vor dem Restaurant ein und parkte neben einem schwarzen Mercedes mit getönten Scheiben. Zwei junge Kerle stiegen aus dem Auto aus. Rico durchfuhr ein Schreck. Die beiden jungen Burschen asiatischer Abstammung waren vermutlich Anfang/Mitte 20. Der größere der Beiden war schlank und hatte lange schwarze Haare, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Der Andere wirkte rundlich mit kurz geschorenen Haaren. "Sieh mal einer an", sagte Rico zu sich selbst, brachte den Fotoapparat in Position und schoss einige Bilder. Die Beiden kamen Rico sehr bekannt vor, schließlich hatten sie sie vor einigen Jahren verhaftet. Die Beiden betraten nun das Restaurant durch die Vordertür. Stan, der soeben mit drei Papiertüten bepackt herauskam, wäre beinahe in sie hineingelaufen. Mit einem kurzen: "Sorry", wich er aus und ging zum Auto, ohne weiter auf die Kerle zu achten. Auch die Beiden schienen Stan nicht erkannt zu haben, denn sie gingen, ohne sich nochmals umzusehen, ins Restaurant. Stan öffnete die Beifahrertür und ließ sich mit einem Plumps erleichtert auf dem Sitz nieder. Die Tüten raschelten. In aller Seelenruhe begann er den Inhalt zu studieren und reichte eine der Tüten an Rico weiter. "He Stan, sag mal sind dir die beiden Kerle nicht gerade bekannt vorgekommen?", fragte ihn Rico. Aber Stan zuckte nur mit den Schultern. "Welche Kerle? Sorry, ich hätte beinahe das Essen fallen lassen, als die beiden plötzlich vor mir standen. Ich habe sie mir nicht genauer angesehen.“ Mit einem zufriedenen Schmatzen biss er in eine der Frühlingsrollen. Rico verdrehte in komischer Verzweiflung die Augen. "Stan, das waren zwei alte Bekannte von uns, ich glaube wir haben die Quelle gefunden!"
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FÜNFZEHN

Stan und Rico baten über Funk um Ablösung und kehrten ins Büro zurück. Auch Gina und Trudy wurden zum OCB zurückgerufen. "Bist du dir sicher, dass es sich bei den beiden Burschen um Ricky und Benny handelte?", hakte Sonny nochmals nach, nachdem Rico Bericht erstattet hatte. Sie waren in Castillos Büro versammelt. Trudy und Gina hatten es sich auf dem schwarzen Ledersofa bequem gemacht, Rico lehnte lässig an einem der Aktenschränke. Stan hatte den Stuhl, der vor Castillos großem Schreibtisch stand umgedreht und sich niedergelassen und Sonny selbst ging langsam im Büro auf und ab. "Todsicher, das waren sie. Das waren Lao Lis Enkelsöhne! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden hinter dem Supercrack stecken. Sie wollten damals schon in die Fußstapfen ihres Großvaters treten. Die zwei jungen Kollegen, die uns abgelöst haben, bleiben an ihnen dran. Schade, dass wir nicht als Cooper und Burnett mit ihnen ins Geschäft kommen können, aber ich fürchte sie könnten uns wiedererkennen." Rico schaute seinen Partner an. Sonny blieb stehen, sah Rico in die Augen und seufzte. Er wollte nur zu gerne als Burnett raus auf die Straße. Er hatte das Gefühl, in dem Büro gefangen zu sein. Er kam sich vor wie ein Tiger in einem Käfig. Wie er diese Bürokratie hasste. Hoffentlich war Castillo bald wieder auf den Beinen! "Du hast recht Rico, die beiden würden uns vermutlich wiedererkennen und dann die Fliege machen. Wir brauchen jemanden, der damals bei ihrer Verhaftung nicht anwesend war," seufzte Sonny enttäuscht. Er blieb stehen und blickte gedankenverloren durch die offenstehende Bürotür hinaus in das leere Großraumbüro. "Moment mal Sonny, ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden mich und Gina nicht gesehen haben. Stan und Larry haben damals die Verhaftung vorgenommen." warf Trudy ein. "Wir könnten uns als Nutten ausgeben, die dringend etwas Stoff brauchen. Außerdem kriegen wir sie vielleicht eher, wenn es nur um eine kleine Menge geht, da sind sie vielleicht nicht so vorsichtig." Sonny nickte. "Gute Idee Trudy, macht Euch als Nutten ran an die Beiden. Sie werden von nun an rund um die Uhr von Kollegen bewacht. Am liebsten wäre mir, wenn wir morgen nach der Mittagszeit im Restaurant zuschlagen könnten, dann sind nicht so viele Leute dort. Wir werden aber wohl abwarten müssen, was die Kollegen von der Observation uns mitteilen. Lasst euch von Stan ein Mikro verpassen. Stan du wirst im Überwachungswagen die Gespräche der Beiden überwachen, Rico und ich sowie einige Kollegen von der Metro Dade Police übernehmen die Rückendeckung. Den genauen Einsatzzeitpunkt werden wir wohl kurzfristig vereinbaren. Wo befinden sich die beiden den jetzt im Moment?" "Ich frag gleich mal bei den Kollegen nach", sagte Rico, verschwand aus dem Büro, um sich mit jungen Kollegen, die die undankbare Aufgabe hatten Ricky und Benny die ganze Nacht über zu observieren, in Verbindung zu setzen. Trudy folgte ihm ebenfalls aus dem Büro, sie wollte noch Recherchen über das Chinatown anstellen. Wenige Minuten kehrte Rico zurück: "Yep, sie sind noch drin. Scheint so als wären sie dort Dauergast". "Oder ihnen gehört der Laden einfach." Trudy kehrte mit einem Ausdruck in der Hand zurück. "Der Laden gehört den Herren Ki Quoh La und Ping Kwan. Das waren die früheren Namen von Ricky und Benny, bevor sie sich die amerikanischen Namen zulegten." Sie lehnte lässig an den Türrahmen und hatte ihre schlanken Beine überkreuzt. Sie sieht einfach verführerisch aus, dachte Rico nicht zum ersten Mal.
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SECHSZEHN

Castillo beschloss, auf keinen Fall eine weitere Nacht im Krankenhaus zu verbringen. Also bat er den Arzt, ihm die Entlassungspapiere auszuhändigen. Er ließ sich von einem seiner jungen Bewachern nach Hause fahren. Er duschte und zog sich um, ehe er sich zum OCB fahren ließ. Dort schickte er seinen Begleiter nach Hause. Der junge Polizeibeamte protestierte zunächst, aber Castillo bestand darauf. Im OCB ging es zu dieser Zeit relativ ruhig zu. Eigentlich hätten die Vice-Mitarbeiter bereits Feierabend, aber an offizielle Bürozeiten konnte man sich in einer solchen Abteilung kaum halten. Seine Mitarbeiter hatten die Besprechung beendet und jeder kehrte an seinen Schreibtisch zurück, um noch ein wenig Papierkram zu erledigen, bevor sie nach Hause gingen. Als hätte Castillo Sonnys Stoßgebet vorhin gehört, betrat er nun durch die Schwingtür das OCB. Sein rechter Arm steckte in einer weißen Schlinge und auf der Stirn klebte ein Pflaster. Er hinkte leicht. Alle begrüßten den Lieutenant mit großer Freude. Für einen Moment konnte man auf Castillos sonst so unbeweglichem Gesicht so etwas wie Rührung erkennen. Jeder freute sich, den Lieutenant wieder zu sehen. "Es ist wirklich schön Sie zu sehen Lieutenant, aber sollten Sie nicht eigentlich noch im Krankenhaus bleiben und wo sind die Polizisten, die ich zu ihrer Bewachung abgestellt habe?", überfiel Sonny gleich seinen Vorgesetzten. Castillo blickte Sonny mit durchdringendem Blick an: "Ich habe mich selbst aus dem Krankenhaus entlassen und ich habe nicht vor mich hinter irgendjemanden zu verstecken. Ist der Bericht der Spurensicherung schon da?" Sonny nickte und ging mit dem Lieutenant zusammen in dessen Büro. Vom Schreibtisch fischte er einen Bericht, den er Castillo reichte. "Die Patronenhülse, die auf ihrem Gartentisch stand, passt zu der Kugel, die die Ärzte aus ihrem Körper geholt haben. Kaliber 5,56. Die Kugel wurde vermutlich mit einer SIG 550-1 abgefeuert, einem kleinkalibrigen Scharfschützengewehr. Das Auffallendste ist eine Gravur auf der Patronenhülse", er reichte Castillo ein Foto, "sieht aus wie der Buchstabe C. Ich frage mich, steht das C für Castillo?" Castillo studierte aufmerksam das Foto, dann schüttelte er den Kopf, "Nein, C für Cat!" Sonny runzelte verständnislos die Stirn. "Cat, genauer gesagt Tom-Cat war sein Codename. Er arbeitete für die Company. Sein richtiger Name lautet Thomas Goldstein.“ "Was sollen wir jetzt unternehmen, Lieutenant?", fragte Sonny. "Nichts", entgegnete ihm Castillo und musterte ihn mit seinen dunklen Augen. "Absolut nichts - ich werde mich darum kümmern.“ Er zögerte einen Moment, „ich dachte Cat wäre tot."
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SIEBZEHN

Martin Castillo saß in seinem Büro und wählte eine Nummer in Washington. Am anderen Ende meldete sich eine tiefe männliche Stimme mit "Ferguson". Castillo lehnte sich vorsichtig in seinem schwarzen Ledersessel zurück. Verdammt, seine Schulter schmerzte immer noch bei jeder Bewegung. "Hier ist Martin Castillo ... Tom-Cat ist hier in Miami. Wussten Sie, dass er noch lebt?" Am anderen Ende herrschte Schweigen, nur das Atmen von Ferguson war zu hören. "Also ja, und sie haben es mir all die Jahre nicht gesagt. Ich vermute daher, dass er wieder für euch arbeitet?" Erneutes Schweigen. "Ich interpretiere dass ebenfalls als ein „ja“. Wie kommt die Company dazu einen Irren wie Tom-Cat wieder unter Vertrag zu nehmen und raus auf die Straße zu schicken?" Es knisterte in der Leitung, dann erklang Fergusons Stimme. "Es ist nicht ganz so, wie du denkst, Marty. Tom-Cat ist nicht wieder bei der Company. Er arbeitet als Freelancer und ... sagen wir ... er hat sich bei besonders delikaten Aufträgen in der Vergangenheit gelegentlich als sehr nützlich erwiesen." Castillo hörte Ferguson schwer atmen. Es fiel ihm sichtlich schwer, diese Informationen mit ihm zu teilen. "Steckt die Company hinter dem Auftrag, mich zu töten?", hakte Castillo nach. "Nein Marty, ich garantiere dir, die Company hat damit nichts zu tun. Wir haben es immer bedauert, dass du uns verlassen hast. Du und Jack, ihr gehörtet zu den Besten. Die Company hat keinen Grund dir einen Killer auf den Hals zu hetzen. Weißt du, ich habe dich all die Jahre nie aus den Augen gelassen ..." "Ich weiß Nick", entgegnete Martin. "Hör zu Marty, wir haben keine Ahnung, wer Tom-Cat auf dich angesetzt hat, vielleicht agiert er dieses Mal auch ohne Auftrag. Er hat immerhin noch eine Rechnung mit dir offen, nachdem ..." Castillo fiel ihm ins Wort: "Eine Rechnung, zu der du als Vorgesetzter den Befehl gegeben hast!" "Stimmt", unterbrach ihn Nick Ferguson. "Aber das ist lange her und er denkt, dass du damals aus eigenem Antrieb so gehandelt hast." "Tom ist ein gefährlicher Psychopath. Die Company hat ihn vor vielen Jahren als Risiko eingestuft. Wie konntet ihr zulassen, dass jemand wie Tom jemals wieder frei da draußen rumläuft. Werdet ihr etwas unternehmen, damit Tom von der Straße verschwindet?" "Tut mir leid, Marty. Ich fürchte, die Company kann dir hier nicht helfen. Du wirst alleine mit Tom-Cat fertig werden müssen." Nick zögerte kurz. "Viel Glück, Marty!". Ein Klick in der Leitung gefolgt von einem Rauschen, Ferguson hatte aufgelegt.
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ACHTZEHN

Donnerstag, 18. Juni 1987 Es war kurz vor 14 Uhr. Die Kollegen, die Lao Lis Enkel beobachteten, hatten vor einer Stunde gemeldet, dass Ricky und Benny im Restaurant aufgetaucht waren. Daraufhin gab Sonny sofort das Zeichen, dass die Aktion nun anlaufen könne. Der Betrieb im China Town ließ bereits nach. Im Restaurant saßen nur noch wenige Gäste. Darunter befanden sich einige Kollegen in Zivil. Stan saß im Überwachungswagen und sollte das Gespräch, das sie über das Abhörmikro empfingen, aufzeichnen. Mit Trudy und Gina vereinbarte er ein Codewort, das eine von beiden in das Gespräch mit einfließen lassen sollte, sobald sie den Stoff in Händen hielten. Rico und Sonny blieben als Verstärkung draußen. Sie wollten vermeiden, dass Ricky und Benny sie vielleicht erkannten und Lunte rochen. Jetzt saßen sie bei Stan im Überwachungswagen und hörten Trudys Stimme klar und deutlich durch den Lautsprecher: "Eine Freundin sagte uns, dass sie uns vielleicht weiterhelfen könnten. Wir haben da so ein kleines Problem." Gina und Trudy hatten sich wieder in Schale geworfen. Gina trug ein hautenges nachtblaues, trägerloses Kleid, außerdem einen dazu passenden Seidenschal um den Hals. Eine kleine, weiße Handtasche baumelte lässig an ihrer Schulter. Trudy trug ein silberfarbenes Neckholderkleid. In der Hand hielt sie eine kleine pinkfarbene Handtasche mit weißen Perlen. Die Beiden gingen ins Restaurant und baten die Bedienung freundlich, mit Ricky oder Benny sprechen zu dürfen. Die junge Asiatin führte sie hinter der Theke vorbei zu einem Raum am Ende des Ganges. Sie bedeutete ihnen zu warten, klopfte kurz an, verschwand für einige Sekunden in den Raum, um dann Gina und Trudy in das Zimmer zu bitten. In einem schwarzen, ledernen Chefsessel saß Benny hinter einem großen hölzernen Schreibtisch. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing eine chinesische Tuschezeichnung, die zwei kämpfende Drachen darstellte. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein chinesischer Wandteppich. Als Gina und Trudy eintraten, erhob sich Benny und kam auf die Beiden zu. "Was kann ich für Sie tun, Ladys?", fragte er mit einem charmanten Lächeln. "Eine Freundin sagte uns, dass sie uns vielleicht weiterhelfen könnten. Wir haben da so ein kleines Problem." Trudy schenkte ihm ihr süßestes Lächeln. "So charmanten Ladys wie Ihnen helfe ich doch immer gern", antworte er mit leichtem asiatischem Akzent. "Wie kann ich Ihnen helfen?" In diesem Moment klopfte es kurz. Ricky kam herein. Er hatte in seinem Büro, das neben Bennys lag, noch ein Telefonat geführt. Ohne Gina und Trudy zu grüßen, ging er zu Benny und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dabei musterte er Gina und Trudy. Benny wurde bleich, aber nur für einen kurzen Moment, dann hatte er sich wieder gefasst. Irgendetwas stimmt hier nicht, schoss es Trudy durch den Kopf. Sie sah zu ihrer Kollegin hinüber, die mit einem leicht angedeuteten Schulterzucken zu verstehen gab, dass sie nicht wusste, was hier gespielt wurde und was sie nun tun sollten. "Ich kann mir vorstellen, was Sie wollen, meine Damen", ergriff nun Benny wieder das Wort. Er ging um seinen Schreibtisch herum, öffnete die oberste Schublade und holte einen Revolver hervor, den er nun auf Gina und Trudy richtete. Gleichzeitig legte er den Finger auf die Lippen und bedeutete nicht zu reden. Ricky zog ebenfalls seine Waffe. "Das, was Sie wollen, habe ich allerdings nicht hier in diesem Büro. Wenn die Damen mir bitte folgen würden", spielte Benny seine Rolle weiter. Er deutete mit der Waffe an, den Raum zu verlassen und führte sie zur hinteren Tür des Restaurants. Dann trat er plötzlich vor, fasste Trudy in den Ausschnitt und holte das kleine Mikro hervor, das Stan ihr zuvor gegeben hatte.
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NEUNZEHN

Sonny, Rico und Stan saßen in dem Überwachungswagen. Sonny hatte seine Waffe gezogen und überprüfte sie zum wiederholten Male, ehe er sie in seinen Holster zurücksteckte. Plötzlich erklang Bennys Stimme im Überwachungswagen: "An alle Polizisten da draußen ... wir haben ihre beiden Kolleginnen in unserer Gewalt. Wir wollen freien Abzug. Wir werden jetzt zu unserem Fahrzeug gehen. Sollte auch nur irgendjemand das Feuer auf uns eröffnen, sich uns nähern oder uns verfolgen, dann werden wir Ihre Kolleginnen töten!" "Shit!", fluchte Sonny laut. "Woher wissen die, dass Gina und Trudy Polizisten sind. Haben sie die Beiden vielleicht doch wiedererkannt? Verdammt ... . Auf die Schnelle bekommen wir auch keinen Scharfschützen ... ." Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, überlegte kurz, ehe er zum Funkgerät griff. "An alle Einheiten, die Tarnung von Gina und Trudy ist aufgeflogen. Die Verdächtigen haben die Beiden als Geisel genommen und fordern freien Abzug, andernfalls töten sie sie. Wenn die Verdächtigen zusammen mit ihren Geiseln das Gebäude verlassen, möchte ich, dass ihr sie unbehelligt davonfahren lasst. Niemand wird sich ihnen nähern, das Feuer eröffnen oder sie verfolgen. Dies ist ein Befehl!", bellte Sonny ins Funkgerät. Er sorgte sich um seine Kolleginnen. Er hatte kaum den Funkspruch beendet, als die Hintertür des Restaurants aufgestoßen wurde. Ricky hatte Gina am Arm gepackt, schob sie vor sich her, um sie als Schild zu benutzen und hielt ihr dabei seine Waffe an den Kopf. Benny nutzte Trudy ebenfalls als lebendes Schutzschild. Langsam schritten sie durch die Tür sich nach allen Seiten umblickend. Sie gingen an dem Lamborghini vorbei zu dem schwarzen Mercedes mit den getönten Scheiben, der neben dem Lamborghini geparkt war. Ricky ließ kurz Ginas Arm los und sperrte den Mercedes auf. Dann öffnete er die Tür, stieß Gina auf den Rücksitz und setzte sich neben sie ... immer noch mit der Waffe auf ihren Kopf zielend. Benny bedeutete Trudy durch die Beifahrertür einzusteigen und hinüber zum Fahrersitz zu klettern. Er selbst nahm auf dem Beifahrersitz Platz, schloss die Tür, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und befahl Trudy, den Wagen zu starten. "Ein fauler Trick und du bist tot", drohte er ihr. Trudy nickte nur. Ihre Hände zitterten als sie den Zündschlüssel umdrehte, den Gang einlegte und losfuhr. "Wenn uns irgendjemand folgt, dann töten wir eure Kolleginnen", drohte Benny erneut durchs Mikro. Langsam steuerte Trudy den Mercedes an den Autos der Kollegen vorbei, dann gab sie Gas und der Mercedes verschwand. "Los alle Zivilfahrzeuge jetzt die Verfolgung aufnehmen, aber haltet genug Abstand. die Beiden dürfen nichts davon bemerken, sonst sind Gina und Trudy so gut wie tot!", gab Sonny über Funk den Befehl. "Es wird schwer sein, den Mercedes im Auge zu behalten, wenn wir nicht näher ran dürfen", warf Rico besorgt ein. "Du hast Recht, aber es ist unsere einzige Chance. Wenn wir einen Hubschrauber anfordern, dann bekommen sie das erst recht mit und dann sehen wir unsere Kolleginnen wahrscheinlich nie wieder", entgegnete Sonny. Er hatte Angst um Trudy und vor allem um Gina. Was, wenn er sie nie wieder sehen würde?
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  • 2 weeks later...

ZWANZIG

Benny und Ricky hatten Gina und Trudy die Mikros abgenommen und aus dem Fenster geworfen. Benny gab Trudy ständig Anweisungen die Richtung zu wechseln. Er hoffte auf diese Weise, eventuelle Verfolger abzuschütteln. Immer wieder blickte er in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand folgte. "Woher wusstet ihr, dass wir Polizisten sind?", fragte Gina ihren Entführer. Ricky lachte nur und meinte: "Ein freundliches Vögelchen hat uns da was gezwitschert oder sollte ich besser sagen, ein liebes Kätzchen?". Gina schüttelte verwundert den Kopf. Ein Kätzchen? Was wollte Ricky damit sagen? Der Asiate nahm Ginas Tasche, die sie noch immer über ihrer Schulter hängen hatte, und durchsuchte sie. Als er gefunden hatte, was er suchte, befahl er ihr sich halb umzudrehen und die Hände auf den Rücken zu nehmen. Dann fesselte er ihre Hände mit Handschellen, nahm ihren Schal ab und verband ihr die Augen. Trudy konzentrierte sich auf die Straße. Unauffällig hielt sie Ausschau nach Verfolgern, konnte aber niemanden entdecken. Sie hoffte inständig, dass ihre Kollegen ihnen auf der Spur waren. Mittlerweile fuhr der Mercedes schon eine Stunde kreuz und quer durch die Gegend. Sonny und den Kollegen war es nicht gelungen, die Verfolgung aufrechtzuerhalten. Durch die häufigen Richtungswechsel des Mercedes und den großen Abstand, den sie halten mussten, um nicht aufzufallen, hatten sie den Wagen bereits nach 15 Minuten verloren. Sonny, der sich die Nummer des Fluchtautos notiert hatte, gab über Funk eine Nachricht an alle Polizeifahrzeuge weiter, dass sie nach dem Mercedes Ausschau halten sollten. Aber niemand sollte sich dem Fahrzeug nähern, um die Kolleginnen nicht zu gefährden. Nach weiteren 30 Minuten bog Trudy auf ein scheinbar verlassenes Industriegelände ein. Auf dem Areal standen zwei große Lagerhallen, die vermutlich schon seit Längerem nicht mehr benutzt wurden. Mehrere Fenster waren eingeworfen, eine Tür hing nur noch an einem Scharnier und überall wucherte Unkraut. Zwischen den zwei Lagerhallen befand sich ein kleineres Gebäude. Es sah aus wie ein kleiner Schuppen. Die Fenster waren blind vor Staub und Dreck. Die Tür war nur mit einem Riegel verschlossen, soweit Trudy das von ihrem Platz aus erkennen konnte. Um das Gebäude herum wucherten dichte Sträucher. Benny gab Trudy den Befehl anzuhalten. „Lass beide Hände am Steuer!“, befahl er. Dann klickte es und Benny hatte eine Hand Trudys ans Steuerrad gefesselt. „Nur zur Sicherheit!“, murmelte er und zielte weiterhin mit der Waffe auf ihren Kopf. Ricky stieg aus, lief um den Wagen herum, öffnete die Tür und zog Gina heraus. Dann zerrte er sie zu dem Schuppen, der nur wenige Meter entfernt war. Er entriegelte die Holztür, die quietschend nachgab, und stieß sie hinein. Gina stolperte und fiel zu Boden. Dabei schrammte sie sich ein Knie auf. Das Knie brannte, sie spürte, wie Blut das Bein hinab lief. Ricky zog Gina auf die Beine und drückte sie gegen einen Pfosten. Dann löste er für einen Moment die Fesseln an einem Handgelenk. In Gina keimte für eine Sekunde Hoffnung auf. Sie versuchte mit einem kräftigen Ruck beide Arme freizubekommen, konnte jedoch nur einen Arm dem Griff entwinden. Ihr Entführer hielt den zweiten Arm fest umklammert und gab ihr mit seiner nun freien Hand einen kräftigen Fauststoß gegen die Schläfe, sodass Gina beinahe zusammengesackt wäre, hätte ihr Angreifer sie nicht festgehalten. Schnell führte er beide Arme hintern den Pfosten zusammen und schloss die Handschellen wieder. Gina war an die Säule gefesselt. Dann steckte Ricky ihr sein Taschentuch als Knebel in den Mund und verließ den Schuppen. Als er wieder in den Wagen stieg, knurrte er: „Los fahr weiter!" Trudy warf einen verzweifelten Blick auf den Schuppen, aber sie konnte nichts für ihre Partnerin tun. Also gehorchte sie, legte den Gang ein und gab Gas.
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EINUNDZWANZIG

Gina war an einen großen hölzernen Pfosten gefesselt. Sie hörte, wie sich Ricky entfernte, dann erklang das Geräusch des wegfahrenden Wagens. Sie war allein! Oder vielleicht doch nicht? Sie konnte nichts sehen, also lauschte sie - nichts! Der Knebel in ihrem Mund löste einen Würgereiz aus. Sie bekam Angst zu erbrechen. Wenn dies geschah, würde sie ersticken. Also zwang sie sich, ruhig und tief durch die Nase ein und aus zu atmen. Sie versuchte das müffelnde Tuch mit der Zunge aus ihrem Mund herauszudrücken, aber es gelang ihr nicht sofort. Erneut drohte sie die Übelkeit zu übermannen. Panik keimte auf! Ruhig, Gina, sprach sie sich selbst Mut zu. Ein neuer Versuch. Energisch drückte sie mit der Zunge gegen den ekeligen Stoff. Geschafft! Erleichtert atmete Gina tief durch. Sie musste unbedingt herausfinden, wo sie war. Aber dazu musste sie erst einmal sehen können. Mit ihren Händen konnte sie die Augenbinde nicht abnehmen, also versuchte sie mit ihrer Schulter das Tuch abzustreifen, aber es gelang ihr nicht. Mit den Händen tastete sie den Pfosten, an den sie gekettet war ab. Er war aus Holz ... ein Balken, schoss es Gina durch den Kopf. Sie drehte den Kopf soweit seitlich, dass sie an dem Holz das Tuch abstreifen konnte. Immer wieder streifte sie mit ihrem Kopf gegen den Balken. Sie schrammte sich die Wange an dem rauen Holz auf. Die Haut brannte. Gina ließ sich davon jedoch nicht beirren und setzte ihre Versuche fort. Nach kurzer Zeit hatte sie es geschafft und der Schal verrutschte soweit, dass sie etwas erkennen konnte. Sie befand sich in einem alten, leer stehenden Gebäude. Es war nicht besonders groß und wurde anscheinend schon seit längerer Zeit nicht mehr genutzt, denn überall hingen Spinnweben und eine dicke Staubschicht überzog den Boden. Durch die verdreckten Fenster drang nur spärlich Licht herein. In einer Ecke lagen einige verbeulte, zum Teil verrostete Blechkanister. Es roch nach Benzin. Vermutlich befand sich in mindestens einem der Kanister noch etwas Benzin. In der anderen Ecke entdeckte sie einen alten zerbrochenen Holzstuhl, daneben lagen einige zerfetzte Zeitungen, einige leere Kartons und ein altes, halb aufgerissenes Bündel Stroh. Der Balken, an den sie gefesselt war, wirkte massiv. Sie versuchte trotzdem daran zu zerren, aber das Einzige was sie dabei erreichte war, dass ihre Arme und Handgelenke schmerzten. Mist - ich habe keine Chance mich hier selbst zu befreien, dachte sie verzweifelt. Das Einzige was sie noch versuchen könnte, wäre um Hilfe zu schreien, aber sie bezweifelte, dass jemand sie hören würde. Vermutlich hatte man sie irgendwo hingebracht, wo normalerweise nicht viele Menschen vorbeikamen. Ein Anflug von Panik erfasste sie. Was wenn sie hier niemand fand? Und was wurde aus Trudy? Was würden die beiden Verbrecher mit ihr anstellen? Sie hatte riesige Angst um ihre Kollegin. Die Angst um ihre Freundin ließ sie ihre eigene Angst für einen Moment in den Hintergrund treten. Da sie sonst nichts tun konnte und nichts unversucht lassen wollte, begann sie laut um Hilfe zu schreien.
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ZWEIUNDZWANZIG

Mittlerweile waren bereits fünf Stunden vergangen, seit Sonny die Fahndung nach dem Mercedes herausgegeben hatte, aber bisher gab es noch keinen Hinweis. "Irgendwo müssen sie doch stecken", seufzte er beinahe verzweifelt. "Sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben." Nachdem sie mehrere Stunden kreuz und quer durch Miami gefahren waren, in der Hoffnung vielleicht irgendwo eine Spur des Mercedes zu finden, kehrten sie ins OCB zurück, um von dort die weitere Suche zu koordinieren. Das Telefon klingelte. Wie der Blitz hob Sonny ab: "Crockett ...... endlich, ja ... habe verstanden ..... warten Sie, bis wir da sind!" Er knallte den Hörer auf die Gabel, stand auf, schnappte sich seine Jacke und gab Rico und Stan ein Zeichen ihm zu folgen. "Sie haben den Mercedes gefunden. Er steht in einem Parkhaus in der Nähe des Flughafens", erzählte Sonny seinen Kollegen im Hinausgehen. "Durch die getönten Scheiben konnten sie nicht erkennen, ob sich noch jemand in dem Fahrzeug befindet. Jedenfalls haben sie das Auto nur aus der Ferne beobachtet, für den Fall, dass noch jemand drin sitzt. Sie werden auch nichts unternehmen, bis wir da sind." Als sie in dem Parkhaus ankamen, erläuterte ihnen der junge Kollege von der Streifenpolizei: "Wir haben den Wagen eigentlich nur durch Zufall entdeckt, weil es ein Parkdeck höher einen kleinen Unfall gab. Wir haben das Fahrzeug seitdem aus der Ferne beobachtet, konnten aber keinerlei Bewegungen feststellen. Vermutlich ist es leer, aber durch die getönten Scheiben kann man leider nicht ins Innere sehen. Wahrscheinlich haben sie einfach den Mercedes hier abgestellt und sich ein neues Fluchtauto besorgt. Aber wir wollten kein Risiko eingehen und sind deshalb nicht näher an das Fahrzeug ran." Sonny nickte. "Wir sollten auch weiterhin auf Nummer sicher gehen und versuchen uns unbemerkt dem Wagen zu nähern." "Hast du denn schon eine Idee, wie wir das anstellen, Partner?", wollte Rico wissen. "Du hast hier doch keine Möglichkeit dich an das Fahrzeug anzuschleichen, ohne dass es jemand in dem Wagen bemerkt. Es sei denn, derjenige ist blind - und das Glück haben wir bestimmt nicht!" "Keine Sorge, Partner, ich habe schon eine Idee", entgegnete Sonny und erläuterte seinen Plan. Wenige Minuten später fuhr ein blauer Ford langsam hinter dem geparkten Mercedes vorbei. Es sah so aus, als würde der Fahrer nach einem freien Parkplatz suchen. Auf der dem Mercedes abgewandten Seite des Fords waren Sonny und Rico in Deckung gegangen und schritten langsam im Tempo des Fords in Richtung Mercedes. Als sie in Höhe des Mercedes ankamen, ließen sie sich zu Boden fallen. Der Ford beschleunigte etwas und die beiden rollten, ihre Waffe schussbereit in der Hand, den toten Winkel der Spiegel ausnutzend, an die Seite des Mercedes. Rico zur Beifahrertür, Sonny zur Fahrertür. Sonny zählte leise bis drei, dann sprang er auf und riss zeitgleich mit Rico die Türen auf.
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DREIUNDZWANZIG

Trudy musste hilflos mit ansehen, wie Benny Gina zu dem Schuppen zerrte. Nach wenigen Minuten kehrte er alleine zurück. Sie hätte gerne einen Fluchtversuch unternommen, um ihrer Kollegin beizustehen, aber Benny hatte ihre Hand ans Lenkrad gefesselt und zielt immer noch mit seiner Waffe auf ihren Kopf. Also verhielt sie sich ruhig und wartete ab. Vielleicht würde sie später eine Gelegenheit bekommen, ihren Entführern zu entkommen. "Was hast du mit Gina gemacht?", wollte sie wissen, aber Benny fuhr sie nur an: "Halts Maul und fahr los." Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, stieß er ihr die Waffe unsanft gegen die Rippen. Trudy gab Gas! Sie fuhren stundenlang durch die Gegend. Meistens durch kleinere Nebenstraßen. Immer wieder musste sie an Gina denken. Was hatte Ricky mit Gina im Schuppen gemacht. Er hoffte, dass er sie dort einfach nur eingesperrt hatte und ihr nichts angetan hatte. Der Gedanke daran, dass Ricky sie vielleicht getötet haben könnte, war für sie unerträglich. Aber selbst wenn er sie nur gefesselt zurückgelassen hatte, konnte es Tage dauern, bis irgendjemand Gina dort entdeckte und dann konnte es vielleicht bereits zu spät sein. Als sie durch eine leere dunkle Gasse kamen, befahl ihr Benny anzuhalten. Sie wollte gerade fragen, was sie hier wollten, als ihr Ricky von hinten mit dem Griff seines Revolvers einen Schlag auf den Kopf verpasste. Trudy spürte kurz einen heftigen Schmerz, ehe sie bewusstlos wurde. Als sie wieder zu sich kam und langsam die Augen öffnete, stellte sie fest, dass es stockdunkel war. Ihr Kopf dröhnte. Sie wollte sich mit der Hand an die schmerzende Stelle fassen, aber sie konnte ihre Arme nicht bewegen. Mist! Die Kerle hatten ihr mit Handschellen die Hände auf den Rücken gefesselt. Sie schmeckte den Stoff, der zwischen ihren Zähnen steckte. Sie versuchte sich von dem Knebel zu befreien, aber es gelang ihr nicht. Panik erfasste sie! Wo war sie? Warum war es so dunkel? Sie versuchte sich zu beruhigen und tief durch die Nase zu atmen. Beruhige dich und konzentriere dich!, ermahnte sie sich selbst. Sie musste erst mal herausfinden, wo sie sich befand. Unter ihren Händen ertastete sie eine Gummiunterlage. Ihre Beine konnte sie nicht ausstrecken und auch nach oben war der Raum sehr begrenzt. – Ein Kofferraum! Sie musste im Kofferraum des Mercedes stecken! Aber warum hörte sie kein Motorengeräusch und warum bewegte sich der Wagen nicht? Vermutlich haben sie den Wagen in der dunklen Gasse stehen gelassen und mich dort eingesperrt, gab sie sich selbst die Antwort. Wie lange reichte der Sauerstoff in einem Kofferraum für eine Person? Wie lange war sie schon hier? Würde sie jemand entdecken, bevor ihr der Sauerstoff ausging? Die Fragen wirbelten nur so durch ihren Kopf. Panik erfasste sie erneut! Sie versuchte mit ihren Händen durch die Handschellen zu schlüpfen, sie zerrte und zerrte. Aber keine Chance - die Handschellen saßen zu stramm. O Gott, ich will hier raus. Einfach nur raus, raus! Die dunkle Enge verursachte eine Klaustrophobie. Sie hatte das Gefühl, lebendig begraben worden zu sein. Sie wollte hier raus! Sie zog ihr Beine an und stemmte ihre Füße gegen den Kofferraumdeckel, aber er gab nicht nach. Ruhig Trudy, beruhig dich, Panik hilft dir nicht, versuchte sie sich selbst zur Ordnung zu rufen. Am besten sie versuchte, durch Klopfzeichen auf sich aufmerksam zu machen. Da ihre Hände hinter den Rücken gefesselt waren, trat sie mit den Füssen gegen den Kofferraumdeckel - immer und immer wieder. Ihre Beine zitterten von der ungewohnten Anstrengung. Sie hatte die Hoffnung, jemand würde das Klopfen hören und sie aus diesem engen Gefängnis befreien. Es war einige Zeit vergangen, Trudy war erschöpft. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon hier lag, sie hatte keinerlei Zeitgefühl mehr. Sie war benommen und ihre Glieder schmerzten durch die unbequeme Haltung. Ihr Kopf wurde immer schwerer, sie hatte Mühe sich zu konzentrieren. Sie konnte sich kaum noch wach halten. Das ist der Sauerstoffmangel, dachte sie noch benommen, ehe sie langsam wegdämmerte.
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VIERUNDZWANZIG

Mittlerweile mussten schon viele Stunden vergangen sein, seit sie hier an diesem Balken gefesselt wurde. Gina konnte in dem Schuppen nun fast nichts mehr erkennen, denn es war draußen dunkel geworden. Nur der spärliche Schein einer Lampe drang durch die blinden Fenster. Ein kräftiger Wind blies und die Zweige der Sträucher vor dem Schuppen kratzten an den Wänden. Gina war erschöpft und müde. Sie hatte immer wieder geschrien, aber wie sie befürchtet hatte, konnte sie anscheinend niemand hören. Sie war durstig und hungrig. Wie lange mochte es wohl dauern, bis sie hier jemand fand? Ihre Beine schmerzten vom Langen stehen. Sie hatte schon vor längerer Zeit ihre Schuhe ausgezogen. Die Kühle des Betonbodens war eine Wohltat für ihre Füße, aber leider nur für kurze Zeit. Sie hätte sich gerne auf den Boden gesetzt, aber der Balken, an den sie gefesselt war, endete in Hüfthöhe in einer Bretterbande. Sie lehnte sich erschöpft gegen das Holz. Lange würde sie nicht mehr durchhalten. Das lange Stehen fiel ihr zunehmend schwerer. Immer wieder sackten ihr die Füße weg und sie hatte Kopfweh von der stickigen, nach Benzin riechenden Luft. Wie mochte es Trudy wohl ergehen? Lebte ihre Freundin überhaupt noch? Sie begann zu schluchzen. Sie hörte ein Rascheln und sah sich um. Sie kniff die Augen zusammen, um in dem fahlen Licht besser sehen zu können. Da - ein kleiner Schatten bewegte sich. Iiiii! - Eine Ratte! Gina schrie auf. Bilder von Gefangenen, die von Ratten angeknabbert wurden, erschienen vor ihrem Auge. Es ist doch nur eine Ratte, du Närrin - schoss es ihr durch den Kopf. Sie war kein Angsthase, aber der Gedanke hier diesen Schuppen mit Ratten teilen zu müssen, während sie an einen Balken gefesselt war, bereitete ihr großes Unbehagen. Da! - Da war doch etwas! - Ein neues Geräusch. Gina hob den Kopf und lauschte. Das war doch ein Auto. Hoffnung machte sich in ihr breit. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, das Fahrzeug möge ja in der Nähe stehen bleiben. Es sah aus, als hätte der Himmel sie erhört, denn der Wagen kam näher. Der Motor stoppte und Gina vernahm das Zuschlagen von mehreren Autotüren. Sie begann erneut um Hilfe zu schreien. Schritte näherten sich, der Riegel wurde zurückgeschoben und die Tür öffnete sich. "Gina, wir sind's", hörte sie nun Sonnys Stimme. Sie seufzte erleichtert. Sonny hatte eine Taschenlampe mitgebracht und leuchtete nun durch den Raum. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und sperrte die Handschellen auf. Gina fiel ihm vor Erleichterung um den Hals. Sonny drückte sie fest an sich. Dann wich Gina zurück: "Trudy! Wir müssen sie finden, Ricky und Benny sind mit ihr weggefahren, nachdem sie mich hier eingesperrt haben!" Sonny nahm Gina sanft am Arm und lächelte sie an: "Keine Sorge, Trudy ist in Sicherheit, sie hat uns auch verraten, wo wir dich finden. Sie hatten Trudy gefesselt und geknebelt im Kofferraum eingesperrt. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, ihr ging nämlich allmählich der Sauerstoff aus. Im Moment ist sie im Krankenhaus zur Beobachtung, aber ich denke sie darf heute noch nach Hause!" "Was ist mit Ricky und Benny? Habt ihr sie erwischt?", wollte Gina wissen. Sie schmiegte sich an Sonny. Sie hegte immer noch Gefühle für ihn, aber es waren mehr die wie zu einem sehr guten Freund. "Nein, von den Beiden haben wir im Moment leider keine Spur. Aber es wurde eine Großfahndung nach ihnen herausgegeben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir sie schnappen. Aber sag mal, woher wussten die Beiden, dass ihr Polizistinnen seid? Haben sie euch etwa wiedererkannt?" Gina schüttelte den Kopf. Sie war glücklich und erleichtert, dass es Trudy gut ging. "Nein, Ricky sagte etwas davon, dass sie von jemanden einen Tipp bekommen hätten, aber leider sagte er nicht von wem. Aber niemand außer uns und den Kollegen von der Metro Dade wussten von der Aktion. Könnte es sein, dass wir bei der Polizei irgendwo einen Maulwurf haben?"
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FÜNFUNDZWANZIG

Freitag, 19. Juni 1987 Gina hatte die Strapazen vom Vortag erstaunlich gut überstanden. Sie hatte den heutigen Tag frei und es sich gut gehen lassen. Nach einem langen Schlaf und einem gesunden Frühstück ging sie zum Massieren und ließ sich so richtig schön verwöhnen. Mittags traf sie sich mit Trudy, die heute ebenfalls freihatte, zum Essen, um sich nochmals mit ihr über ihre Erlebnisse vom Vortag auszutauschen. Es tat gut, Trudy gegenüberzusitzen, sie wohlbehalten zu sehen und mit ihr über alles zu sprechen. Am Abend hatte sie ein Rendezvous, auf das sie sich schon den ganzen Tag freute. Seit langer Zeit war sie wieder glücklich. Vor etwa zwei Wochen lernte sie einen netten Mann kennen. Es hatte buchstäblich gekracht, als sie sich das erste Mal trafen. Sie hatte im Supermarkt eingekauft, ihre Einkäufe im Kofferraum ihres dunkelblauen Ford Focus verstaut, stieg ein, parkte aus und wollte den Parkplatz verlassen, als ein silbergrauer Porsche Boxter sie rammte. Sie stieg sofort aus, um den Schaden zu begutachten. Der Kofferraum war leicht eingedrückt und auch im rechten hinteren Kotflügel befand sich eine Delle. Der Mann entschuldigte sich überschwänglich und versprach selbstverständlich für den Schaden aufzukommen. Nachdem die Personalien ausgetauscht waren, bestand er darauf, Gina am Abend in ein nobles Restaurant auszuführen ... als kleine Entschädigung für den Schrecken und die Unannehmlichkeiten. Seitdem trafen sie sich fast jeden Tag. Ian, wie ihr Unfallgegner hieß, war sehr charmant und ein richtiger Gentleman. Mit ihm konnte sie sich stundenlang über Gott und die Welt unterhalten. Und diese Augen! - Gina bekam weiche Knie, wenn sie an Ians himmelblauen Augen dachte. Vielleicht ist er ja endlich Mr. Right? dachte Gina mit Herzklopfen. Bisher standen alle ihre bisherigen Beziehungen unter keinem guten Stern. Vielleicht hatte sie dieses Mal mehr Glück. Nun saß sie also mit Ian im NOBU in der Collins Avenue. Es war ein exklusives, kleines Restaurant. Der Raum wurde durch mehrere viereckige Säulen, die mit kleinen blauen Mosaikstückchen gefliest waren, geteilt und bot so den Gästen etwas mehr Privatsphäre. Das Licht war gedämpft und auf den kleinen runden Tischchen standen Kerzen, die eine romantische Stimmung verbreiteten. Im Hintergrund lief leise, sanfte Musik. Ian sah mit seiner hellen Hose und seinem schwarzen Hemd, dessen oberste drei Knöpfe offen standen, einfach unwiderstehlich aus. Er war sehr groß, schlank und besaß einen durchtrainierten muskulösen Körper. Er hatte dunkelbraune, kurze Haare und diese strahlenden himmelblauen Augen. Wenn er lächelte, sah man zwei süße Grübchen. Er sieht einfach super aus, dachte Gina im Stillen. Sie beendeten das Dessert und Gina lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück. Sie trug heute ein hautenges, trägerloses schwarzes Kleid, das ihre schlanke Figur betonte. Der Stoff war mit silbernen Fäden durchwirkt, die im Kerzenschein glitzerten. Ihre langen dunklen Haare trug sie offen und um den Hals trug sie eine dezente Perlenkette. Gina sah einfach zum Anbeißen aus. Ian ergriff ihre Hand und flüsterte ihr zu: "Komm, lass uns hier verschwinden. Ich will dir etwas zeigen". Lächelnd nickte Gina. Ian bat um die Rechnung, bezahlte und führte Gina zu seinem Wagen. Sein Porsche war mittlerweile repariert worden, von dem Unfall war keine Spur mehr zu sehen. Er hielt Gina den Wagenschlag auf und ließ sie einsteigen. Dann lief er um den Wagen herum, stieg ebenfalls ein, startete den Wagen und fuhr Richtung Miami Springs. Nach etwa zwanzig Minuten bog Ian in eine schwach beleuchtete Nebenstraße ein und hielt vor einer alten Lagerhalle. Die Lagerhalle schien schon seit längerer Zeit leer zu stehen. Ian öffnete die Beifahrertür und reichte Gina galant die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Dann legte er seinen Arm um ihre Hüften und führte sie zu einer Seitentür. Gina lief ein wohliger Schauer über den Rücken, als sie Ians Nähe spürte. Heute wäre die perfekte Nacht um unsere Beziehung zu vertiefen, dachte sie mit einem Lächeln auf ihren Lippen. "Was willst du mir denn zeigen, Ian?" fragte Gina neugierig. "Warts ab mein Mäuschen, es ist eine Überraschung". Mit einer Hand öffnete er die Tür, die ins Innere der dunklen Lagerhalle führte. Von außen drang nur das schwache Licht einer Straßenlaterne durchs Fenster, sodass man kaum etwas in der Halle erkennen konnte. Ohne Vorwarnung schleuderte Ian plötzlich Gina zu Boden. Mit einer schnellen Bewegung kniete er sich auf ihren Rücken, drückte sie mit ihrem Körpergewicht auf den Boden, packte mit einer Hand einen Arm, mit der anderen Hand zog er aus der Gesäßtasche ein paar Handschellen. Es klickte, er packte ihren anderen Arm und fesselte ihre Hände auf den Rücken. Der Angriff kam so überraschend, dass Gina keine Gelegenheit hatte, sich zu wehren. "Aua, du tust mir weh. Was soll das, Ian? Lass mich sofort los. Wenn das ein Scherz sein soll, finde ich das nicht lustig." Sie zerrte an den Handschellen und versuchte ihre Hände freizubekommen. Sie kochte vor Wut, doch als sie in sein Gesicht sah, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter, Angst machte sich in ihr breit, sie begann wie Espenlaub zu zittern. Er hatte ein teuflisches Grinsen aufgesetzt und aus seinen Augen erschienen wie die eines Wahnsinnigen. Er weidete sich an ihrer Angst. "Wer bist du wirklich, was willst du von mir?" stammelte Gina. "Gestatten, mein richtiger Name ist Thomas Ian Goldstein, aber du darfst mich auch gerne Tom-Cat oder einfach auch nur Cat nennen. Weißt du, Gina, ich mag dich, ich mag dich wirklich. Ich habe die letzten Tage mit dir sehr genossen." "Was willst du von mir?", wiederholte Gina und versuchte weiterhin ihre Hände aus den Handschellen zu befreien, aber vergeblich, die Handschellen waren einfach zu eng. Ihre Arme schmerzten von der unbequemen Stellung und ihr Knie brannte wie Feuer. Warum warst du so dumm und bist mit ihm hierher gefahren. Du bist doch Polizistin, du hättest vorsichtiger sein müssen, dachte sie wütend und ängstlich. "Eigentlich will ich nur ein bisschen spielen, oder nein, eigentlich möchte ich nur eine Maus fangen und du bist meine Mausefalle, aber vorher werden wir noch etwas Spaß haben." Dann packte er sie brutal am Arm und drehte sie auf den Rücken. Er schob ihr Kleid hoch, zwang ihre Beine auseinander und zerriss ihr mit einem diabolischen Grinsen den Slip.
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