Schneesturm über Miami - (Abgeschlossene Geschichte)


Christine

Recommended Posts

26. IN DER DSCHUNGELHÜTTEAbhisit postierte sich neben der Tür. Er drehte die Hand mit der Schlange so, dass sie einander ansahen. Dann flüsterte er grinsend: "Mach dich jetzt bloß nützlich! Vermassel es nicht!"Die Schlange starrte ihn an. Ihre gespaltene Zunge schnellte vor und zurück. Trudy sah es und schauderte. Zu mehr war sie nicht fähig. Sie fühlte sich benommen und ihr wurde schwindelig. Sie legte den Kopf auf die Matratze und schloss die Augen, aber das war jedoch auch keine gute Idee, weil es sich anfühlte, als wäre sie betrunken. Alles drehte sich. Ihr war abwechselnd heiß und kalt. Alessio postierte sich hinter der Tür. Ihm war klar, dass Abhisit versuchen wollte Ross dazu zu bringen die Tür zu öffnen, aber er hatte keine Ahnung, wie der Junge das anstellen wollte. Der Motor erstarb. Eine Tür schlug zu, dann eine zweite. Eine Stimme war zu hören. "Lass mich das machen, Ross!"Abhisit erkannte die Stimme. Sie gehörte dem Kerl, der Ramon hieß."Zuerst das Weib und Crocketts Bengel," sagte Ross. "Anweisung vom Boss." Ross lachte. "Wo dieser Parson doch so eifersüchtig ist! Es wird ihm nicht schmecken!"Billy zuckte zusammen und drückte kurz beruhigend Trudys Hand."Ich würde lieber erst das Schlitzauge umbringen," murrte Ramon und entsicherte seine Waffe.Abhisit schluckte. Er hatte geahnt, dass sie die Sache nicht überleben sollten, aber jetzt hatte er eine Waffe. Das änderte vieles. Noch einmal drehte er die Hand mit der Schlange. Sie sahen einander an, als könnten sie miteinander kommunizieren. Abhisit lächelte und sah nun fast aus wie Castillo."Und ich den Tubbs - Bengel," meinte Ross.Alessio erstarrte für einen Moment, aber ihm blieb keine Zeit, um über die fünf Worte nachzudenken, denn Ramon bellte:"Weg von der Tür!"Eine Autotür schlug zu, als Ross wieder einstieg.Ramon fummelte am Vorhängeschloss herum. Als er den Schlüssel drehte klang es, als wäre alles voller Sand. Abhisits Muskeln spannten sich. Er wusste, er hatte nur einen Versuch. Er musste mit der Schlange Ramons Hals treffen und darauf hoffen, dass wenigstens noch etwas Gift in den Drüsen war. Er wusste allerings, dass viele Menschen gar nicht am Gift der Schlange starben, sondern am Schock. Alessio machte sich ebenfalls bereit, musste sich aber zur Konzentration zwingen. Billy hieß Crockett, Abhisits Vater war Martin Castillo und da er der einzige "Bengel" war, der übrig blieb, musste sein Vater Tubbs heißen. Aber wieso wusste Ross den Namen seines Vaters? Den hatte bisher nicht einmal er selbst gekannt. - Falls er stimmte! Alessio blinzelte. Er musste sich auf das Jetzt und Hier konzentrieren. Irgendeiner von diesen Typen hatte versucht ihm den Schädel zu tätowieren. Die Wunde ziepte und zog immer noch. Er hatte versprochen, sich dafür zu revanchieren.Er schwitzte, wischte sich über das Gesicht und schlug nach einem Moskito, den er sogar erwischte. Er hörte Trudy gequält seufzen. Ramon stieß die Tür auf. Die Sonne war inzwischen so weit über den Horizont geklettert, dass sie ausreichend Licht spendete, aber noch nicht blendete. Das Licht flutete herein. Ramon machte einen Schritt in die Hütte. Im gleichen Moment schoss Abhisits Hand vor. Die Zähne des Reptils bohrten sich in Ramons linke Halsseite. Er schrie entsetzt auf, fuchtelte mit der Waffe herum. Ein Schuss löste sich. Die Kugel sirrte quer durch die Hütte und schlug ein Loch in die gegenüberliegende Wand. Splitter wurden herausgerissen und durch das Loch fielen Sonnenstrahlen. Alessio reagierte. Die Tür donnerte gegen Ramons rechte Schulter und die Waffe segelte davon. Billy, der nach wie vor neben Trudy auf den Matratzen kniete, hechtete hoch und fing sie auf. Abhisit hatte die Schlange nach dem Biss nach draußen geschleudert. Das war nicht nett, aber sie würde es überleben. Als Alessio Ramon die Tür gegen die Schulter knallte, donnerte Abhisits Handkante gegen Ramons Kinn. Der Kopf wurde nach hinten geschleudert und es knackte in seinem Genick. Ramon sah ihn entgeistert an, ehe er tot zusamenbrach.Der Motor des Jeeps jaulte auf, die Reifen drehten durch, als Ross sich aus dem Staub machte. "Verdammt!," fluchte Alessio, sprang über die Leiche und rannte hinaus. "Wir brauchen das verdammte Auto! KOmm zurück, Mann!," schrie er verzweifelt, aber das Motorengeräusch entfente sich schnell. Ross kehrte nicht um. Alessio ging in die Hütte zurück. Sein Blick hing an Trudy. Sie keuchte, Schweißperlen bedeckte ihr Gesicht und das Bein sah entsetzlich aus. Dick angeschwollen und stark gerötet war es und es fühlte sich glühend heiß an. Die beiden Bisspunkte leuchteten wie Ampeln.Er kniete neben ihr nieder, tastete nach dem rasenden Puls und der kochenden Stirn. Ihr Blick war bereits abwesend und verschleiert."Sie muss ganz dringend ins Krankenhaus, sonst stirbt sie," sagte er."Dann werden wir sie abwechselnd tragen. Vielleicht haben wir ja Glück und begegnen unterwegs jemandem, der uns helfen kann," entgegnete Billy.Sie machten sich auf den Weg. IM NÄCHSTEN KAPITEL: CASTILLOS SUCHE
Link to comment
Share on other sites

27. CASTILLOS SUCHE DienstagmorgenBereits um halb fünf stand Castillo wieder auf. Er duschte, während der Kaffee durchlief, und holte seinen alten Kampfanzug und die Stiefel aus dem Schrank. Er hatte nicht geglaubt, diese Dinge jemals wieder benutzen zu müssen. Er hing sie weg, nachdem er Thailand verließ. Jetzt war er erstaunt, dass sie immer noch passten. Während der Kaffee in der Tasse etwas abkühlte, kontrollierte er seine Waffe und sein Schweizer Messer. Auch das Messer hatte lange unbenutzt in einer Schublade gelegen, aber die einzelnen Teile schnellten geräuschlos heraus, die verschiedenen Messer waren immer noch scharf, und wenn er sie zurückschnappen ließ, verursachten sie nur ein winzig kleines Geräusch.Dann steckte er mehrere Kabelbinder ein. Man konnte nie wissen, wofür man sie brauchte. Castillo trank den Kaffee, warf einen letzten Blick auf die Karte. Er ließ den Finger über die von ihm markierten Gebiete gleiten, als könnte er sich so alles besser einprägen, und verließ dann um halb sechs das Haus.Die Vögel begannen schon zu singen, obwohl bisher kein Sonnenstrahl zu sehen war. Es war bereits warm und er wusste, dass die Temperaturen heute ziemlich hoch klettern würden. Die Schauern, die der Wetterbericht angekündigt hatte, würden die Wärme vermutlich eher unerträglicher machen. Nur der Wind, der vom Meer herüberwehte, konnte eventuell Erleichterung bringen. Auf der Hauptsraße begegneten ihm einige Autos, die alle der Stadt zustrebten. Er selbst fuhr zur Interstate 75, die durch die Everglades führte. "Pa - hay - okee", fluss aus Gras, wie die Indianer das riesige Sumpfgebiet nannten.Im Radio stimmten Europe "The Final Countdown" an."Was für ein passender Song," murmelte Castillo. Eigentlich war sein Plan verrückt. Es war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen oder der Volltreffer in der Lotterie. Ob die Stecknadel je gefunden wurde, wusste er nicht, aber dass immer wieder Menschen Volltreffer in der Lotterie landeten, das wusste er genau. Er dachte nach. Am Exit 49 konnte man in die BIG CYPRESS SEMINOLE RESERVATION abbiegen. Das war die Straße, die ins Stammesgebet der Seminolen führte, aber er glaubte nicht, dass die Kidnapper ihre Geiseln in die Nähe des Seminolen - Gebietes gebracht hatten.Nein, er würde seinem ursprünglichen Gedanken folgen.Castillo glaubte, dass die Geiseln nicht zu weit von der Straße entfernt in irgendeiner neuerbauten Hütte gefangen gehalten wurden. Zu dieser Hütte führte ein befahrbarer Weg, den man aber wahrschienlich nicht auf den ersten Blick erkannte. Deshalb bog er bald von der Teerstraße auf eine breite, befestigte Straße ab.Die Sonne war inzwischen aufgegangen. Es war schwül und er ließ das Fenster herunter. Allerdings war das keine besondes gute Idee, denn die Insekten, die sich in den Wagen verirrten, waren unglaublich aggressiv. Immer wieder musste er danach schlagen. wie erwischte er. Dann schloss er das Fenster und tötete das dritte Stechinsekt, nachdem es ihn in den Hals gestochen hatte. "Adios, Muchacho!," murmelte er. An einer Kreuzung hielt er an und stieg aus. Er suchte nach frischen Reifenspuren, aber hier gab es zu viele Spuren und er vermochte nicht zu sagen wie alt sie waren. Über ihm in den Bäumen schrieen einige Vögel. Es klang, als lachten sie den Dummkopf aus, der glaubte, er könnte das Versteck finden. Castillo stieg ein und fuhr langsam weiter. Seine Augen huschten permanent hin und her auf der Suche nach dem Weg, bei dem sein Instinkt sagte: Das ist er! Als er einen von halb herabhängenden Zweigen verborgenen Weg entdeckte, hielt er erneut an. Vermutlich würde er frische Bruchstellen an den Ästen finden, wenn er den richtigen Weg entdeckte. Doch so sehr er auch suchte, an diesen Ästen gab es solche Stellen nicht. Fünf Mal hielt er an, ehe er beschloss umzukehren. Inzwischen war es fast acht Uhr.Doch als er in den Wagen stieg, starrte er erst mal eine Weile nur durch die Fensterscheibe auf das dichte Grün des Dschungels. Ein Insekt knallte gegen seine Scheibe, brummte dann jedoch weiter. Irgendwo war ihm ein Fehler unterlaufen. Er musste etwas übersehen haben. Oder lag er komplett falsch? Hatten die Kidnapper die Geiseln doch irgendwo in der Stadt untergebracht? In irgendeinem Abbruchhaus, einem alten Lagerhaus oder vielleicht sogar in einer extra gebauten Kammer in einer Villa? Er fuhr bis zur nächsten größeren Kreuzung, wo er drehte, um langsam den Weg zurückzufahren, den er gekommen war. Nein, er war sicher, dass er nicht falsch lag mit seiner Vermutung. Die Geiseln waren hier draußen und nach dem Willen EL GRANDE MAGO´s sollten sie wahrschienlich hier verrotten. Irgendwann würde irgendwer zufällig die Hütte mit den vier Skeletten darin finden, aber der Zauberer würde dann längst über alle Berge sein. Plötzlich glomm etwas auf dem Boden. Es war winzig und er sah es nur, weil der Wind damit spielte und es herumrollte. Eine Zigarettenkippe! Jemand hatte sie gerade aus einem Autofenster geworfen" Vor der Kippe hielt Castillo an. Er stieg aus und hockte sich vor dem Ford af den Boden. Da waren Reifenspuren, die, von seiner Warte aus gesehen, nach rechts abbogen. Sie waren breit und gehörten vermutlich zu einem Jeep. Er hatte dem Weg keine Beachtung, weil er breit war, gut befahrbar schien. In diesem Punkt hatte er sich also geirrt. Jetzt konnte er nur hoffen, dass nicht eine vollkommen unbeteiligte Person die Kippe weggeworfen hatte. Er stieg in den Wagen und bog in den Weg ein, der nach etwa hundert Metern eine Kurve beschrieb. Dahinter verengte sich der Weg. Die Zweige hingen weit herab, kratzten über das Dach und an den Seiten entlang.Der Untergrund wurde schlechter. Wurzeln ragten aus dem Boden oder schlängelten sich so dicht unter der Oberfläche von einer Seite zur anderen, dass sie die Erde anhoben. An anderen Stellen gab es wiedrum tückische Schlaglöcher. Schlißlich tauchte zwichen den Bäumen das Dach einer Hütte auf. Er hielt an, ließ die Scheibe ein Stück herunter, um die dumpfen Schläge, die er hörte, besser einordnen zu können. Jemand hatte das Radio aufgedreht. Was er hörte waren die Bässe von "Give It o Me", von Nelly Furtado und Timbaland. Sie hatten das Motorengeräusch von Castillos Wagen übertönt. Castillo stieg aus. Leise drückte er die Tür ins Schloss und pirschte sich an. Der Freelander parkte mit der Schnauze in seine Richtung. Die beiden vorderen Türen standen offen, aber sehen konnte er niemanden. Das gefiel ihm nicht. Als er vorsichtig näher kam, entdeckte er den Mann, der bäuchlings in der Tür lag. Für einen Moment schlug sein Herz schneller, als er daran dachte, dass dies vielleicht sein Sohn war. Möglicherweise kam er sowieso zu spät und die Kidnapper hatten alle Geiseln getötet. Wegen... Castillo holte einmal tief Luft. Nein, er konnte Crockett die Schuld nciht geben. Auch Sonny besaß nur Nerven und sie waren ebenso angespannt wie Rcos oder seine Nerven.Sonny hatte nur getan, womit er in vielen Einsätzen erfolgreich gewesen war. Castillo verharrte hinter einem Gebüsch. Er lauschte auf Stimmen, auf das Knacken von Ästen, das ihm verriet, wo seine Feinde gerade waren. Er hörte jedoch nichts, als das Zwitschern der Vögel, das Rauschen des Windes in den Bäumen und die Musik aus dem Radio. Martin huschte an dem Freelander vorbei zu dem Mann. - Und atmete auf. Der Mann war lateinamerikanischer Herkunft, vermutlich Kolumbien, vielleicht Mexiko oder auch Puerto Rico. So enau ließ sich das nicht feststellen. Der Mann hatte eine Verfärbung links neben dem Kinn. Sein Kopf war überstreckt. Ein Griff in seinen Nacken bestätigte Castillos Vermutung. Jemand hatte ihm mit einem gezielten Schlag oder Tritt das Genick gebrochen.Am Hals entdeckte er außerdem die Bissstelle. Da sie nicht geschwollen war, ging er davon aus, dass der Biss unmittelbar vor dem Genickbruch passierte. Sein Blick huschte herum, nahm jede Einzelheit auf und setzte alles zu einem bild zusammen. Er sah das Loch in der gegenüberliegenden Wand, das vermutlich durch einen Schuss entstanden war. Auf dem Boden lagen ein weinroter Damenschuh und der dazugehörende Absatz. Beides stark lädiert und voller Erde. Das Loch im Boden an der Wand machte ihm klar, warum die Dinge so aussahen. Sie waren hier gewesen, hatten verzweifelt versucht sich durchzugraben. Durch das Loch kam vermutlich eine Schlange herein. Wo aber waren die Geiseln? Er vermutete, dass der Gangster, der in der Tür lag, allein gekommen war und dass die Geiseln nach dessen Tod mit dessen Fahrzeug geflohen waren. Falls jemand gebissen worden war, konnte er nur hoffen, dass es genauso war. Castillo hörte Stimmen, die sich der Hütte näherten."Verdammt, Victor, mach endlich das Gejaule leiser!," motzte eine heisere Stimme. Sie gehörte Paolo Sanchez und sie klang sehr ungehalten."Wieso? Magst du etwa keine Musik?," fragte Victor."Doch, aber nicht jetzt. Die Geiseln sind weg, du Idiot! Was, glaubst du, wird der Boss sagen, wenn er das herausfindet?"Die Musik verstummte, nacheinander knallten beide Türen zu. "Bleib cool, Paolo, der Boss kommt sowieso nicht hierher," meinte Victor lässig."Nein, aber du kennst seine Anweisungen wegen Joplin und Crockett!" Castillo hatte sich gegen die Wand gepresst, als Paolo und Victor kamen. Genau dort hatte mehr als eine Stunde zuvor Abhisit mit der Kupferkopf in der Hand gestanden. Jetzt sah Castillo den Schatten eines Mannes, der sich der Hütte näherte. Castillos Muskeln spannten sich. Er wusste, dass er die Überraschung auf seiner Seite hatte, aber er musste schnell sein, denn Paolo und Victor waren garantiert bewaffnet und sie würden nciht zögern ihn zu töten. Als Victor Bonivar in der Tür auftauchte, schnellte Castillos rechte Handkante vor. Er traf Victor am Kinn und der Mann taumelte, dumpf aufstöhnend, zurück. Castillo sprang hinterher. Er deckte Victor mit schnellen Tritten und Schlägen ein, behielt aber dennoch ein Auge auf Sanchez, der nun seine Waffe zog und entsicherte. Victor ging in die Knie, ohne sich auch nur einmal zu wehren. Mit einem sehr dümmlichen Ausdruck in seinem blutigen Gesicht knallte er auf den Boden. Castillo sprang sofort neben dem Freelander in Deckung. Im gleichen Moment feuerte Sanchez und dort, wo Castilo gerade gestanden hatte, spritzte der Dreck auf. Mehrere kleine Steine prallten dumpf gegen die Holzwand der Hütte. Wild schimpfend stoben mehrere Vögel in den Himmel hinauf. "Du bist tot, Mann!," knurrte Sanchez."Irgendwann schon, aber nicht heute," entgegnete Castillo. Geduckt und vollkommen geräuschlos schlich er zum Heck des Wagens. Er war immer noch ein Jäger, ein Dschungelkämpfer. Er konnte sich einem Schatten gleich bewegen und so leise atmen, dass es nur klang wie der Hauch des Windes. Er huschte um das Heck des Wagens, warf einen schnellen Blick auf die Beifahrerseite. Sanchez hockte neben dem Vorderrad, wandte ihm den Rücken zu. der Mann war völlig ahnungslos. "Wieso sind Sie überhaupt hier draußen, Castillo?," fragte Sanchez.Castillo bleckte die Zähne. Auf diesen Trick wäre er nicht mal als Polizeischüler hereingefallen, aber während Sanchez redete, näherte er sich dem Mann flink. Er packte Sanchez in die Haare, donnerte dessen Kopf gegen den Kotflügel. Sanchez stöhnte auf. Blut spritzte aus seiner Nase. Dicht an seinem rechten Ohr raunte Castillo: "Um Ratten zu jagen, Sanchez!" IM NÄCHSTEN KPITEL: NACHTS IM VICE - BÜRO
Link to comment
Share on other sites

28. NACHTS IM VICE - BÜROIzzy Moreno hatte schon eine Menge krummer Dinger gedreht. Er war ein Überlebenskünstler, der immer wieder ein Schlupfloch fand und es, dank seiner guten Nerven und seiner Redegewandtheit schaffte, selbst aus einer miserablen eine akzeptable Situation zu machen.Wo Izzy gelernt hatte so gut mit hochgestochenen, klug klingenden Worten zu fabulieren, war immer sein Geheimnis geblieben. Izzy besaß ein ungeheures Selbstbewusstsein. - Normalerweise!Während er nun in der Dunkelheit auf Stan wartete, gerieten seine eisenharten Nerven in extreme Schwingungen, die von Minute zu Minute schlimmer wurden. Jedes vorbeifahrende Auto verursachte ihm zusätzlich Herzrasen und massive Schweißausbrüche. Er war sicher, dass nie zuvor soviel Verkehr in dieser Gegend geherrscht hatte wie heute, wo das einzige Auto, das er zu sehen wünschte, der Wagen war, an dessen Steuer Switek saß. Stan raste zu der Telefonzelle. Eigentlich sorgte er sich herzlich wenig um Moreno. Einer wie er kam immer durch, aber jetzt war er ein Zeuge und schwebte in Gefahr. EL GRANDE MAGO und seine Leute waren nicht zimperlich. Stan hatte das Gefühl, dass der Banküberfall in Miami wie auch die Morde, in die andere Bandenmitglieder verstrickt waren, mit dem Zauberer zusammenhingen. Alle Opfer, auch die Toten bei dem Banküberfall, waren aufstrebende Dealer, irgendwelche Gangsterbosse oder bekannte Zuhälter gewesen. Sie alle waren auf sehr brutale Weise ins Jenseits befördert worden. Mitleid kannten diese Typen nicht und deshalb sorgte Stan sich nun doch wenigstens ein bisschen um Moreno. Stan bog in die Nebenstraße ein, in der Izzy wartete. Hier gab es nur Lagerräume, von denen die meisten von den Clubs, Bars und Geschäften angemietet worden waren, die um die Ecke in der "Vergnügungsmeile" lagen Hinter Stan waren die Kollegen vom CSI in einem unauffälligen Wagen. Es war schließlich nicht nötig die Aufmerksamkeit irgendwelcher Leute auf sich zu ziehen, denn wenn Izzy Recht hatte, waren die Fingerabdrücke eine geradezu sensationelle Spur. Stan sah die Telefonzelle, aber keinen Izzy. Er schaltete das Fernlicht ein, aber Moreno entdeckte er nicht."Wenn diese kurzsichtige Ratte mich verarscht hat, dann ist er keine gefährdete Art mehr, sondern eine ausgestorbene," knurrte Stan und schaltete das Fernlicht aus. Er hielt an und stieg aus.In diesem Moment huschte ein sich duckender Izzy hinter dem Papiercontainer hervor. Er erstarrte kurz, als die Scheinwerfer des CSI - Wagens ihn erfassten, aber dann flitzte er schnell um Stans Wagen herum, verschwand im Inneren und faltete sich in den Fußraum.Einen Moment lang fragte Stan sich verwundert, ob sich die Erde neben seinem Wagen aufgetan und Moreno verschluckt hatte. Der Wagen von der Spurensicherung stellte sich quer vor Stans Wagen, um die Telefonzelle zu beleuchten. Die Türen klappten auf."Dann wollen wir mal," seufzte Carla Scott, Damians Schwester, als sie ausstieg. Sie war wesentlich kleiner als Damian, etwas pummelig und hatte ein rundes Gesicht mit hellbraunen Augen und einer recht schmalen Nase.Sie trug Jeans und eine geblümte Bluse, die ihre Formen kaschierte. Stan warf einen Blick ins Innere seines Wagens und begegnete Izzys verschreckten Augen. Wie ein Hund hockte er da. Es fehlte nur, dass er anfing zu hecheln."Ich bin wieder weg!," rief Stan Carla zu.Sie blickte aus der Telefonzelle zu ihm herüber, in der Hand den Pinsel haltend, mit dem sie das Graphitpulver auf das Telefon stäubte. "Ich melde mich, sobald ich etwas weiß," versprach sie. Stan stieg in den Wagen. Er startete den Motor und fragte: "Was machst du da unten, Izzy?"Er setzte ein Stück zurück, drehte auf der Straße. Seine Scheinwerfer erfassten den Betrunkenen, der es aufgegeben hatte vorwärts zu kommen. Er saß nun an eine Mauer gelehnt auf dem Boden, die Beine leicht gespreizt ausgestreckt, und schlief mit offenem Mund. "Man nennt es, sich verstecken, Switek," antwortete Izzy leise. "Verdammt, Switek, sie suchen nach mir. Auf das Konto von diesen Leuten gehen mindestens zehn Morde!" Stan fuhr an den Nachtclubs mit ihren blinkenden und zuckenden Neonschildern vorbei, die sich in Izzy Brille spiegelten und sein Gesicht mal beleuchteten, mal Schatten darauf warfen.Links von ihm tauchte das BANANA auf, über dessen Tür eine halb geschälte , grell - gelb leuchtende Riesenbanane prangte, in die gerade eine grinsende, vollbusige, leicht bekleidete Leucht - Dame beißen wollte. "Zehn?," fragte Stan erstaunt."Mann, Switek, wenn du denen im Weg stehst, falsch atmest oder falsch blinzelst, bist du tot." Izzy tauchte vorsichtig aus der Versenkung auf, legte aber die rechte Hand wie eine Scheuklappe an sein Gesicht. "Ich verstehe das nicht, Switek. Ich bin sicher, dass da niemand war außer Tubbs, Crockett, einem Haufen Ratten und mir. Können Ratten reden?" Das Vergnügungsviertel blieb hinter ihnen zurück. Stan waf Izzy einen Seitenblick zu. So verängstigt wie jetzt hatte er Izzy noch nie erlebt. "Die vierbeinigen? - Nein!""Wo bringst du mich eigentlich hin? Hoffentlich nicht in eine Gefängniszelle."Stan grinste. "Keine Angst, Moreno. Ausnahsweise wartet ein hübsches, sicheres Strandhaus auf dich." Nachdem Stan Izzy abgesetzt hatte telefonierte er kurz mit Sonny, um ihm das Neueste mitzuteilen. Dann machte er sich auf den Rückweg ins Büro. Er gähnte ungeniert und als er an einer roten Ampel warten musste, rieb er sich über die brennenden Augen. Seit die Sache angefangen hatte, hatte er kaum geschlafen. Er war zwar Sonntagabend nach dem Treffen in Tom`s Bar nach Hause gefahren, aber Fiona hatte viel geweint und er musste permanent über die merkwürdige Geschichte nachdenken. Als er ins Büo kam, schickte er als erstes Sarah und Ramona nach Hause. Es war jetzt nach Mitternacht und die beiden wurden am nächsten Morgen wieder gebraucht. Damian saß an seinem Schreibtisch, vor sich die x - te Tasse Kaffee, und starrte auf die Unterlagen von Cruz, ohne wirklich etwas zu sehen. Sein Rücken war gebeugt, Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht. Seine ganze Haltung drückte Angst und Besorgnis aus.Ben räumte gerade alles zusammen und Gina schaltete den Computer aus. Sarah und Ramona wünschten eine gute Nacht. Sarah betätigte den Lichtschalter und im hinteren Bürobereich wurde es dunkel. Stan teilte ihnen noch mit, dass sie sich um sieben wieder treffen würden. Dann eilten Sarah und Ramona hinaus.Damian streckte sich nach hinten, um seine verkrampften Muskeln zu lösen, wobei er Geräusche von sich gab wie ein Schwergewichtsheber."Du sollest heimgehen und versuchen zu schlafen. Das hast du heute morgen schon nicht getan, oder?," fragte Stan und biss in einen der beiden Doughnuts, die sein Team ihm freundlicherweise übrig gelassen hatte. Damian seufzte. Er fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Haare, ehe er sich über das Gesicht rieb. Die Bartstoppeln knisterten. "Was soll ich zu Hause, Stan?," fragte er müde. "Wo bist du gewesen?" Stan ließ sich kauend auf der Kante von Trudys Schreibtisch nieder. Dann erzählte er von Izzys Anruf. Er schob den Rest des Doughnuts in den Mund, wischte die Hände an der Hose ab und nahm das Schild "BIG BOOTY TRUDY" in die linke Hand. Er fuhr mit dem rechten Zeigefinger über die Buchstaben. Er hoffte wirklich, dass die Sache gut ausging."Und was sagt Moreno?," wollte Damian wissen. "Er hat Angst bis in die Haarspitzen. Er sagt, es gehen mindestens zehn Morde auf das Konto des Zauberers." Stan stellte das Schild wieder auf den Schreibtisch. Irgendwie wirkte es wie ein positives Omen, dass es dort stand. "Hoffentlich bringt die Untersuchung des Telefons was."Stan rutschte vom Schreibtisch und holte seine Tasse aus seinem Büro. Als er sie füllte sagte er: "Izzy ist sich sicher, dass niemand ihn, Rico und Sonny belauschte und Sonny, mit dem ich telefonierte, nachdem ich Izzy abgesetzt hatte, bestätigt Morenos Version."Stan gab Milch und Zucker in den Kaffee. Eigentlich wäre es besser auf irgendwas koffeinloses auszuweichen. In seinem Magen spürte er nämlich bereits den unangenehmen Druck, der entstand, wenn er zuviel Kaffee trank. Er setzte sich auf Damians Schreibtischkante, Tasse rechts, Doughnut links in der Hand. "Geh nach Hause. Wir treffen uns um sieben wieder hier. Vielleicht gibt es bis dahin Neuigkeiten aus dem Labor." Einen Moment später war Stan allein. Er ging in sein Büro, machte es sich hinter dem Schreibtisch bequem und dachte wieder an EL GRANDE MAGO. Irgendwann zwischen 1984 und 1989 hatten Sonny und Rico ihn festgenommen. Ob er dann gleich in Bolton oder in einem anderen Gefängnis gelandet war, vermochte Stan nicht zu sagen. Er wusste jedoch, dass einige dieser Verbrecher zwischendurch verlegt worden waren, aber er beschloss, sich nur auf die zu konzentrieren, die von Anfang an im C - Block des Bolton - Staatsgefängnisses gelandet waren. - Erst mal jedenfalls. Die Untersuchung konnte er schließlich immer noch ausdehnen. Stan schaltete den Computer ein. Er schickte eine sehr dringlich formulierte Anfrage an die Kollegen in Bolton und bat um eine Liste aller Gefangenen, die entsprechend lange Haftstrafen hatten absitzen müssen, im C - Block gewesen und vermutlich zwischen 2005 und 2007 entlassen worden waren. Er wartete, stand auf und lief herum. Er sah aus dem Fenster auf die Lichter der Stadt, die niemals völlig verlöschten. Irgendwo in diesem Lichtermeer hockte EL GRANDE MAGO wie eine gigantische Spinne und bereitete seinen Deal vor.Vielleicht besaß er auch die Unverfrorenheit sich mit irgendeiner Frau in seinen seidenen Decken herumzuwälzen und Horizontal - Gymnastik zu betreiben, während es den Geiseln möglicherweise schlecht ging. Der Computer gab ein Signal von sich und Stan eilte zum Schreibtisch zurück. Es handelte sich tatsächlich um eine Nachricht aus Bolton. Der Kollege dort hatte offensichtlich die Dringlichkeit der Anfrage verstanden und trotz der nachtschlafenden Zeit sofort geantwortet.Stan rief die Nachricht ab und stellte fest, dass seine Beschreibung auf 223 Insassen passte. 93 davon hatten Crockett und Tubbs verhaftet.Stan seufzte. Es würde eine lange Nacht werden! - Und ein aufregender Tag! IM NÄCHSTEN KAPITEL: AUF DEM WEG NACH ST. ANDREWS ISLAND
Link to comment
Share on other sites

29. AUF DEM WEG NACH ST. ANDREWS ISLANDSanchez hatte erklärt, sie sollten am nächsten Morgen um sechs im Jachthafen sein, um dort jeder einen Schlüssel für ein Schnellboot zu übernehmen. Dann sollten sie nach St. Andrews Island fahren, um dort die Ladung zu übernehmen. Die Koordinaten für die Abholung und Anlieferung fänden sie auf einem Zettel in den Booten. Auf dem einen Boot läge außerdem ein Handy für weitere Informationen. Irgendwann danach meldete sich Stan, um zu erzählen, dass er Izzy hatte retten müssen, sie jetzt aber vielleicht die Fingerabdrücke einer Frau hätten, die in direkter Verbindung zu EL GRANDE MAGO stünde."Hoffen wir, dass es nicht Rachel Anderson war," fügte er hinzu. "Die ist nämlich wie vom Erdboden verschluckt. Ich schicke euch gleich trotzdem mal ihr Phantombild." Die Nacht war kurz gewesen, unterbrochen von Albträumen. Um fünf waren Rico und Sonny wieder auf den Beinen. Sonny schlüpfte in eine sandfarbene Hose, ein fliederfarbenes Shirt und ein helles Leinenjackett. Er schnallte sein Wadenholster um, prüfte kurz seine Waffe, ehe er sie hineinsteckte,und verließ das Zimmer. Auf dem Flur traf er Rico, der sich für grau - blaue Hosen, ein hellblaues Hemd und ein zur Hose passendes Jackett entschieden hatte.Sonny zog die Augenbrauen hoch. "Morgen, Tubbs. Heute ohne Schlips?""Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich befürchte, ich könnte ihn nehmen und jemanden erdrosseln," knurrte Rico, während sie durch den stillen Flur zum Aufzug gingen. Sie verließen das Motel. Rico kaufte den Herald, um nach dem Artikel von Graham Foster zu suchen, während Sonny Kaffee und Croissants besorgte."Hier ist er," sagte er, als Sonny zurückkam. Er nahm einen Pappbecher entgegen und probierte. Prompt verbrannte er sich die Zunge. Er verzog das Gesicht und beschloss, den Kaffee erst mal abkühlen zu lassen. Den Becher in der linken Hand haltend las er: "Wie erst jetzt bekannt wurde kamen bei einem tragischen, spektakulären Verkehrsunfall nahe der kolumbianischen Stadt Bogota am Samstag vier Touristen, die Brüder des ehemaligen Vice - Lieutenants Martin Castillo, ums Leben. Aus ungeklärter Ursache kam der Wagen von der Straße ab, überschlug sich und stürzte einen Abhang hinunter. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsmaßnahmen verstarben alle vier Fahrzeuginsassen noch am Unfallort. Sie sollen heute nach Miami überführt werden." Sonny schob das letzte Stück des Croissants in den Mund und sagte: "Überführen würde ich auch gern jemanden."Rico nickte und während Sonny den Motor startete, kümmerte er sich um seine beiden Croissants.Dann fuhren sie zum Jachthafen. Rico dachte daran, dass er gleich dorthin fuhr, wo damals alles anfing. Mit halbem Ohr lauschte er "Still haven´t found what I´m looking for."Unterwegs erreichte sie Stans SMS mit dem Phantombild von Rachel Anderson. Sonny meinte, sie schon gesehen zu haben, aber auf Anhieb fiel ihm nicht ein wo. Im Jachthafen erwartete sie eine Frau mit langen, schwarzen Haaren. "Rachel Anderson," murmelte Sonny,als sie auf die Frau zugingen, die lässig an einer Bank lehnte. Er spürte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er musterte die Frau, die sich in EL GRANDE MAGO´s Auftrag an Billy heranmachte und die Dienstmarke stahl. Ihr Gesicht war schmal, die Augen dunkelbraun. In ihrem Haar thronte eine Sonnenbrille. Sie war schlank, mit den Rundungen genau an den richtigen Stellen. Sie trug ein weißes Kleid, dessen tief ausgeschnittenes Vorderteil aus zwei sich über dem magen kreuzenden Stoffbahnen bestand, die hinten im Nacken aufeinandertrafen. Der Rock des Kleides war eng und endete eine Handbreit unter dem Hintern. Plötzlich dämmerte Sonny, woher er sie kannte. Sie war in Tom´s Bar gewesen, hatte ihn gemustert und angelächelt. Und er Idiot hatte sich vorgenommen noch mal in die Bar zu gehen, wenn alles vorbei war, und nach ihr Ausschau zu halten. Rachel lächelte Sonny an. Er und Rico blieben auf Armeslänge entfernt von Rachel stehen. Rachel machte einen Schritt nach vorne. Sie stand nun so dicht vor Sonny, dass der Herald nicht mehr dazwischen gepasst hätte. Sie roch nach Chanel No. 5 und der Wind wehte eine Strähne ihres langen Haares in Sonnys Gesicht. Irgendwo dümpelte ein Boot gegen den Anleger und über ihnen schrie eine Möwe. "Dein Sohn sieht dir verdammt ähnlich, Crockett," stellte sie fest. Nun hob sie die linke Hand mit den langen, weiß lackierten Nägeln, fuhr über Sonnys Wange und fragte provozierend: "Lässt du dich auch so leicht rumkriegen wie dein Sohn?"Von Sonny unbemerkt griff sie mit der rechten Hand in seine Tasche und stahl den Schlüssel für die Corvette. Sonny packte zu und hielt ihre linke Hand fest. "Fahr deine Krallen wieder ein, Schätzchen. Ich stehe nicht auf solche wie dich."Sie lächelte geheimnisvoll wie die Mona Lisa und gurrte: "Sonntagabend hätte ich dich rumkriegen können. Wetten?" Sonny ging nicht darauf ein, aber er wusste, dass sie Recht hatte. Er hielt immer noch ihre linke Hand fest, aber jetzt, wo er wusste, was für eine sie war, konnte er ihrem Blick mit Verachtung begegnen."Du hast was für uns?," fragte er nur. Rachel entzog ihm ihre Hand. Das Lächeln verschwand, als sie mit links die Handtasche öffnete, die über ihrer rechten Schulter hing. Geschickt ließ sie den Schlüssel für die Corvette hineingleiten und holte die Schlüssel für die beiden Boote heraus."Die Blizzard," sagte sie, schob den Ring, an dem der Schlüssel hing, über ihren Zeigefiner, den sie Sonny entgegenstreckte. Mit unbewegtem Gesicht zog Sonny ihn ab.Rachel hielt Rico den anderen Schlüssel hin. "Die Thunderstorm." Ohne ein weiteres Wort eilten Rico und Sonny zu den Booten. Es war windig an diesem frühen Morgen. Ringsum war es ruhig. Die einen hatten sich gerade erst schlafen gelegt, die anderen waren noch nicht aufgestanden. Nur die Möwen drehten schreiend ihre Runden und das Geräusch eines gerade gestarteten Flugzeugs durchschnitt die Stille. Rachel sah den beiden Männern nach. Dann holte sie lächelnd ihr Handy und den Corvette - Schlüssel heraus. Sie wählte eine Nummer, blickte, das Handy am rechten Ohr, auf den Schlüssel in ihrer offenen linken Hand."Ich habe ihn," sagte sie zufrieden. "Es war ganz leicht." IM NÄCHSTEN KAPITEL: IM DSCHUNGEL
Link to comment
Share on other sites

30. IM DSCHUNGEL DienstagmorgenTrudy ging es schlecht. Alessio hatte sofort bestimmt, dass sie Trudy abwechselnd tragen würden und er sagte deutlich, dass er auf schnelle Hilfe hoffte. Dann nahm er Trudy auf den Arm, während Abhisit die Wasserflaschen transportierte. Alessio dachte an Ross` Worte. Billy war der "Crockett - Bengel", Abhisit der Sohn von Castillo. Demnach musste er der "Tubbs - Bengel" sein. Er kannte jedoch niemanden, der so hieß und seine Großmutter hatte diesen Namen auch nie erwähnt.Sie hatte ihm, wenn er es genau überlegte, fast nichts über seine Eltern erzählt. Seine Muter wäre eine Geschäftsfrau gewesen, sein Vater ein Beamter. Ende! "In welche Richtung sollen wir gehen?," fragte Abhisit vor der Hütte.Alessio ließ den Blick schweifen, aber alles sah gleich aus. "Ross fuhr nach rechts. Also gehen wir auch dorthin," sagte er und marschierte los. Trudy lag wie eine Stoffpuppe auf seien Armen. Nur ab und zu seufzte sie leise. Er sah die Schweißperlen auf ihrer Stirn und fühlt das Fieber, dessen Hitze aus allen Poren drang. Mindstens neununddreißig, schätzte er. Das Bein sah auch fürchterlich aus. Dick geschwollen war es und er konnte die Verfärbungen um die Bissstelle herum erkennen. Der Dschungel nahm sie auf. Zum Glück war es bereits relativ hell. Die Sonne suchte sich ihren Weg durch das Blätterdach und malte Muster auf den unebenen, mit chlaglöchern und Wurzeln übersäten Weg. Überall raschelte und knackte es. Der Dshungel erwachte. Die Bewohner zwitscherten, sangen, schrieen, zirpten und piepsten. Mit lautem Flügelschlagen verließ ein Vogel seinen Schlafplatz auf einem Ast über ihnen. Während er versuchte mit seiner Last auf dem Arm nicht zu stolpern, dachte Alessio wieder über Ross´ Worte nach. Aus Trudys Erzählungen wusste er, dass Billys Vater Sonny damals in den 80er Jahren einen Partner namens Ricardo Tubbs gehabt hatte. Aber dieser Tubbs konnte nicht sein Vater sein. Sein Vater hate für eine Behörde gearbeitet...Das tun Polizisten auch, dachte er, aber seine Großmutter hatte gesagt, seine Eltern wären bei einem Unfall umgekommen. Trudy lenkte ihn ab. Sie seufzte. Ihre Lider flatterten. "Wasser," bat sie leise.Sie blieben stehen. Billy nahm eine der Wasserflaschen, die Abhisit trug. Keine war mehr als halbvoll. Es zischte, als Billy den Verschluss aufschraubte, und Trudy leckte sich in Erwartung des köstlichen Nass über die durch das Fieber aufgesprungenen Lippen.Billy hielt ihr die Flasche an die Lippen. "Trink langsam," bat er. Trudy griff nach der Flasche, um sie weiter zukippen. Ihr Mund fühlte sich so trocken an wie heißer Wüstensand und ihre Zunge war dick und pelzig. Etwas Wasser lief vorbei und sie fühlte, wie es Richtung Hals lief. Dann kam der Hustenreiz. Billy nahm die Flasche weg - und Trudy erbrach sich auf seine Schuhe. Die Männer wechselten einen besorgten Blick. Billy schraubt die Flasche zu, legte dann prüfend die Hand auf Trudys Stirn. "Heiß wie die Hölle," murmelte er.Sie gingen weiter."Ricardo Tubbs, was weißt du über ihn, Billy?," fragte Alessio, während er den Weg im Augen behielt. Auf diesem Stück war die Verwurzelung besonders stark und die Schlaglöcher tief."Eigentlich fast nichts," gestand Billy. "Meine Eltern ließen sich in dem Jahr scheiden, in dem mein Vater und Tubbs Partner wurden. Da wr ich sechs... Soll ich Trudy ein Stück tragen?"Alessio schüttelte den Kopf. "Nein, es geht noch." Er umrundete ein Schlagloch, trat aber gegen eine Wurzel, die ein Stück aus dem Boden ragte. Im letzen Moment fing er sich, unterstützt von Billy, der instinktiv nach seinem Arm gegriffen hatte. Über ihnen schrie ein Vogel. Es klang, als ob er lachte. Eine Weile marschierten sie schweigend den Weg entlang, der einfach kein Ende nehmen wollte. Aber Alessio war sicher, dass Ross hierher gefahren war und eine Abzweigung hatten sie bisher nicht entdeckt. Oder hatten sie sie übersehen? Trudy seufzte wieder. Sie öffnete die Augen, blickte Alessio an und machte dann eine halbherzige, wegwerfende Handbewegung. "Kein´ Gefall´n heut´, Rico," murmelte sie. Dann dämmerte sie wieder weg. Einen Moment später gab Alessio sie an Billy weiter und Abhisit, der den Boden inspizierte, verkündete: "Hier ist ein anderer Weg. Reifenspuren sehe ich auch. Vielleicht ist Ross her abgebogen.""Und ich höre Motorengeräusche," sagte Alessio alarmiert. "Ich glaube, sie kommen zurück und dann bringen sie uns um!" Billy und Abhisit hörten es auch. Es klang nach einem Jeep und es kam eindeutig von vorne auf sie zu. Da hinter ihnen aber nur die Hütte lag, aus der sie geflohen waren, konnte es nur bedeuten, dass Alessio Recht hatte. Wahrscheinlich hatte Ross Verstärkung geholt, um sie zu töten und die Leichen zu beseitigen.So schnell wie möglich verschwanden sie in dem Nebenweg und liefen, bis sie glaubten sicher zu sein. Der Jeep brauste vorbei. BIlly ließ Trudy auf den Boden sinken und schnappte nach Luft. Er hatte erst vor sechs Wochen aufgehört zu rauchen und seine Lungen hatten sich noch nicht regenriert. Er hätte gern ein paar Minuten einfach da gesessen, bis er wieder richtig atmen konnte und der Puls nicht mehr versuchte aus seinen Ohren zu springen. Alessio ließ ihm jedoch keine Zeit. "Wir müssen verschwinden," drängte er. "Wenn sie sehen, dass wir weg sind, werden sie nach uns suchen." Er sah sich um. "Vielleicht können wir parallel zu dem Weg gehen, auf dem der Jeep gerade kam. Das wird nicht einfach, aber es ist unsere einzige Chance zu entkommen." Billy erhob sich. Er rückte rudy auf seinem Arm zurecht, damit er sie besser tragen konnte. Er betrachtete sich die Vegetation ringsum. Das Gras stand hoch. Irgendein Schlinggewächs mit rosa Blüten kroch dazwischen her. Eine gefährliche Stolperfalle. An einem Baum, von dem armdicke Schlingpflanzen herabhingen, machte er eine Schlange aus. Vermutlich ein Python, aber im Gras gewahrte er per Zufall eine weitere, grüne und deshalb gut getarnte Schlange. Aus diesem Grund hielt er Alessios Vorschlag für gefährlich."Wir sollten ihren Weg benutzen und die Ohren offen halten," widersprach er. "Sie rechnen nämlich nicht damit, dass wir hier lang gehen."Sie kehrten auf den Weg zurück und gingen weiter in die Richtung, aus der der Jeep gekommen war. Nur einen Moment später kam ein weiteres Fahrzeug und sie schlugen sich erneut in die Büsche. Ein schwarzer Ford Kombi fuhr langsam vorbei. Alessio, der die anderen beiden überragte, sah einen älteren, grauhaarigen Mann am Steuer. Er war allein und blickte starr geradeaus. Trudy übergab sich erneut. Sie verlangte nach Wasser, aber auch das war schneller draußen, als sie es trinken konnte. "Weiter!", kommandierte Billy. Er hoffte, dass nicht noch mehr Gangster zur Hütte fuhren und er fragte sich, woher sie wissen solltendass der Fahrer eines Wagens OK war, wenn heute fröhliches Gangstertreffen im Dschungel war. Etwa fünfzen Minuten später erreichten sie den Hauptweg. Abhisit hatte inzwischen Trudy übernommen, die das Bewusstsein endgültig verloren hatte.Immer wieder wandte sich einer von ihnen um, denn es war sehr seltsam, dass kein Fahrzeug zurückkam. Inzwischen mussten die Männer längst die Umgebung der Hütte abgesucht haben. Plötzlich schnüffelte BIlly. "Riecht ihr das?""Rauch!," antwortete Alessio. Er drehte sich um, denn nun war auch Motorengeräusch zu hören. Das Geräusch kam eindeutig aus dem Weg, der zur Hütte führte. Von dort wehte der Wind auch die Rauchwolken herüber.Schnell schlugen sie sich in das Gebüsch links am Wegesrand. So, wie es aussah waren sie in den allergrößten Schwierigkeiten. IM NÄCHSTEN KAPITEL: MORGENS IM VICE - BÜRO
Link to comment
Share on other sites

31. MORGENS IM VICE - BÜROGina tauchte bereits um halb sieben wieder auf, zusammen mit Sarah und Ramona. Gina hatte eine Riesentüte frisch gebakener Croissants im Arm, die geradezu verführerisch dufteten.Ramona schaltete das Licht ein, Gina legte die Tüte auf ihren Schreibtisch und eilte zu Stans Büro. Dort brannte Licht. Als sie eintrat fand sie Stan mit dem Kopf auf einem Aktenstapel liegend an seinem Schreibtisch sitzend vor. Er schlief und schnarchte leise. Der Computer lief. Sarah besorgte Wasser und kochte erst mal Kaffee. Gina blickte auf die Uhr. "Sonny und Rico sind jetzt unterwegs. Hoffentlich geht alles gut," seufzte sie.Sarah zählte die letzten Löffel Kaffeemehl ab, schloss den Filter und schaltete die Maschine ein. "Das sind doch erfahrene Polizisten," versuchte sie Gina zu beruhigen. In der Tür tauchte Stan auf. Seine Haare standen wirr in alle Richtungen, dicke Ringe lagen unter seinen blutunterlaufenen Augen und Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht. Sein Hawaii - Hemd war vollkommen zerknittert. Wie ein Lieutenant sah er nicht aus. Stan fuhr sich durch die Haare, kam herbei und plumpste auf Damians Schreibtischkante. "Morgen," grummelte Stan, sah Gina an und fragte: "Wusstest du, dass Cockett und Tubbs in ihrer fünfjährigen Zusammenarbeit dreiundneunzig Topdealer nach Bolton gebracht haben?"Gina öffnete die Croisanttüte, ging zu Stan und hielt sie ihm unter die Nase, aber Stan lehnte ab."Dreiundneunzig?," fragte Gina. "Hast du die etwa alle letzte Nacht überprüft?" Gina hielt Sarah die Tüte hin. Sie griff ebenso zu wie Ramona."Nur siebenundvierzig. Wollt ihr ein paar von den restlichen sechsundvierzig haben?" Er rutschte vom Schreibtisch, ging in sein Büro und kehrte mit etlichen Akten zurück, die er großzügig verteilte, gerade, als Ben und Angela hereinkamen. Gina lächelte. Ben und Angela erinnerten sie immer an Sonny und sie selbst. Vielleicht hatte sie Sonny nicht ganz so offen angehimmelt wie Angela es bei Ben tat, aber die Situation war ähnlich. Ben war seit Oktober von Joana geschieden, aber auf seinem Scheibtisch stand immer noch ein Foto von ihr. Ben knabberte nach wie vor an der Trennung und war noch nicht bereit für eine eine neue Beziehung. Angela sah es nur leider nicht oders ie hoffte, Ben würde Joana vergessen, wenn er mit ihr zusammen war. Gina hätte ihr sage können, dass das nicht funktionierte. Sie war mit Sonny zusammen gewesen...ab und zu, aber innerlich war er stets rastlos gewesen, weil er Caroline nicht vergessen konnte. "Hat die Untersuchung der Fingerabdrücke eigentlich schon irgendwas ergeben?," fragte Gina, als sie mehrere Akten von Stan in Empfang nahm. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und holte erst mal ein Croissant für sich selbst aus der raschelnden Tüte. "Fingerabdrücke?," fragte Angela, nahm mit rechts einige Akten in Empfang und fischte mit links geschickt ein Croissant aus der Tüte.Während sie aßen erzählte Stan von Izzys Anruf, dem Gespräch, das er belauschte, den Fingerabdrücken, die das CSI gesichtert und wohin er Izzy gebracht hatte."Es ist zwar nicht das luxuriöseste Sicherheitsversteck, das wir haben, aber wahrscheinlich der komfortabelste Ort, an dem Moreno je gewohnt hat," sagte Stan am Schluss. Er hörte sein Telefon läuten und eilte in sein Büro. Es klang großartig, das zu sagen. Er nahm den Hörer ab. "Lieutenant Switek," meldete er sich. Das klang wirklich toll und er grinste. Dann aber lauschte er und das Grinsen machte ungläubigem Staunen Platz."Bist du sicher?," fragte er. Er sank auf die Kante seines Schreibtischs und versuchte gleichzeitig einen Blick durch die offene Bürotür zu werfen. "Nein! Um Himmels Willen, Carla, ich zweifle deine Kompetenzen nicht an," wehrte er ab. "Ich bin nur...überrascht. Danke." Er legte auf, eilte nach nebenan, aber nur Ben und Gina waren da. Sie sahen gleichzeitig zu Stan hinüber, der sich mit der linken Hand am Türrahmen abstützte und erklärte: "Carla hat die Fingerabdrücke aus der Telefonzelle untersucht. Ich weiß jetzt, wer die Verbindung zu EL GRANDE MAGO ist." IM NÄCHSTEN KAPITEL: EINE BÖSE ÜBERRASCHUNG
Link to comment
Share on other sites

32. EINE BÖSE ÜBERRASCHUNGRico hatte den Zettel mit den Koordinaten zu seinem Handy in die rechte Tasche seines Jacketts gesteckt, ehe er es auszog und auf der Sitzbank deponierte. Das Handy, das bei dem Zettel gelegen hatte, schob er in eine Halterung unweit des Steuers, ehe er hinter Sonny her fuhr. Unterwegs dachte er an die Bootsfahrt vor 24 Jahren, sein Treffen mit Angelina am Strand von St. Andrews Island, ihr Tanz auf dem Jambaroo - Festival, und an ihre Schreie, als ihr Vater, sein Feind, Orlando Calderone, starb. Die Bilder ihres Wiedersehens ein Jahr später schossen ebenso durch seinen Kopf wie ihr verzweifelter Blick in der Leuchtturm - Bucht, nur Minuten, bevor sie entschied ihr Leben für ihn zu opfern. Es erschien Rico wie eine Ironie, dass er wieder auf dem Weg nach St. Andrews Island war, und dass ihr Ziel der Strand war, an dem er und Angelina sich damals das erste Mal begegneten. Irgendwann auf hoher See hörte er sein Handy klingeln. Da er vermutete, es könnten Stan oder Gina sein, nahm er Fahrt zurück und eilte zur Sitzbank, um sein Handy aus der Tasche zu ziehen. Er stöhnte auf, als er Alainas Nummer erkannte. Er drückte auf den Knopf und sagte: "Morgen, Alaina. Was auch immer dein Problem ist, ich habe jetzt keine Zeit. Ich stecke mitten in einer wichtigen Ermittlung.""Aber, Dad, es ist...," begann Alaina, wurde aber unterbrochen, weil Rico sah, dass Sonnys Boot kleiner und kleiner wurde. "Ich rufe dich zurück," versprach Rico. Dann drückte er Alaina weg, steckte das Handy wieder in die Tasche und gab Gas, um Sonny einzuholen. Was Rico beunruhigte war die Tatsache, dass es erst acht Uhr war, und dass Alaina, die gerade Ferien hatte, eigentlich eine Langschläferin war. Er hoffte nur, dass in New York nichts schlimmes passiert war.Dennoch ignorierte er das Handy, als es wieder zu läuten begann. Er musste sich jetzt auf die vor ihm liegende Sache konzentrieren, enn vor ihm am Horizont tauchte St. Andrews Island auf. Sonnys Handy klingelte ebenfalls und, wie Rico, vermutete er, es könnten Stan oder Gina sein. Es war jedoch Jenny, die nach einem freundlichen Morgengruß erklärte: "Luke Sanders steht neben mir. Er wollte dir am Sonntag schon irgendwas wichtiges sagen. Hast du einen Moment Zeit für ihn?" Sie klang genervt. Sonny vermutete, dass Luke sie seit Sonntag traktierte und sie nun einfach genug hatte. "Sag ihm, ich rufe ihn heute Nachittag zurück," sagte Sonny."Es ist wegen der Fowler!,"schrie Luke im Hintergrund. Es piepte, dann war das Gespräch weg. Sonnys Akku war leer. Er fluchte. Warum waren die Dinger immer im falschen Moment leer?Über ihm schrie eine Möwe. Es klang, als machte sie sich über ihn lustig und er warf giftige Blicke nach oben, die den Vogel nicht im geringsten beeindruckten.Am Horizont tauchte St. Andrews Island auf, aber Sonnys Gedanken waren in West Palm Beach. Was mochte Luke gemeint haben? War mit Georgy irgendwas passiert? Hatte sie einen Unfall gehabt?Sonny fluchte erneut und beschloss, Luke am Nachmittag wirklich anzurufen. Er musste herausfinden, was mit Georgy passiert war! Rico folgte Sonny an den Strand. Es schien, als wäre hier die Zeit stehengeblieben. Er entdeckte die kleine Baumgruppe, wo er nach der ersten Begegnung mit Angelina auf Sonny traf, und von wo aus er beobachtete, wie Angelina zu einer Jacht gebracht wurde, auf der er dann Calderone entdeckte. Rico konnte sie vor sich sehen, wie sie ausgesehen hatte, als er sie zum ersten Mal sah: Weißes Kleid, weißer, breitkrempiger Hut, die Farbpalette in der linken, den Pinsel in der rechten Hand.Jetzt aber standen dort zwei Range Rover und insgesamt acht Männer, von denen vier bewaffnet waren. Mit einem Blick erkannte Rico, dass zwei Männer mit M4 Carabine ausgestattet waren, einem Gewehr, dessen Stangenmagazin 100 Schuss hatte, und das auf 500 m jedes Ziel punktgenau traf. Die beiden anderen hatten Desert Eagle in den Händen, deren Magazine je neun Schuss beinhalteten. Neun für ihn, neun für Sonny...für jeden neun zuviel. Rico und Sonny warfen die Anker, als sie so nah wie möglich an den Strand gefahren waren."Aussteigen!," kommandierte ein Mann und wies mit seiner M4 zum Strand.Rico und Sonny gehorchten. Rico presste die Lippen zusammen. Er hasste es, wenn Wasser in seine Schuhe drang und sie ruinierte. Das Wasser saugte sich durch den Stoff an seinen Beinen hinauf und klebte die Hose an seine Haut.Sie wateten an den Strand, wo sich die Mündungen der vier Waffen auf sie richteten. Rico musterte den Mann, der hier anscheinend die Befehle erteilte. Er war etwas kleiner als er selbst, ebenfalls schwarz und wirkte muskulös. Das Gesicht war eckig, das Kinn mit dem Grübchen sprang vor und verlieh ihm etwas trotziges. Er besaß volle Lippen, hohe Wangenknochen und eine leicht schiefe Nase. Wahrscheinlich war sie mal gebrochen gewesen. Kaffeebraune, engstehende Augen starrten Rico an. Sein nachschwarzes Haar war kurz. Er trug khakifarbene Hosen und ein gleichfarbiges Hemd, dazu Springerstiefel. Der andere Mann, der eine M4 in den Händen hielt, war Mitte 20, groß und hatte tätowierte Oberarme. Seine Haare waren igelkurz und hellblond gefärbt, die Augen braun. Die beiden anderen Bewaffneten waren jung und schwarz, die vier Unbewaffneten waren südamerikanischer Herkunft. Sie luden nun die Kisten mit den Drogen aus den Range Rover in die Boote und sie waren gerade fertig, als ein Wagen kam. Zwei Bewaffnete, der "Boss" und der "Igelköpfige", kamen zu ihnen und blieben so dicht hinter ihnen stehen, dass die Mündungen der Waffen sie fast berührten. Rico und Sonny drehten sich gleichzeitig um. Ein silberner Jeep von BMW hielt an und eine Frau stieg aus. Sie war schlank, besaß schwarze Locken, ein ebenmäßiges Gesicht und sie trug ein eng anliegendes, hummerfarbenes Kleid, das ihre Figur gut zur Geltung brachte.Sie kam um das Auto herum, blieb dort stehen, schob kurz die Sonenbrille hoch, lächelte und schob sie betont langsam auf ihre hübsche, kleine Nase zurück. Sonny glaubte, dass jemand ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Er blinzelte und hielt die Luft an. Das musste eine Fata Morgana sein. Eine zufällige Ähnlichkeit."Georgy?," brachte er hervor, sie wie einen Geist anstarrend, als sie mit wiegenden Hüften auf ihn zusteuerte.Rico warf ihm einen seienblick zu. "Du kennst sie?""Georgina Fowler, bis Samstag meine Freundin," knurrte Sonny, während Georgina herbeischlenderte und spöttisch lächelte. Vor ihm blieb sie stehen."So sieht man sich wieder, Sonny," sagte Georgina. Er sah das provokante Lächeln, aber nicht ihre Augen hinter den fast schwarzen Gläsern. In Sonny begann es zu brodeln. Er schnaubte wie ein angriffslustiger Stier."Du hängst in dieser Schweinerei mit drin?," fragte Sonny. Seine Stimme klang gefährlich ruhig. Rico kannte das. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Wenn der Sturm losbrach, hatte Sonny sich nicht mehr unter Kontrolle."Sonny!," murmelte Rico warnend. Nach wie vor waren die beiden M4 und die Desert Eagles auf sie gerichtet. "Dieses Miststück hat mich nur benutzt!," brüllte Sonny.Der Gangster drückte ihm die Waffe in die Nieren. Sonny drehte sich halb um und funkelte den Mann an: "Ja, erschieß mich! Und dann sieh zu, wie du meine 280 kg Koks nach Florida kriegst, denn mein Partner kann nicht die doppelte Menge transportieren!" Rico fasste Sonny beruhigend an die Schulter, denn die vier Bewacher wirkten sehr entschlossen. Mit einem lauten Klacken entsicherten sie ihre Waffen. Eine schnelle, oft geübte Bewegung. Genau so schnell würden sie feuern und von ihm und Sonny blieb dann nur blutiges Fleisch übrig."Bleib ruhig, Sonny!" Sonny hörte ihn nicht. Er starrte jetzt wieder Georgina an und er verspürte einen fast übermächtigen Drang sie zu packen und zu schütteln, bis die ganze Wahrheit aus ihr herausfiel wie das Kleingeld aus einer Spardose. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, jeder Muskel seines Körpers spannte sich vor unterdrückter Wut."Warum? Sag´s mir?," fauchte er schwer atmend."Charlie Glide," sagte Georgina und nahm die Sonnenbrille ab.Sonny stand da, die Hände weiter zu Fäusten geballt, kaum fähig richtig zu atmen und versuchte sich an diesen Fall zu erinnern. Bei der Vielzahl der Fälle, die in seiner Laufbahn auf seinem Schreibtisch gelandet waren, fiel es ihm allerdings schwer.Georgy musterte ihn geringschätzig. Normalerweise starrte man so nur ein widerliches Insekt an, ehe man es totschlug. "Ich habe nicht erwartet, dass du dich erinnerst. Du hast ihn reingelegt, um ihm einen Mord und Drogenhandel anzuhängen. 1985 war das." Die Erinnerung kehrte zurück. Glide war einer der übervorsichtigen Drogenhändler gewesen. Man konnte ihn nie mit den Drogen in Verbindung bringen, egal, was Sonny und die Kollegen versuchten. Dann aber starb Sonnys Freundin Sarah Davis. Sie hatte Drogenpäckchen gescluckt und eins war geplatzt. Über Sarahs Bruder Tim, der für Glide gearbeitet hatte und wusste, dass Sarah die Drogen in Glides Auftrag transportierte, kamen sie an Glide heran. Er wurde schließlich wegen Drogenhandels, versuchtem Mord und Mord an Tim Davis verurteilt. Letzteres hatte sich nur auf Indizien gestützt, weil die Mordwaffe auf Glide zugelassen war. Dennoch lastete das Gericht Glide den Mord an, weil nur seine Abdrücke auf der Waffe gefunden wurden. "Was hast du mit Glide zu tun?," knurrte Sonny. Er atmete schwer vor unterdrückter Wut und er ballte die Fäuste so fest dass die Knöchel weiß hervortraten."Ich mache es kurz, denn ihr seid ja in Eile," sagte Georgy leicht höhnisch. "Charlie Glide war mein Vater. Er und meine Mutter waren nicht verheiratet, aber er sorgte für uns, auch nachdem du ihn in den Knast gebracht hattest. Als ich älter wurde, habe ich ihn häufiger besucht. Du - ihr - habt ihn für einen Mord ins Gefängnis gebracht, den er nicht begangen hatte. Er starb übrigens mit 55."Sie lächelte Sonny an. Herablassend. Arrogant. Kalt. "Dch rumzukriegen war nicht besonders schwer, Sonny. Wärst du nicht der miese Dreckskerl, der Scheißbulle Sonny Crockett...!" In diesem Moment expodierte Sonny. Er donnerte dem Schwarzen, der hinter ihm stand, den linken Ellbogen ins Gesicht und machte eine halbe Drehung, weil der Kerl schoss. Dann packte er ihn und benutzte ihn als Schutzschild. Ihm mit dem linken Unterarm die Kehle zudrückend, riss er ihm mit rechts die M4 aus der Hand und feuerte auf die anderen Männer. Die Schüsse, die sie auf ihn abgaben, trafen vor allem den Schwarzen, der regelrecht durchgeschüttelt wurde. Eine Kugel streifte Sonny über dem rechten Ohr und für eine Sekunde glaubte er, sein Kopf würde platzen. Rico hatte es geahnt und wie oft in früheren Zeiten, reagierte er fast synchron zu Sonny. Sein Ellbogen traf den jungen Weißen mit der blonden Igelfrisur mit aller Wucht in den Magen. Der Kerl, der damit nicht gerechnet hatte, klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Rico griff nach der M4, versetzte dem Blonden einen gewaltigen Stoß und katapultierte ihn gegen einen der jungen Schwarzen, der gerade seine Desert Eagle abfeuerte. Die Kugel, die eigentlich für Rico bestimmt war, traf den Blonden von hinten ins Herz. Rico ließ sich fallen, rollte herum Richtung Meer, feuerte und kam wieder auf die Beine. Er rannte auf die Thunderstorm zu. Er lief im Zickzack, geduckt und auf die Kerle feuernd, die die Boote beladen hatten, und nun plötzlich auch Waffen in den Händen hielten. Er verspürte einen Schlag an der linken Schulter, als ein Geschoss ihn streifte. Warm lief das Blut an seinem Arm hinunter, während um ihn herum der Sand aufspritzte und etliche Kugeln mit hellem Geräusch von den Fahrzeugen abprallten. Rico ignorierte den Schmerz an der Schulter und feuerte auf einen Mann, der am Boden liegend auf ihn zielte. Dessen Stirn war wie eine Zielscheibe. Rico feuerte. Der Kopf des Mannes explodierte wie eine überreife Tomate. Rico wirbelte herum und rannte weiter. HInter ihm ertönte eine Explosion und als er kurz über die Schulter blickte, sah er, dass es einen der Range Rover erwischt hatte. Dann war es vorbei. EL GRANDE MAGO´s Männer lagen tot am Boden und auch Georgy lebte nicht mehr. Irgendeine der - vermutlich - ganz am Anfang herumfliegenden Kugeln hatte sie mitten ins Herz getroffen, als sie zu fliehen versuchte. Sie lag, hab auf der Seite, mit dem Rücken zum BMW am Boden, ihr Blick starrte ins Leere. "Jetzt können wir nur hoffen, dass der Zauberer nicht auf eine Rückmeldung seiner Leute wartet," meinte Rico und inspizierte kurz seine Schulterverletzung, aber sie war harmlos, wenn auch schmerzhaft. "Hättest du dich nicht beherrschen können?""Nein," knurrte Sonny. Ein regelrecht angewiderter Blick traf Georgy. Die Wunde über seinem rechten Ohr blutete. Ein roter Streifen zog sich über das Ohr zum Hals hinunter. In seinem Ohr war ein unangenehmes Pfeifen und ab und zu sah er plötzlich Sterne oder die Umgebung verschwamm. "Wie kann man sich so in einem Menschen irren?," fragte er. Dann watete er zur Blizzard. Die Waffe nahm er mit. Rico folgte ihm, kletterte aber in die Thunderstorm. Er war besorgt, denn wenn EL GRANDE MAGO erwartete, dass sich seine Leute meldeten, konnte das Probleme für die Geiseln geben. Falls das nach dem Vorfall in den Florida Villas nicht längst geschehen war.Rico und Sonny starteten die Motoren, fuhren langsam aus dem seichten Wasser hinaus, und machten sich auf den Rückweg nach Miami. IM NÄCHSTEN KAPITEL: IM SCHUTZVERSTECK
Link to comment
Share on other sites

33. IM SCHUTZVERSTECKDamian war gerade hereingekommen, als Stan den Namen der Verräterin nannte. Er hatte kaum geschlafen, hatte sich lange herumgeworfen und war immer wieder hochgeschreckt, weil ihm die Albträume schreckliche Szenarien vorgaukelten: Trudy, die, halb verdurstet, in irgendeinem dunklen Loch lag, die, von EL GRANDE MAGO´s Männer vergewaltigt und verletzt in dem dunklen Loch lag. Vielleicht war sie auch tot und lag irgendwo verscharrt, wo er sie niemals fand. Schließlich war er aufgestanden, um nach einer Dusche schlecht gelaunt ins Büro zu fahren. Er hoffte auf einen anständigen Kaffee, vor allem aber auf positive Neuigkeiten. Jetzt sah er Stan so erstaunt an, als wären ihm ein zweites Paar Ohren gewachsen. Gina riss ungläubig die Augen auf, während Ben fragte: "Bist du sicher?"Stan nickte. "Carla ist sich ganz sicher. Wo ist sie?""Im Waschraum...denke ich... die Hände waschen," stotterte Gina. Dann sprang se auf und sauste hinaus. Sie stürzte den Gang entlang zum Waschraum, rannte fast zwei Kollegen um, und stieß in der Tür zum Waschraum mit Sarah zusammen."Du hast es aber eilig," stellte Sarah fest. "Ist irgendwas passiert?""Wo ist Ramona?," fragte Gina hektisch.Sarah drehte sich um und blickte in den Raum mit den weißen Kacheln und den anthrazitfarbenen Bodenfliesen, obwohl sie wusste, dass niemand darin war. Es war einfach nur eine automatische, ratlose Reaktion."Keine Ahnung, warum? Ist irgendwas...?" Gina stürzte bereits davon, um aus einem der Fenster zu sehen, von denen aus man einen Blick auf den Parkplatz hatte. Ramona Allen fuhr ein zitronengelbes Cabrio mit einem schwarzen Dach. Sie parkte immer nah am Ausgang, aber der Wagen war weg. Ben saß nur eine Sekunde länger still als Gina. "Sie weiß, wo Izzy ist!," rief er, sprang auf, griff nach seiner Jacke und rannte los. Damian folgte ihm.Auf dem Flur begegneten sie Gina, die ihnen zurief, dass Ramona weg war. Die beiden Männer rannten durch das Treppenhaus. Als Damian, der schneller war, im Erdgeschoss die Tür aufstieß, prallte er gegen eine Kollegin aus einer anderen Abteilung. Sie stürzte beinah, fing sich im letzten Moment."Entschuldigung!,"rief Damian, blieb aber nicht stehen. Sie sprangen in Damians Jaguar XKR Coupé und rasten zu den Klängen von "Get on your boots" los."Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!,"stöhnte Ben. "Und Stan verkündete sogar noch laut wo Izzy jetzt ist!""Woher hätte er wissen sollen, dass es in unserem Büro einen Verräter gibt?,"fragte Damian. Er überholte mal rechts, mal links und übertrat so ziemlich jede geltende Verkehrsregel.Ben versuchte im Sicherheitsversteck anzurufen. Wenn er Izzy warnte, konnte er das Haus vielleicht rechtzeitig verlassen. Aber Izzy ging nicht ran. Von rechts kam ein Lastwagen. Der Fahrer sah den Jaguar und drückte auf die Hupe."Dam!,"schrie Ben und riss automatisch die Hände vor das Gesicht.Damian zog den Wagen nach links und umkurvte den Lastwagen haarscharf. Schließlich erreichten sie das Schutzversteck. Sie ließen den Jaguar ein Stück vom Haus entfernt stehen und rannten an der Mauer entlang zu dem schmiedeeisernen Tor. Es stand offen und sie sahen den schwarzen Van am Eingang. Damian und Ben sahen sich an. Sie zogen ihre Waffen, entsicherten sie und nickten sich zu. Dann huschten sie über die Auffahrt von Strauch zu Strauch zum Haus. Dessen Dach war vorgezogen und wurde von weißen Säulen gestützt. Rechts und links neben der Tür war jeweils ein Fenster. Damian gab Zeichen, dass er zur Haustür gehen wollte. Ben nickte und erwiderte per Handzeichen, dass er zur Rückseite gehen würde.Während Damian um den Van herum zur Haustür lief, umrundete Ben das Haus. Er hörte Izzys verzweifelte Stimme: "He, Jungs, jetzt bleibt mal locker. Ich habe keine Namen genannt, weil ich keine Namen kenne und euch habe ich auch nicht gesehen!" Ben presste seinen Rücken gegen die Wand. Auf Armeslänge von ihm entfernt war eine große Glasfront. Sie gehörte zum Wohnzimer und zu einem der Schafzimmer. Von beiden Räumen hatte man einen atemberaubenden Blick über das Meer. Man konnte aber auch die Lamellenvorhänge schließen, wenn es einen nach mehr Intimität verlangte, oder man einfach nur die oft gnadenlose Sonne aussperren wollte. Die Lamellenvorhänge waren geschlossen, aber die Schiebetür stand offen. Ben huschte näher heran und riskierte einen Blick. Izzy saß auf der weißen Ledercouch und er sah nicht gut aus. Er trug keine Brille.Kein Wunder, dass er sagt, er hätte die Kerle nicht gesehen, dachte Ben. Ohne seine Glasbausteine ist Izzy wahrscheinlich blind wie ein Maulwurf. Seine Nase war blutig, unter dem linken Auge verfärbte sich die Haut über dem Knochen und auch seine Lippe war geschwollen und aufgeplatzt. Blutstropfen waren auf seinem Hemd und rote Streifen zogen sich über seine linke Hand, mit der er sich vermutlich über das Gesicht gewischt hatte. Zwei Männer, ein Weißer und ein Asiate standen, die Waffen lässig in den Händen haltend, herum, während ein weiterer Mann, ein Schwarzer, Izzy gerade einen Schlag ins Gesiht verpasste. Izzys Kopf ruckte Richtung Fenster, aber Ben glaubte nicht, dass Izzy ihn gesehen, geschweie denn erkannt hatte. Izzys nächste Worte machten ihm allerdings klar, dass er sich vermutlich geirrt hatte. "Aber ich frage mich natürlich, wie Sie mich finden konnten," sagte Izzy. Er klang wesentlich ruhiger als zuvor. "Und Sie Drei sollten wissen, dass ich kein Freund von Drogen und Schusswaffen bin..."Es schien, als wollte er Ben darauf hinweisen wieviele Gangster sch im Haus aufhielten und dass sie bewaffnet waren."Halt die Klappe, Moreno!," fauchte der Schwarze."Erledigen wir die kleine Ratte endlich und...," sagte der Asiate. "Miami Vice! Waffen fallen lassen!," brüllte Ben und zielte durch die offene Tür. Der Kopf des Mannes, der vor Izzy stand, ruckte zur Tür. Izzy reagierte blitzschnell. Er zog die Beine an und knallte dem Mann seine Füße in die Weichteile. Der Mann klappte nach Luft schnappend zusammen. Der Weiße und der Asiate feuerten auf Ben, der, zurückfeuernd, hinter den Sessel hechtete, der der Glasfront am nächsten stand. Er sah Izzy zu Boden stürzen und hörte, dass Damian die Haustür eintrat. Das Innenleben des Sessels flog ihm um die Ohren, als er von mehreren Kugeln durchschlagen wurde.Ben verspürte einen Schlag gegen die Brust, der ihm den Atem nahm. Sein weißes Hemd färbte sich rot und es fühlte sich plötzlich warm und klebrig an. Er biss die Zähne zusammen, feuerte um den Sessel herum, und sah den schwarzen Gangster zusammenbrechen. Seine Waffe entglitt seinen Händen. Sie knallte auf den Boden und schlidderte davon.Mit einem letzten Blick sah Ben Damian an der Wand hinuntergleiten. Dann verließen ihn seine Kräfte.Mit einem Mal war es gespenstisch still! IM NÄCHSTEN KAPITEL: ANSCHLAG AUF CASTILLO
Link to comment
Share on other sites

34. ANSCHLAG AUF CASTILLOCastillo sah sehr zufrieden aus, als er Paolo die Hände mit Kabelbinder auf den Rücken fesselte. Nachdem Paolo anfangs zögerte, hatte Castillo ein paar der "Überredungstricks" eingesetzt, die sie damals in Thailand benutzten, um Leute zum reden zu bringen. Im Dschungel war man nicht zimperlich. Das hatte auch Paolo ziemlich schnell eingesehen und gesungen wie ein Vögelchen bei Sonnenaufgang. Castillo war sich allerdings nicht sicher, ob er wirklich alles ausgeplaudert hatte, aber nachdem er genug erfahren hatte, schickte er Sanchez ins Reich der Träume. Er verspürte keine Lust sich länger mit dieser Ratte zu unterhalten. Zuerst dachte er darüber nach, die beiden in seinen Kofferraum zu packen und mitzunehmen, aber dann entschied er sich dagegen. Sollten die Kollegen die Gangster abholen. Es schadetet diesen Kerlen nicht, wenn sie ein paar Stunden in der heißen Hütte ausharren mussten. Den Geiseln hatten sie das schließlich auch zugemutet. Castillo schloss nicht mal die Tür ab, nachdem er die Gangster hineinschleppte, denn ohne Hilfe konnten sie sich sowieso nicht befreien.Er blickte auf die Uhr. Es war viertel nach zehn. Genug Zeit, um in die Stadt zurückzukehren, mit Stan zu reden und EL GRANDE MAGO aus seinem Loch zu zerren. Er stieg in seinen Wagen und setzte ein paar Meter zurück. Dort war der Weg breit und er konnte wenden. Den Mann, der dicht hinter den Sträuchern stand, bemerkte er nicht. Alex Kingston hatte sich auf der Suche nach den geflohenen Geiseln etwas weiter von der Hütte entfernt und war zurückgekehrt, nachdem er den ersten Schuss hörte. Er hielt ihn anfangs für das Zeichen dafür, dss die Geiseln gefunden wurden und er umkehren sollte. Dann sah er Victor mit übel zugerichtetem Gesicht am Boden liegen, und Paolo, den Castillo in die Mangel genomme hatte. Paolos Nase blutete, an der Schläfe hatte er eine Platzwunde und das linke Auge war fast zugeschwollen. Sein hellblaues Hemd war voller Blut.Alex sah kurz zu Castillo. Schon als er beobachtet hatte wie der durchtrainierte Mann gegen die Wellen kämpfte, wusste er, dass man ihn nicht unterschätzen durfte. Als er jetzt sah mit welcher Härte Castillo vorging, um Paolo zum reden zu bringen, war er froh, dass er selbst nicht an der Hütte gewesen war. Allerdings würde es dem Boss nicht gefallen zu erfahren, dass Paolo geplaudert hatte. Alex war zu Castillos Wagen geeilt, hatte mit schnellen, geschickten Fingern ein wenig herummanipuliert und dann hinter den Sträuchern gewartet. Er sah, was Castillo entging: Die feuchte Spur, die er hinter sich herzog.Alex grinste. "Bye - bye, Lieutenant Castillo," sagte er. Dann zückte er sein Sturmfeuerzeug, trat aus der Deckung und hielt das Feuer an den ausgelaufenen Sprit. Die Flamme schoss hoch und folgte Castillos Spur. Alex rannte zum Freelander. Kurz blickte er zu der Hütte, wo Paolo und Victor lagen. Dann stürmte er hinein. Paolo sah ihn an. "Hilf mir, Alex," sagte er. Das Sprechen fiel ihm schwer. Sein Gesicht war so stark geschwollen, dass wahrscheinlich seine eigene Mutter Probleme gehabt hätte ihn wiederzuerkennen."Ich will nichts mit einem Verräter zu tun haben," schnauzte Alex ihn an, packte Victor unter den Armen und zerrte ihn hinaus. Er blickte zum Dschungel, wo der Rauch durch die Bäume in den Himmel stieg. Er hörte das Knistern und Knacken der Flammen und die panischen Schreie der Vögel, die sich eilends aus dem Staub machten. Er roch den Rauch, das verbrennende Holz. Der Wind stand günstig. Er fachte das Feuer an und eehte es hinter Castillo her.Dann aber beeilte er sich. Schließlich wollte er heil hier rauskommen! Er packte Victor, der allmählich zu sich kam und stöhnte, auf die Rückbank, stieg ein und raste über einen Weg auf der anderen Seite davon. Er musste Gas geben, denn dieser Weg beschrieb einen Bogen und verlief schließlich parallel zu dem Weg, auf dem Castillo unterwegs war. Alex´ Weg war allerdings weitaus schlechter als Castillos Weg, was die Sache eindeutig erschwerte. Castillo fischte sein Handy aus der Tasche und stellte fest, dass er keinen Empfang hatte. Er knurrte: "Wenn man die Dinger mal braucht...!" Dann steckte er es wieder ein und konentrierte sich auf den Weg. Der Wagen hüpfte immer wieder über Wurzeln und rumpelte durch Schlaglöcher. Er musste das Steuer mit beiden Händen festhalten, damit der Wagen nicht ausbrach. Dann aber lenkte ein Licht im Rückspiegel seine Konzentration auf die Dinge, die hinter ihm geschahen. Castillo blickte in den Spiegel und sah die Flammen, die seinen ganzen Spiegel ausfüllten. Er drehte sich ungläubig um, sah, dass das Feuer an den Bäumen hinaufleckte, Äste und Laub in Brand setzte, angefacht durch den Wind. Funken flogen, brennende Blätter segelten sterbend zu Boden und Äste brachen knackend ab. Castillo trat auf Gas, fragte sich nur kurz, wieso es überhaupt brannte. Dann schob er alle Gedanken fort und konzentrierte sich auf die Fahrt. Der Wagen sprang vom Boden hoch, wenn er über Wurzeln raste, und es versetzte ihm bei jedem Schlagloch einen Hieb in den Nacken. Die Äste kreischten über den Lack, als schrieen sie in Panik um Hilfe. Immer wieder versuchte der Ford auszubrechen. Er schlingerte, rutschte und knallte mit dem Heck gegen einen Baum.Castillo wurde in den Gurt geschleudert. Für einen Moment rang er nach Luft, aber ihm blieb keine Zeit sich zu erholen. Der Wagen wurde durch den Aufprall herumgeschleudert, sodass er mit der Schnauze zur Flammenwand stand. Hektisch fuhr Castillo ein Stück rückwärts, fuhr rechts in das Grünzeug, riss das Steuer herum und trat aufs Gas. Der Wagen schlingerte, der Motor heulte.Kaum hatte er den Wagen wieder unter Kontrolle, knallte das rechte Vorderrad in ein besonders tiefes Schlagloch, dem er auf dem Weg zur Hütte ausgewichen war. Der Wagen stockte, schien allein nicht aus dem Loch herauszukommen. Der Motor heulte, als Castillo erst Vollgas gab, dann den Rückwärtsgang reinknallte, und wenige Meter zurücksetzte, den Blick immer wieder auf die Flammenwand richtend.Wenigstens das Zurücksetzen klappte! Die Feuerwand kam schnell näher. Castillo beschleunigte. Kam nicht bald der Hauptweg? Seinem Gefühl nach zu urteilen war es nicht mehr weit. Da verlor der Wagen an Geschwindigkeit. Ein Blick auf die Tankanzeige machte ihm klar, was passiert war. Sie waren zu dritt gewesen. Der dritte Mann hatte seinen Tank beschädigt und das Feuer gelegt, das nun bis in die Bäume hinaufsprang und von allen Seiten auf ihn zuzukommen schien.Der Motor hustete, spuckte und erstarb dann! IM NÄCHSTEN KAPITEL: AUF DEM WEG NACH KEY LARGO
Link to comment
Share on other sites

35. AUF DEM WEG NACH KEY LARGOSonnys Kopf fühlte sich an, als arbeitete ein winziges Männlein mit einem Presslufthammer darin. Er hatte die Wunde betastet, aber es handelte sich glücklicherweise tatsächlich nur um einen Streifschuss. De Wunde blutete, schmerzte, fachte Sonnys Wut weiter an, aber er würde es überleben. Was ihm weniger gefiel war, dass er immer wieder alles verschwommen sah. Dann kniff er die Augen hinter der Sonnenbrille zusammen und es ging wieder. - Für einige Minuten. Sonny dachte an Georgy und drückte wütend den Gashebel weiter durch. Das Boot schoss durch das Wasser und rechts und links schäumte und spritzte die Gischt auf. Einige Wochen lang ging er jeden Morgen zu NADINE´S CAFÉ, um zu frühstücken. Vielleicht war NADINE´S CAFÉ nicht mit JIMMY JOHN´S vergleichbar, aber der Kaffee schmeckte ihm, die Croissants waren frisch und knusprig... - genau wie Nadine. Sie war 31, Französin, lebte aber bereits seit sechs Jahren in den USA. Sie war schlank, besaß ein schmales Gesicht mit einem hübschen Mund, der immer freundlich lächelte. Dann bildeten sich kleine Grübchen in ihren Wangen. Sie hatte eine Stupsnase, grau - blaue Augen und honigblondes Haar. Ihr Englisch war perfekt, aber ein kleiner Akzent war geblieben, den er einfach süß fand.Deshalb frühstückte er bei Nadine. Außerdem konnte man von der Caféterrasse die Leute beobachten, was sehr unterhaltsam sein konnte. An einem Sonntag hatte plötzlich Georgy neben ihm gestanden. Er hatte erstaunt an ihr hinaufgeblickt: Fantastische Beine, ein royalblauer, enger, kurzer, aber nicht zu kurzer Rock, eine schmale Taille und ein hellblaues Top mit nichts darunter.Um den Hals trug sie eine Goldkette, die aus mehreren umeinander gedrehte Ketten bestand. Das passende Armband schmückte ihr rechtes Handgelenk, links trug sie eine Uhr von Cartier.Schwarze Locken fielen ungebändigt bis auf ihren Rücken und als Sonny in ihr Gesicht blickte, sah er in himmelblaue Augen. Alles an Georgy schien perfekt zu sein. Sie hatte ihn gefragt, ob sie ihm Gesellschaft leisten durfte, was er ihr unmöglich abschlagen konnte. Sie war witzig und unterhaltsam. Er hatte viel gelacht und noch bevor es Mittag war, landeten sie in seinem Bett, aus dem sie erst am Montagmorgen herauskamen, weil Sonny zum Dienst musste. Seitdem waren sie zusammen gewesen. Sonny hatte geglaubt, sie hätte sich in ihn verliebt und er hielt ihr Interesse an seinen Kindern für echt. In Wirklichkeit hatte sie nur ihn und sein Leben ausspioniert. Als sie genug wusste, brach sie den Streit vom Zaun, packte und ging. "Miststück!," knurrte Sonny und blinzelte, weil er mal wieder alles verschwommen sah. Die Kopfschmerzen nahmen ebenfalls zu. Die Sonne leistete da wohl auch ihren Beitrag. Er würde sehr froh sein, wenn alles vorbei war! Rico raste neben Sonny her. Der Streifschuss an seiner linken Schulter brannte, und das in der Sonne getrocknete Blut machte den Ärmel hart und kratzend, aber er kam klar. Er sorgte sich vielmehr um Sonny. Dass der Freund sich immer wieder unbewusst an den Kopf fasste und plötzlich Slalom fuhr, ließ auf Sehprobleme schließen. Aber die Wut und Entschlossenheit, die sich in Sonnys Gesicht spiegelten, machten Rico klar, dass Sonny bis zum Schluss durchhalten würde. Rico hatte schon immer - na ja, meistens - in Sonnys Gesicht lesen können wie in einem Buch. Die Wut, die er jetzt darin sah, und die Art, wie er das Boot über das Meer jagte, waren allerdings mer als beunruhigend. Rico wusste, bis Key Largo würde Sonnys Wut noch weiter aufladen. Sein privates Handy klingelte, aber Rico ignorierte es. Er konnte und wollte jetzt nciht mit Alaina diskutieren. er hatte ihr deutlich gesagt, dass er zurückrufen würde! Rico konnte kum mit Sonny mithalten. Immer wieder gewann der Freund Vorsprung, aber gerade dann sah Rico, dass ds Boot ab und zu schlingerte. Vermutlich immer dann, wenn Sonnys Sehprobleme wieder einsetzten. Rico dachte an Charlie Glide. Der Mann hatte immer behauptet Tim Davis nicht erschossen zu haben. Angeblich wusste er nicht mal davon, bis er im Verhörraum von Vice davon erfuhr. Das war allerdings eine Lüge gewesen, denn Rico erinnerte sich daran, dass Glide gesagt hatte: "Kein guter Tag für die Davis - Familie!" Daraufhin rastete Sonny fast aus und Rico musste ihn bremsen. Glide sagte auch, er hätte nichts von den Drogen gewusst, die Sarah transportiert und an denen sie gestorben war.Vor Gericht hatte er Tim bis in den Himmel gelobt und Mitleid für die arme Familie Davis geheuchelt. Rico hatte Sonny erneut festhalten müssen, damit er nicht im Gerichtssaal ausrastete. Ob Glide schuldig oder unschuldig war, was den Mord anbelangte, hatte sich nie genau klären lassen. Die Beweismöglichkeiten waren damals viel eingeschränkter gewesen als heute.Das Gericht hatte sich deshalb auf die Tatsache gestützt, dass die Waffe auf Glide zugelassen war und es keine Abdrücke einer anderen Person gab, und natürlich konzentrierten sie sich auf die Drogensache. Es ging um hundert Kilo Kokain und den Tod von Sarah. Deshalb wurde Glide schließlich verurteilt. Er hate mehr als genug Dreck am Stecken gehabt. Rico blickte zu Sonny hinüber, der ihm aber nicht einen Blick schenkte. Das Telefon in Ricos Tasche klingelte zum vierten Mal und über ihm kreischten mehrere Möwen in einem postkartenblauen Himmel.Der Countdown lief und es warteten weitere Überraschungen. IM NÄCHSTEN KAPITEL: WEITERE SPUREN
Link to comment
Share on other sites

35. WEITERE SPURENDamian war einen Moment lang benommen. Ihn hatte kein Schuss erwischt, sondern eine kleine Vase aus Metall, die jetzt nicht weit von ihm entfernt ziemlich verbeult am Boden lag. Er hatte eben einen verdammt harten Schädel!Ben musste den entsprechenden Schuss abgefeuert haben. Er traf die kleine Vase, schleuderte sie hoch und katapultierte sie gegen Damians Kopf.Seine Hand betastete die Stirn. Das würde eine hübsche Beule geben! Er würde aussehen wie das letzte Einhorn! Der weiße Gangster hob den Kopf. Sofort zielte Damian mit ausgesteckte Beinen am Boden sitzend auf ihn. Sein Gesicht wirkte entschlossen, was dem Gangster nicht entging. Blinzle falsch und du bist tot, sagte Damians Blick."Nicht schießen!," rief der Mann. "Ich bin Polizist! Angelo Crispi, Dezernat für Bandenkriminalität West Palm Beach. Sonny Crockett ist mein Boss!" Izzy kam seufzend in die Höhe. Sein Gesicht war zugeschwollen. Seine Nase blutete wieder und als er das Blut mit dem Handrücken wegwischte, verschmierte er es zur rechten Wange hin. "Crockett und Tubbs," sagte er. "Seit diese beiden wieder in mein Leben getreten sind, ist es gefährlich und ungemütlich." Damian kam auf die Beine. Ihm wurde kurz schwindelig und er fluchte. Er zwinkerte ein paar Mal, lehnte sich gegen die Wand und atmete langsam durch den Mund. "Können Sie sich ausweisen, Crispi?,"fragte er dann.Angelo nickte und holte vorsichtig seinen Dienstausweis hervor. Solange Damian die Waffe auf ihn richtete, wollte er lieber keine hastigen Bewegungen machen. Er reichte Damian den Ausweis. "Ben?," rief Damian, während er einen Blick auf den Ausweis und, zum Vergleich Foto - Realität, auch auf Angelo warf, ehe er diesen zurückgab. Ben antwortete nicht und Izzy begann wie ein aufgescheuchtes Huhn herumzulaufen und nach ihm zu suchen."Damian Parson, Miami Vice," sagte Damian und reichte Angelo die Hand.Izzy hatte inzwischen Erfolg. "Er ist verletzt, Parson," rief er und blickte über die Lehne des zerfetzten Sessels zu Damian und Angelo hinüber. Damian eilte herbei. Er kniete neben dem Freund nieder, als dieser gerade zu sich kam. Ben griff stöhnend und mit schmerzverzerrtem Gesicht an seinen rechten Rippenbogen. "Ist nicht so schlimm," behauptete er ächzend, als er sich langsam aufrichtete. Damian wies auf Angelo und stellte ihn und Ben einander vor. Dann zog er sein Handy aus der Tasche. "Ob es dir gut geht oder nicht soll der Arzt feststellen," sagte er und wählte den Notruf. "Was tun Sie hier, Crispi?," fragte Damian dann, während sie auf den Rettungswagen warteten.Angelo berichtete ihm von Sonnys Auftrag und sie kamen überein, dass Angelo gleich verschwinden und dann im Lager des Zauberers erzählen sollte, er hätte es geschafft zu fliehen, als die Bullen aufkreuzten.Anschließend tauschten er und Damian Handynummern aus, ehe Angelo durch ein Fenster auf der anderen Seite des Hauses verschwand.Martinshörner ertönten, die sich schnell näherten. Ben hatte sich inzwischen mit Izzys Hilfe vom Boden auf die Couch begeben. Er betonte immer wieder, es wäre überhaupt nicht schlimm. Aber Damian ging nicht darauf ein. Der Rettungswagen und zwei Polizeiwagen hielten vor dem Haus. Zwei Sanitäter und vier Polizisten stürmen herein, aber Damian konnte sie beruhigen. Außer den beiden toten, waren keine weiteren Gangster im Haus. Nachdem Ben fortgebracht worden war, und die beiden toten Gangster in Leichensäcke gepackt wurden, sagte Damian: "Komm, Izzy, fahren wir!""Offen gestanden möchte ich lieber einen anderen Weg wählen als Sie, Parson," antwortete Izzy. "Es ist nicht persönlich, aber Sie werden sicher verstehen, dass mein Vertrauen in die Polizei und Ihr Zeugenschutzprogramm durch diese Angelegenheit stark in Mitleidenschaft gezogen wurde." Damian packte Izzy am Arm, zog ihn aus dem Haus und die Auffahrt hinunter, auf der immer noch die Wagen der Kollegen parkten, die im Haus nach Spuren suchten. "Ich habe jetzt keine Zeit für dein Gejammere, Izzy," sagte er leicht genervt. Izzys schlaue Sprüche waren nie sein Ding gewesen. "Wir hatten eine undichte Stelle, wir wissen, wer es ist, aber sie ist auf der Flucht. Sie hat dich verraten und wenn du da draußen frei herumläufst...""Sie haben mich längst überzeugt, Parson," warf Izzy ein und sein verschreckter Blick huschte herum. Hinter jedem Strauch konnte schließlich der Feind hocken.Sie eilten, sich immer wieder prüfend umblickend, zu Damians Wagen. Auf der Straße war wenig los, abgesehen von den Gaffern, die sich immer einfanden, wenn die Polizei auftauchte, aber bewaffnet war niemand und ein Fahrzeug, in dem jemand saß, wäre ihnen aufgefallen. Nachdem sie ein paar Minuten unterwegs waren, meinte Izzy:"Um den Mann, der versucht hat mein Gesicht neu zu modellieren, solltet ihr euch besonders kümmern."Damian setzte den Blinker und bog ab Richtung Schnellstraße. Im Funkgerät knisterte es, im Radio lief "Kayleigh"."Warum?""Ich weiß nicht viel über ihn, aber er heißt Bruce und er sagte irgendwas, dass er besonders enge, familiäre Bande zum großen Boss hat," entgegnete Izzy und machte es sich im Polster bequem, wobei er missmutig seine blutverschmierten Hände betrachtete."Warum hast du das nicht sofort gesagt?,"fragte Damian ungehalten. Er griff zum Handy, drückte ein paar Mal darauf herum und lenkte dann den Jaguar auf die Schnellstraße."Parson," sagte er. "Der schwarze Tote, der gleich bei euch ankommt, ist besonders wichtig für einen Fall, den wir gerade bearbeiten. Ich möchte deshalb, dass Sie sich zuerst um ihn kümmern." Als er auflegte, knisterte es wieder im Funkgerät. "Der gesuchte gelbe Wagen fährt auf der Collins Richtung Biscayne," sagte eine Frauensimme. "Wir nehmen die Verfolgung auf." Auf dem Expressway war um diese morgentliche Zeit eine Menge Betrieb. Damian brauchte mehrere Minuten, um eine Lücke zu finden, die groß genug war, damit er sich auf eine andere Spur einreihen konnte. "Crockett, Tubbs und Castillo sind in großen Schwierigkeiten," sagte Izzy.Über das Funkgerät kam die Meldung, dass sich weitere Streifenwagen an der Verfolgung von Ramona Allen beteiligten. "Izzy, wenn du irgendwas weißt, was wir auch wissen sollten, dann spuck´s aus!," knurrte Damian. "Es sei denn, du möchtest, dass deine Postadresse Gefängniszelle Nummer Soundso lautet." Izzy stieß ein kleines, meckerndes Lachen aus. Diese Drohung hatte er schon so oft gehört, dass er heute ein reicher Mann wäre, hätte man ihm jedes Mal einen Dollar gegeben."Wissen Sie, es ist wirklich komisch, Parson. Die Zeit ändert sich, die Mode und die Musik auch, das Bild dieser Stadt und manche Gesichter bei Vice, aber die Drohungen ändern sich nie. Crockett und Tubbs drohten ständig mich einzusperren, aber sie taten es nie," meinte Izzy."Ich tue es, denn der Zauberer hat Trudy und wenn ihr was passiert, weil du geschwiegen hast, bist du dran, Moreno," entgegnete Damian fest entschlossen.Izzy warf ihm einen Seitenblick zu. Sie rasten an Fahrzeugen aller Art vorbei. Immer wieder gaben die Kollegen über Funk ihre Positionen durch. Die Jagd auf die Verräterin gestaltete sich anscheinend recht schwierig. "EL GRANDE MAGO ist mächtig, Parson," kam es leise von Izzy. "Er ist klug. Er hat viel Geld. Er hat alles von sehr langer Hand geplant. Er will Rache.""Kennst du seinen Namen, Izzy?," wollte Damian wissen. Er zog den Wagen rüber zur rechten Spur, weil er den Expressway an der nächsten Ausfahrt verlassen würde.Izzy schnaubte. Er nahm seine Brille ab, die leicht verbogen, aber ganz geblieben war, zog ein kariertes Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche, und begann die Gläser zu polieren. "Seinen Namen kennen nur seine engsten Mitarbeiter." Gerade, als sie den Parkplatz vor dem Präsidium erreichten, kam über Funk die Mitteilung, dass Ramona gfasst worden war.Damian nahm Izzy mit ins Büro. Er setzte ihn auf einen Stuhl neben seinem Schreibtisch und besorgte ihm einen Kaffee. "Schaffst du es, allein da sitzen zu bleiben, oder muss ich dich anketten, Moreno?," erkundigte sich Damian, als er Izzy den Kaffeebecher reichte.Im Vice - Büro summte es wie in einem Bienenstock. Gina hing am Telefon und redete mit einem gelangweilten Beamten in Bolton, der nicht einsehen wollte, warum Vice ganz dringend - am liebsten sofort oder gestern - die kompletten Besucherlisten für den C - Block aus den Jahren 2005, 2006 und 2007 haben wollte. Auch die anderen Telefone klingelten. Schränke fielen geräuschvoll ins Schloss, Sharon und Sarah redeten miteinander, wobei es ihnen nichts ausmachte, dass drei Schreibtische zwischen ihnen standen, und Angela kehrte gerade mit einigen Unterlagen zurück.Izzy musterte Angela, lächelte und sagte: "Wenn so etwas Hübsches mir Gesellschaft leistet, laufe ich bestimt nicht davon.""Angela ist Sekretärin, keine Gesellschafterin," brummte Damian. Er eilte zu Stan ins Büro, um ihm kurz zu berichten, was im Schutzversteck geschehen war und dass sie mit Bruce eine weitere Person hatten, die in engem Kontakt zu EL GRANDE MAGO stand."Sagt Moreno," schloss er. "Und wie läuft es hier?""Zuerst mal solltest du wissen, dass Moreno viel redet, wenn der Tag lang ist," antwortete Stan. Er seufzte, streckte den verspannten Rücken und rieb sich über den Nacken. "Ich habe versucht Sonny anzurufen, aber ich glaube, sein Akku ist leer, Castillo und Rico gehen beide nicht ran. Mir gefällt das nicht.""Mir auch nicht," murmelte Damian und starrte aus dem Fenster auf den silbern glänzenden Leib eines Flugzeugs, das auf dem Weg nach irgendwo war. Stan sah ihn an. Er merkte wohl, dass es Damian auch um Ricos Anwesenheit in Miami ging. "Dam, jetzt pack mal deine verdammte Eifersucht weg. Du hast keinen Grund. Wir waren ein tolles Team, waren - und sind - Freunde und genau das sind Trudy und Rico: Freunde!"Damian sank auf den linken Besucherstuhl vor dem Schreibtisch. Er hatte ein Chromgestell und einen schwarzen Lederbezug. Er legte seine Hände gegeneinander und starrte seine Finger an. "Manche Fehler wird man nicht so leicht los, Stan. Trudy ist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist.""Und wir alle holen sie und die anderen Geiseln da raus," versprach Stan. Damian erhob sich. Als er in das roßraumbüro kam sah er, dass Izzy es tatsächlich geschafft hatte mit Angela ins Gespräch zu kommen. Über Ginas Faxgerät kamen gerade die Listen an, die sie angefordert hatte, und durch die Tür marschierte Ben herein. Er grinste Damian an und sagte: "Mich hat keine Kugel erwischt, sondern nur ´ne Sprungfeder vom Sessel. Die hat mir die Form meiner Dienstmarke, die ich um den Hals hängen hatte, auf die Brust tätowiert und ´ne kleine Prellung beschert. Ich fühle mich gut und ich will beim Finale dabei sein." Prompt hielt Gina ihm einen kleinen Blätterstapel hin. Auf Bens fragenden Blick hin erklärte sie: "Das ist das Who is Who der Knastbesucher für die Inhaftierten des C - Blocks aus dem Jahr 2007. Wir müssen herausfinden, wen Ramona besucht hat. Sie sagt es uns bestimmt nicht." Damian bekam den Stapel von 2006, während Gina sich über die Besucherliste aus dem Jahr 2005 hermachte. Nach kurzer Zeit sagte sie: "Leute, ich weiß, wer er ist!" IM NÄCHSTEN KAPITL: EIN TREFFEN IM DSCHUNGEL
Link to comment
Share on other sites

37. EIN TREFFEN IM DSCHUNGELDer schwarze Ford kam etwa 200 m vor der Einmündung auf den Hauptweg zum Stehen. Castillo sprang sofort heraus und wandte sich um, während er losrannte. Er sah die Flammenwand, hörte das knistern des Feuers, die Schreie der fliehenden Tiere und er spürte die Hitze, die der Wind herüberwehte. Um ihn herum flogen die Funken, Blätter, die wie Glühwürmchen wirkten, segelten herab. Er fühlte ein Brennen auf seinem Kopf, an seinen Armen und am Rücken. Er versuchte die Funken wegzuwischen, die sich überall niederließen und ihn verbrannten, aber es waren sehr viele.Der Wind war sein Feind. Er drehte sich anscheinend permanent und wehte das Feuer von allen Seiten heran. Der Rauch trieb ihm die Tränen in die Augen und reizte seinen Lungen. Es kratzte in seinem Hals und er musste husten, während er immer wieder über seinen Kopf wischte, die Arme und, so weit möglich, über den Rücken. Wieder drehte er sich um. Er übersah ein Schlagloch, trat hinein und knickte um. Ein scharfer Schmerz schoss hoch bis in sein rechtes Knie und er stürzte. Castillo rang nach Luft. Er umfaste den Knöchel, hob dann zum Glück den Blick zum Feuer. Er sah einen dicken, brennenden Ast heransegeln und warf sich, den Schmerz ignorierend, zur rechten Seite. Schon krachte der Ast dorthin, wo er gerade gelegen hatte. Castillo sprang auf. Er biss die Zähne zusammen, schaltete den Schmerz aus. Erdachte nicht nach, er rannte nur um sein Leben...wie damals in Thailand..."Martin, das ist eine Falle! Sie haben uns in eine Falle gelockt! Lao Li weiß Bescheid! ,"schrie Colin Lucas. Kugeln flogen ihnen um die Ohren. Sie rissenlange Späne aus den umliegenden Bäumen. Die Späne flogen wie Geschosse herum und zwei von Martins Leuten wurden von ihnen durchbohrt. Es war früher Morgen, die Sonne ging gerade erst auf und Lao Li´s Leute waren unsichtbar, aber scheinbar überall.Martin packte Colin, der wie erstarrt da stand, am Arm, um ihn in ein Dickicht zu zerren, dass ihnen etwas Schutz bot. Er befahl Colin unten zu bleiben, während er selbst geduckt von Strauch zu Strauch und von Baum zu Baum eilte, um nach seinen Leuten zu sehen. Er feuerte, lud nach und feuerte erneut. Er hörte die Verletzten schreien und stöhnen. Der Gestank von Blut und Innereien lag über dem Wald. Lao Li´s Leute fielen aus den Bäumen und sie lagen tot hinter Gestrüpp, aber Martin fand auch die Leichen seiner eigenen Leute. Mit blicklosen Augen und aufgerissenen Bäuchen, aus denen die Därme quollen, lagen sie in ihrem Blut.Colin sprang plötzlich auf und rannte voller Panik los."Colin, nein! ,"schrie Castillo, aber seine Stimme ging unter in dem Sturm aus Gewehrkugeln. Er rannte los, versuchte Colin irgendwie zu erreichen, aber dann verspürte er einen entsetzlichen Schlag an der linken Seite. Blut quoll aus der Wunde, durchnässte schnell seine Hose. Es war viel Blut und er brach zusammen."Du musst überleben!," dachte er nur. Genau das dachte er auch jetzt. Er sah den Hauptweg vor sich, spürte die Hitze des Feuers hinter sich. Trotz seiner hervorragenden körperlichen Verfassung fühlte er sich schlapp durch den Rauch, den er eingeatmet hatte. Er wischte die Tränen fort, die der Rauch ihm in die Augen trieb und dachte verrückterweise: Sollte es heute nicht regnen? Sie hörten das Motorengeräusch, sahen den Rauch und die Flammen zwischen den Bäumen. Überall knisterte, knackte und krachte es, wenn wieder ein Ast zu Boden stürzte. Vögel schrien panisch und hier und da entdeckten sie einen fliehenden, gefiederten Gesellen.Schnell schlugen sie sich seitlich ins Gebüsch, ohne jedoch dort zu verharren. Mit der Last auf dem Arm war es schwer voranzukommen, denn der Boden war voller Wurzeln und Schlinggewächse, die sie nicht erkennen konnten, weil Gras und weitere Pflanzen die Stolperfallen verdeckten.Billy sah sich immer wieder nach dem Wagen des Gangsters um. Er musste eigentlich jeden Moment auftauchen, um sich Richtung Stadt aus dem Staub zu machen, aber das Fahrzeug kam nicht. Stattdessen sah er plötzlich einen Mann, der aus dem Nebenweg auf den Hauptweg torkelte. Diesen Mann hätte er überall erkannt!"Wartet mal," bat er die anderen. "Da ist Castillo!"Alessio, der Trudy auf dem Arm trug, und Abhisit blieben stehen, während Billy bereits auf den Weg sprang. "Lieutenant Castillo!," rief er. Castillo hörte eine bekannte Stimme seinen Namen rufen. Er wischte sich erneut über die Augen, hustete und keuchte, blieb aber nicht stehen. Er blinzelte und erkannte Billy, der ihm entgegenkam."Mann, Crockett, bin ich froh Sie zu sehen! Wo sind die anderen?," keuchte Castillo."Da drüben," antwortete Billy und wies in die entsprechende Richtung. Während sie nebeneinander her liefen erklärte er Castillo was passiert war.Hinter ihnen und seitlich von ihnen krachten Äste zu Boden. Der Wind drehte wieder. Er wehte den Rauch nun von der Seite auf sie zu, hüllte sie regelrecht ein. Abhisit starrte seinem Vater entgegen. Die erste Begegnung mit seinem Vater hatte er sich anders vorgestellt... seinen Vater auch. Er vermochte nicht zu sagen wie er ihn sich vorgestelt hatte, aber auf jeden Fall jünger, weniger grauhaarig... und ganz bestimmt nicht in einem Kampfanzug. Castillo hatte Abhisit ebenfalls bemerkt. Er musterte seinen Sohn mit einem schnellen Blick und fand, dass er sehr viel Ähnlichkeit mit Mai Ying hatte. Sie lächelten sich kurz an und Castillo sagte: "Ich hätte dich gern anders willkommen geheißen."Abhisit nickte nur. Er hatte einen Kloß im Hals, der sich einfach nicht runterschlucken ließ.Dann blickte Castillo Alessio an, der sehr viel Ähnlichkeit mit Tubbs hatte, was sicher auch an den unglaublich grünen Augen lag, die er eindeutig von seinem Vater geerbt hatte. Der nächste Blick galt Trudy. Er legte ihr schnell die Hand auf die glühend heiße Stirn, sah sich das Bein an. Unterhalb des Gürtels war es eiskalt und verfärbte sich. Wenn er den Gürtel nicht öffnete, verlor Trudy vielleicht ihr Bein, öffnete er ihn, verlor sie möglicherweise ihr Leben. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer."Verschwinden wir!," sagte er. Castillo übernahm die Führung, Abhisit lief neben seinem Vater her. Beide wandten sich immer wieder um, weil sie prüfen wollten wie groß der Abstand zwischen ihnen und dem Feuer war. Er verringerte sich zusehends, weil der Wind zunahm. Castillo sah, dass er auch Wolken herantrieb, aber das bedeutete nicht, dass es tatsächlich regnen würde.Er zog sein Handy aus der Tasche in der Hoffnung, dass er jetzt einen Empfang hatte. "Leer," sagte er und steckte es wieder ein, wischte einen Funken von Abhisits linker Schulter."Wie weit ist es bis zum nächsten Haus?," wollte Alessio wissen. Ein Funke setzte sich auf seinen rechten Oberarm und er versuchte ihn abzuschütteln, wobei er fast Trudy fallen ließ. Billy sah es und wischte den Funken weg."Mit dem Auto etwa fünfzehn Minuten," erwiderte Castillo ehrlich."Dann wird Trudy sterben," flüsterte Abhisit entsetzt, aber Castillo schüttelte den Kopf. Er hatte diesen Kampf nicht aufgenommen, um ihn zu verlieren. Er wollte alle Geiseln retten, aber im Moment war ihm nicht klar, wie er das bewerkstelligen sollte. Wieder hüllte eine dicke Rauchwolke sie ein, rechts von ihnen stürzte krachend ein Baum zu Boden. Brennende Äste flogen herum. Billy musste zu Seite springen, um nicht getroffen zu werden und hinter ihnen ertönte das Geräusch eines sich nähernden Fahrzeugs.
Link to comment
Share on other sites

38. DAS VERHÖR /IM DSCHUNGELGina und Damian hatten ihre Unterlagen miteinander verglichen, nachdem feststand, dass der Häftling, um den es ging, 2007 bereits entlassen worden war.Ramona hatte den Mann von ihrem 18. Geburtstag an die erlaubten zwei Mal pro Monat besucht. Rico und Sonny hatten den Mann 1986 verhaftet. Außer Drogenhandel im großen Stil warf man ihm unerlaubten Waffenbesitz, Erpressung und den Tod eines jungen Mannes, Archie Ellis, vor, den er, so sah es die Anklage, in seinem Wagen erschossen hatte. Er war im September 2006 entlassen worden. Ramona wurde in einen der Verhörräume gebracht, die alle gleich ungemütlich aussahen, und dort erst mal schmoren gelassen. Sie saß am Tisch, hielt den Kopf erhoben und starrte provozierend auf die dunkle, spiegelgroße Fläche, hinter der die Kollegen standen. Ab und zu blickte sie auf ihre Armbanduhr. Dann umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie wirkte sehr selbstsicher und überhaupt nicht nervös. Ihre Miene schien zu sagen: Ihr könnt mich mal...! "Reden wir mit Miss Allen! ," knurrte Damian, bevor er in den Verhörraum stürmte und die Tür so fest zuknallte, dass Ramona zsammenzuckte und die Tür wieder aus dem Schloss sprang. Dann blieb Damian stehen und starrte Ramona an, aber wenn er geglaubt hatte, sie würde den Blick senken, wurde er enttäuscht. Sie sah ihn eiskalt an, während seine Wut sich immer mehr aufbaute. Gina beobachtete die Szene von der anderen Seite, Stan gesellte sich zu ihr. Er seufzte, fuhr sich mit der rechten Hand durch die Haare. "Ich kann weder Rico, noch Sonny oder Castillo erreichen. Das gefällt mir überhaupt nicht."Gina hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie blickte Ramona an und meinte: "Sie sieht immer wieder auf die Uhr und lächelt. Das gefällt mir auch nicht."Sharon kam herein und reichte Gina eine Mitteilung. "Überraschung!,"sagte sie mit leisem Singsang in der Stimme. Gina warf einen Blick auf das Schriftstück und mit einem Mal wurde ihr einiges klar. Damian ging zum Tisch, blieb daneben stehen. Wieder sah Ramona auf die Uhr. Demonstrativ, als wartete sie auf etwas bestimmtes. Damian glaubte zu wissen, was das war. Es war jetzt fast Mittag. Um eins sollten die Särge aus Kolumbien eintreffen und irgendwann im gleichen Zeiraum sollten Crockett und Tubbs liefern."Wir reden jetzt Klartext, Miss Allen," sagte Damian und stützte seine Hände auf der Tischplatte ab, ohne Ramona aus den Augen zu lassen. Damian besaß Arme wie Baumstämme, im Zorn eine tiefe, grollende Stimme und einen Blick, der töten konnte. Normalerweise genügte bereits seine Nähe, um weibliche Gefangene einzuschüchtern. Bei Ramona funktionierte es nicht."Ich sage gar nichts ohne meinen Anwalt," entgegnete Ramona mit ruhiger, kalter und arrogant klingender Stimme. Damian, der nie zuvor Gewalt gegen eine Frau einsetzte, verspürte den beinah übermächtigen Wunsch sie zu packen und die Arroganz und die Wahrheit aus ihr herauszuprügeln."Du kriegst deinen Anwalt, aber ich kriege Antworten!" Sein Blick hielt ihren fest. "Seit 1998 bist du regelmäßig wie ein Uhrwerk nach Bolton gefahren, um Curtis Walker zu besuchen. Warum? Was hast du mit ihm zu schaffen?" Ramonas Mundwinkel zuckten spöttisch. "Warum findest du es nicht raus, du Superdetective!," antwortete sie ironisch. Sie wusste, das er ihr am liebsten den Hals umgedreht hätte. Damian vermutete, dass sie es darauf anlegte. Der rechtschaffende Polizist, der etliche Belobigungen und sieben Auszeichnungen erhalten hatte, sollte durchdrehen und sie angreifen. Ihr Anwalt würde ihm einen hübschen Strick daraus drehen, vermutlich versuchen, alle Beweise, an denen er mitgearbeitet hatte, für unzulässig erklären zu lassen. Und dann kam sie am Ende ohne oder mit einer geringen Strafe davon. Damian würde ihr diesen Gefallen aber nicht tun. "Warum?," wiederholte Damian. "Was hast du mit Walker zu tun?"Ramona zuckte die Achseln. "Ich bin eben sehr sozial..."Sie blickte an Damian vorbei, als sich die Tür öffnete und Gina hereinkam. Sie hielt Papiere in der Hand und wirkte sehr zufrieden. Bis Sharon ihr diese Unterlagen gebracht hatte, fragte sie sich, warum Ramona Allen Curtis Walker besucht hatte. Es ergab einfach keinen Sinn. Ramona war sechs Jahre alt gewesen, als Curtis "Count" Walker verhaftet wurde und sie waren weder in der gleichen Gegend geboren noch war Ramona dort aufgewachsen, wo Curtis gelebt hatte. Jetzt aber wusste sie die Antwort. "Ich verrate dir den Grund, Dam," sagte Gina. Sie fühlte die Spannung im Raum und die Art, wie Damian unbewusst mit seinen Muskeln spielte, zeigte ihr deutlich, dass er sich nur mühsam beherrschte.Damian richtete sich auf. Seine Kiefer mahlten, als er die Zähne zusammenbiss. Er sah Gina abwartend an und verschränkte die Arme vor der Brust. Das war besser, als seine Hände um Ramonas Hals zu legen. "Deine Mutter, Roberta, war eine geborene Walker, Curtis ist ihr unehelicher Sohn," erklärte Gina. "Als dein Vater, James Allen, deine Mutter heiratete, nahm deine Mutter seinen Namen an, aber Allen adoptierte nicht deinen Bruder. Er brachte deine Mutter sogar dazu ihn bei den Großeltern zu lassen."Ramona hob die Hände und klatschte langsam mit einem ironischen Lächeln im Gesicht Beifall. "Gute Arbeit, Detective!" Ginas Gesicht blieb unbewegt. Sie würde sich nicht provozieren lassen. Stattdessen schlenderte sie zum Tisch, ließ sich auf dem Stuhl, der Ramona gegenüberstand, nieder, und legte sorgfältig die Papiere auf den Tisch. "Wusstest du, dass dein Bruder Bruce tot ist? Er starb im Schutzversteck von Izzy Moreno."Ramona schluckte schwer, blickte kurz auf die hellgraue, zerkratzte Resopalplatte des Tisches, ehe sie die Achseln zuckte. Curtis hatte einen tollen Plan, und wenn alles funktioniert hatte, wollte er ihr Europa zeigen. Das hatte er versprochen und Ramona glaubte ihm. Deshalb sagte sie: "Große Pläne erfordern manchmal große Opfer." Gina ließ Ramona nicht aus den Augen. "Rede mit uns, Ramona," bat sie eindringlich. "Es ist deine einzige CHance deine Position zu verbessern. Bruce ist tot, Curtis wird wieder im Gefängnis landen und du auch. Weil du Knights Handy gestohlen hast, konnte Trudy entführt werden...""Du kannst mir nichts beweisen," fiel Ramona ihr ins Wort. Damians rechte Faust donnerte so fest auf die Tischplatte, dass das Möbelstück zu ächzen schien. Er kochte vor Wut. Ramona wusste garantiert, wo die Geiseln waren, und er wollte, dass sie es ihm sagte. "Du hast Walker angerufen!," brüllte er. "Deine Fingerabdrücke auf den Tasten des Telefons verraten es! Und du hast ihm gesagt, wo Izzy ist. Verdammt, rede endlich mit uns!"Wieder sah Ramona auf die Uhr. Sie lächelte. "Es ist zu spät," sagte sie. ZUR GLEICHEN ZEIT IM DSCHUNGLSie hörten den Wagen, sahen ihn aber nicht, weil der Rauch alles einhüllte. Es war ein Jeep, soviel stand fest. Castillo dachte sofort an den Explorer, mit dem der dritte Gangster auf der Flucht war. Er beschloss, ihn aufzuhalten, denn Trudy brauchte schnelle Hilfe."Wir stoppen den Wagen," sagte er.Trudy murmelte zusammenhanglos vor sich hin. Sie atmete schwer, hustete ab und zu und röchelte, woran auch der Rauch seinen Anteil hatte.Abhisit schlug einige Funken weg und blickte besorgt zu den brennenden Bäumen, die sich im starken Wind heftig bewegten. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus.Alessio legte Trudy hinter einem Strauch ab. Dann stellten sie sich zu dritt auf den Weg, während Castillo als Überraschung hinter einem Baum wartete. Er sah den Jeep zuerst, abr es war kein Explorer, sondern ein Hummer. Er war staubig, verkohlte Äste lagen auf der Motorhaube, rutchten aber hüpfend immer weiter nach vorne oder zur Seite, sobald der Wagen durch ein Schlagloch rumpelte. Die Frontscheibe war sauber, der Scheibenwischer beseitigte gerade die Asche, die aus den Bäumen herabregnete. Castillo trat auf den Weg, denn er hatte den Fahrer erkannt. Dieser sah ihn ebenfalls und hielt an."Holt Trudy," rief Castillo, als der Fahrer die Scheibe herunterließ.Er war ein Indianer, besaß ein kantiges, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht, fast schware Augen, und er trug das lackscharze Haar zu einem Zopf gebunden. "Kein guter Tag für einen Ausflug, Martin," sagte er.Castillo seufzte. "Sie schickt der Himmel, Bob. Wir haben eine Verletzte. Schlangenbiss."Bob blickte zu Trudy, die leblos auf Alessios Armen lag."Steigen Sie ein! Und dann sollten wir verschwinden!" Sein Blick hing an den brennenden Bäumen. Das Feuer hatte längst den Hauptweg erreicht und sprang durch die Baumkronen von einer Seite zur anderen. Es glomm inzwischen überall, der Rauch wurde immer dichter. Es regnete Asche, brennende Blätter und kleinere Äste. Immer wieder brachen dicke Äste ab, die Kometen gleich zu Boden stürzten. Hinter ihnen krachte ein Baum auf den Weg und ein gigantischer Funkenregen stob in alle Richtungen, traf auch den Hummer. Als alle im Wagen saßen, gab Bob Gas. Ein Ast landete krachend auf der Windschutzscheibe und sie ächzte, ein anderer polterte auf das Dach. Bob schaltete die Scheibenwaschanlage ein. Zischend verlosch der Ast und wurde vom Scheibenwischer zur Seite gedrückt. Vor ihnen neigte sich ein brennender Baum auf den Weg. Er ächzte, schien sich an den gegenüberstehenden Baum zu klammern, aus dem Äste brachen und vom Wind herumgewirbelt wurden.Der Motor heulte auf, als Bob das Gaspedal bis zum Boden durchtrat. Er blickte konzentriert, ernst und fest entschlossen hinaus, während der Scheibenwischer wild rotierte, um die Sicht einigermaßen frei zu halten.Der Baum fiel, der Hummer raste darauf zu. Drinnen hielen alle den Atem an, als Bob den Wagen unter dem stürzenden Baum durchlenkte. Die Äste kreischten über das Dach, Funken verdeckten den Blick, aber dann war der Hummer durch. Alle atmeten auf. "Es regnet bald," sagte Bob. Seine Stimme war tief, fast wie das Grollen eines Bären. Er hielt das Lenkrad umklammert, kurvte immer wieder um tiefe Schlaglöcher, umgefallene Bäume und dicke Äste herum. Im Radio lief "Get on your boots"."Darf ich Ihr Handy benutzen, Bob?," fragte Castillo.Wortlos reichte Bob ihm das flache, silbrig glänzende Gerät. Castillo war froh, dass er sich Stans Nummer bereits eingeprägt hatte. Er rief ihn an, informierte ihn kurz über alle wichtigen Dinge und erfuhr, dass Curtis Walker hinter EL GRANDE MAGO steckte.Als er auflegte, hätte er eigentlich zufrieden sein müssen, aber er war es nicht. Irgendein Puzzleteil fehlte, um die Geschichte rund zu machen. Bob hielt vor der Notaufnahme. Billy rannte in die Klinik, während Alessio und Abhisit Trudy vorsichtig aus dem Wagen hoben. Castillo bedankte sich bei Bob, ehe dieser davonfuhr.In der Notaufnahme nahmen die vier Männer im Wartebereich Platz und beobachteten erschöpft den üblichen Berieb des Krankenhauses. Schwestern eilten herum, Verletzte wurden hereingeschoben, eine Frau mit einem weinenden Kind auf dem Arm verlangte nach einem Arzt.Dann stürmte Damian herein. Gina, die ihn begleitete, konnte kaum Schritt halten."Wo ist sie?," fragte Damia.Castillo wies auf die Kabine mit den geschlossenen Vorhängen, während er sich erhob. "Da drinnen." Dann wandte er sich an Abhisit. "Wir haben viel zu besprechen, Abhisit. - Wenn alles vorbei ist."Abhisit nickte. "Zeig´s ihnen... Dad!" Gina und Castillo verließen das Krankenhaus. Es hatte angefangen zu regnen. Dicke Tropfen prasselten auf sie nieder, als sie zu Ginas Wagen eilten und sich auf den Weg zu Castillos Haus machten. Unterwegs reichte Gina Castillo das Kästchen mit der Wanze darin. "Jones sagt, Sie sollen vorsichtig sein, wenn Sie die Schutzfolie entfernen. Der Kleber ist so stark, dass man die Wanze nur operativ von ihren Fingern entfernen könnte," sagte Gina."In Ordnung," antwortete Castillo. Gina wartete vor seinem Haus, während Castillo duschte und sich sorgfältig zurecht machte. Die ganze Zeit dachte er nach, um das fehlende Puzzleteil zu finden.Auch wenn Sie jetzt ´ne Menge wissen, können Sie ihn nicht aufhalten. Der Boss ist schlauer als ihr alle. Was auch immer Sie tun, das Kokain kommt nach Florida, hatte Sanchez gesagt.Als Castillo seinen schwarzen Schlips band, schoss ihm plözlich die Erkenntnis einem Blitz gleich durch den Kopf. Er strich sich ein letztes Mal über die Haare und seinen Schnäuzer, nahm das Kästchen und verließ das Haus. Sie fuhren Richtung Flughafen. Das monotone Geräusch der Scheibenwischer wirkte beinah einschläfernd. Castillos Blick folgte einem Flugzeug, das zur Landung ansetzte. Er nahm das Kästchen und legte es in die Mittelkonsole von Ginas Wagen. "Ich werde das nicht brauchen," sagte er. "Das Kokain kommt auf anderem Weg ins Land."Gina war so überrascht, dass sie beinah an der Ausfahrt vorbeigefahren wäre. Im letzten Moment zog sie den Wagen nach rechts. Hinter ihr kreischten Bremsen und jemand hupte. Gina ignorierte ihn."Heißt das, die Särge sind leer?"Castillo bleckte die Zähne. Er sah aus wie einer der Helden aus einem Action - Film, kurz bevor er seinen schlimmsten Feind eliminiert. "Es ist Kokain darin. Genug, um mich ins Gefängnis zu bringen. Ich wette, ich werde schon erwartet." Gina schwieg, bis sie den Parkplatz am Flughafen erreichten. "Sie kommen nicht ins Gefängnis. Sie wurden erpresst. Wir haben das Foto, die Mitteilung und die Fingerabdrücke...""Walker hat alles genau geplant, glauben Sie mir," behauptete Castillo. "Ich bat Graham Foster um den Artikel, aber ich habe keine Brüder. Ich nehme die Särge in Empfang, in denen sich garantiert Rauschgift befindet, während die Beweise mit Sicherheit verschwunden sind. Ihnen und den anderen von Vice wird man Ihre Loyalität vorwerfen." Gina hatte ihrem ehemaligen Boss ungläubig gelauscht. Es klang verrückt. In ihrem Kopf rotierten die Gedanken wie kleine Zinnsoldaten, die durcheinanderwuselten und nicht wussten, wohin sie rennen sollten, um eine ordentliche Reihe zu bilden."Was sollen wir tun?," fragte sie verzweifelt.Dieses Mal zeigte Castillo ein so breites Grinsen, wie sie es überhaupt noch nie bei ihm gesehen hatte. "Sie sind von Vice! Verhaften Sie mich!" IM NÄCHSTEN KAPITEL: IRGENDWO BEI KEY LARGO
Link to comment
Share on other sites

39. IRGENDWO BEI KEY LARGODie Koordinaten gehörten zu einer kleinen, menschenleeren Bucht, die einem das Gefühl vermittelte auf eine einsame Insel zuzusteuern. Der Strand war weiß, Palmen wiegten sich im Wind und die Wellen leckten immer wieder über den Sand. Einige Stücke Treibholz lagen achtlos herum und moderten vor sich hin. Das Dickicht zwischen den Palmen war sehr dicht, gefüllt mit leuchtenden Beeren und es bot einen hervorragenden Schutz, wenn man sich verstecken wollte.Nur die dicken, anthazitfarbenen Wolken, die den Immel bedeckten, aus denen es in Strömen goss, passten nicht zur Postkartenidylle. Am Horizont wurde es allerdings schon wieder heller. Rico und Sonny, beide bis auf die Haut durchnässt, was die Stimmung nicht gerade hob, hatten geglaubt, EL GRANDE MAGO´s Leute stünden, wie auf St. Andrews Island, bereit, um die Boote zu entladen.Rico hatte auf dem Rückweg im Büro angerufen, wobei er die Hinweise auf die inzwischen sechs Anrufe in Abwesenheit gefließentlich übersah, und einer der Sekretärinnen mitgeteilt, wo der Deal über die Bühne gehen sollte. Er vermutete, dass die Kollegen nun gut verborgen hinter den Sträuchern hockten und sie würden, während die Gangste die Boote entluden, herausstürmen. Das Übliche eben. Die Polizisten brüllten, dass die Gangster die Waffen fallen lassen sollten, was diese natürlich nicht taten. Es kam zum Schusswechsel und am Ende blieb hoffentlich einer der Gangster übrig, den man zum Reden bringen konnte.Aber an diesem Strand war nicht mal ein Einsiedlerkrebs. Als Rico und Sonny, ziemlich ratlos, nebeneinander anhielten, klingelte das Handy, das bei Ricos Koordinatenzettel gelegen hatte. Er schaltete den Lautsprecher an, damit Sonny mithören konnte. Eine arrogante, Stimme fragte: "Dachten Sie wirklich, wir wären so dumm Ihnen im Voraus den Übergabeort zu nennen?" Rico hatte genug. Am liebsten hätte er die Kartons ins Meer geworfen und dem Kerl gesagt, er sollte tauchen, wenn er das Zeug haben wollte. "Was soll der Mist?," fauchte er.Der Mann blieb ruhig, kalt und überheblich. "Fahren Sie aufs Meer hinaus und ankern Sie die Boote außerhalb der Drei - Meilen - Zone bei einem Cigaretteboat. Kehren Sie mit diesem Boot nach Miami zurück und warten Sie im Motel auf weitere Anweisungen."Der Mann legte auf.Rico und Sonny sahen sich an."Die Stimme habe ich schon gehört," behaupetet Sonny. Rico nickte, aber darüber, wem sie wohl gehören mochte, mussten sie später nachdenken. Jetzt wollten sie endlich diese Geschichte hinter sich bringen und aus den nassen Sachen rauskommen. Sie steuerten die Boote aufs Meer hinaus. Der Regen ließ zum Glück bereits nach. Hier und da blitzte sogar die Sonne zwischen den Wolken hervor.Sie waren jedoch noch nicht sehr weit gekommen, als Ricos privates Handy klingelte. Im ersten Moment wollte er es einfach ignorieren. Schließlich hatte er Alaina klar und deutlich gesagt, dass er keine Zeit hatte. Dann aber beschloss er, wenigstens einen Blick aufs Display zu werfen. Vielleicht war ja gar nicht Alaina am anderen Ende...Die Nummer gehörte Stan, der wissen wollte, was am Strand losgewesen war. Die Polizisten hatten vergeblich im strömenden Regen gewartet und waren nicht begeistert. Rico erzählte ihm von der neuen Anweisung und hörte dann zu, als Stan ihm das Neueste erzählte. Rico war so überrascht, dass er versehentlich das Steuer herumriss. Er hörte, wie es unten im Boot polterte, als die Kisten durcheinanderpurzelten. Gerade, als Rico das Gespräch beendete und mehr Gas gab, entdeckte er ein Cigaretteboat, das sich näherte, aber dennoch ausreichend Abstand hielt. Der Zauberer hatte einen Beobachter geschickt.Dann entdeckte er das Cigaretteboat, das auf dem Meer schaukelte. Es hieß Snow White. Damit sollten sie nach Miami zurückkehren, aber nach dem Gespräch mit Stan war Ricos Misstrauen endgültig geweckt. Vielleicht befand sich eine Bombe im Boot, die hochging, sobald sie den Motor anließen. Rechts und links neben dem Cigaretteboat hielten sie an und warfen den Anker. Sonny sprang von der Blizzard hinüber auf die Snow White, aber Rico blieb auf der Thunderstorm. "Was ist los?,"fragte Sonny. "Hat der Regen dich schon anwachsen lassen?"Rico schüttelte den Kopf. Er blickte hinüber zu dem Bewacherboot. Er war sicher, dass die Person, die sie beobachtete, EL GRANDE MAGO informierte, sobald er und Sonny Kurs auf Miami nahmen oder sobald sie beide durch die Explosion in Einzelteile zerlegt worden waren. Dann kroch der Zauberer aus seinem Loch, um sich das Kokain zu holen. - Falls das Zeug in den Kisten Kokain war! "Stan rief mich an. Er hat´s auch bei dir versucht, aber erfolglos," erklärte Rico, nachdem Sonny zu ihm auf die Thunderstorm geklettert war. "Die Geiseln sind frei, aber Trudy geht´s schlecht. Eine Schlange hat sie gebissen. Und Castillo wurde am Flughafen verhaftet."Sonnys Augen weiteten sich ungläubig, aber da fuhr Rico bereits fort: "Cool bleiben, Partner, Gina verhaftete ihn und wir wissen jetzt, wer EL GRANDE MAGO ist: Curtis "Count" Walker."Rico holte tief Luft. Wieder wanderte sein Blick zu dem Bewacher hinüber. Auch Sonny blickte zu dem Boot. "In den Särgen befanden sich insgesamt zehn Kilo Koks, nicht 520, aber es hätte für 15 Jahre Gefängnis gereicht. Die Kollegen von der Drogenfahndung South Beach hatten einen pasenden Tipp bekommen. Sie standen parat. Gina kam ihnen zuvor, indem sie erklärte, der Flughafen wäre Vice - Territorium." Rico und Sonny sahen sich an, blickten dann wieder zu dem anderen Boot hinüber. Der Regen ließ immer mehr nach und an manchen Stellen riss bereits die Wolkendecke auf.Sonny machte eine Kopfbewegung nach rechts, Rico nickte. Sie gingen nach unten, wo wirklich alle Kisten durcheinandergefallen waren. Nur deshalb aber fielen ihnen die roten Markierungen auf dem Boden einiger Kartons auf."Zehn," zählte Rico und zückte sein Taschenmesser. Er schlitzte einen markierten Karton auf. Darin war eindeutig Kokain. In dem unmarkierten Karton, den Sonny öffnete, befand sich dagegen Sand von St. Andrews Island. "Allmählich habe ich wirklich die Schnauze gestrichen voll, Tubbs!," knurrte Sonny und seine Augen nahmen vor Wut einen derart glitzernden, irren Ausdruck an, wie Rico ihn nur einmal bei seinem Patner gesehen hatte. Damals jagten sie einen Verbrecher, den sie "Der Schatten" nannten. Er brach in Häuser ein, beschädigte aber weder Türen, noch Fenster. Er veranstaltete eine Riesenschweinerei mit Mehl, aß rohe Steaks und benutzte den Lippenstift der Hausbewohnerin, um eine der Wände im Haus mit seinen Graffitis zu verunstalten.Damals hatte Sonny kaum geschlafen und kaum gegessen. Genauso war vor ihm Lieutenant Gilmore verfahren und am Ende in einer geschlossenen Anstalt gelandet, wo Sonny ihm um ein Haar hätte Gesellschaft leisten können.Jetzt hatte er wider diesen Blick drauf. "Sonny, bleib ruhig," riet Rico. "Castillo denkt, dass Walker Rache will..."Sonny rastete aus. Wütend trat er gegen die Kiste, die er geöffnet hatte. Sie hüpfte hoch, wobei der Sand, einer Fontäne gleich herausspritzte, knallte ein Stück weiter auf den Boden und kippte um."Das Ganze ergibt überhaupt keinen Sinn, Tubbs!," brüllte er, ohne darüber nachzudenken, dass das, was er gerade tat, ebenfalls sinnlos war. Er hob einen anderen Karton hoch und pfefferte ihn voller Wut in den Kartonberg. Er riss auf und da Rico die Markierung am Boden sah wusste er, dass sich gerade Kokain im Wert von über 600.000$ mit Sand von St. Andrews Island vermischte. Drei weitere Sand - Kartons folgten. Sonny stand da, schnaubend wie ein wütender Stier. Was fehlte, waren nur die Qualmwolken, die aus seiner Nase und seinen Ohren stoben. "Wo ist die Logik, Tubbs?"Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen. "Dies ist der Ozean, mein Freund! Was für eine Art Rache soll das sein, wenn wir mit 38 Kisten Sand und zehn Kisten Koks hier draußen sind?""Jetzt beruhige dich, Mann. Ich weiß es ja auch nicht." Plötzlich huschte ein böses Lächeln über Sonnys Gesicht. Dann wirbelte er herum. Er stürmte die Treppe hinauf. Rico machte Anstalten ihm zu folgen."Crockett, was zum...?" Er kam nicht mal bis zur Treppe. Da hatte Sonny den Anker eingeholt, den Motor der Thunderstorm gestartet und gab so stark Gas, dass Rico das Gleichgewicht verlor. Er stolperte rückwärts, trat gegen einen der Katons und stürzte mitten in das Sand - Kokain - Gemisch.Was hatte Sonny nur vor? IM NÄCHSTN KAPITEL: EINSATZ IN CORAL GABLES
Link to comment
Share on other sites

40. EINSATZ IN CORAL GABLESNach Castillos Anruf machte Ben sich sofort auf den Weg zum Haus von Maria Montoya. Er würde dort auf die Kollegen des SWAT - Teams unter der Leitung von Sam Sullivan treffen. Auf dem Weg nach Coral Gables dachte Ben an die Informationen, die Stan ihm gegeben hatte, aber viel war es nicht. Castillo hatte von unterwegs aus angerufen. Der Teufelskerl hatte die Geiseln offensichtlich gefunden und sie waren auf dem Weg zum Krankenhaus, weil irgendwas mit Trudy passiert war. Deshalb hatte Castillo sich kurz gefasst. Er hatte gesagt, dass Walkers Leute Maria töten wollten, weil sie eine sehr wichtige Zeugin war. Da die ganze Geschichte heute über die Bühne gehen sollte bestand die Gefahr, dass die Gangster schon in Maria Montoyas Haus waren. Vielleicht kamen sie zu spät. Ben war mit einem neutralen Wagen unterwegs, der leider nicht so schnell fuhr, wie er es gern gehabt hätte. Und die Wolken, die sich über ihm zusamenballten, gefielen ihm ebenfalls nicht. Als er in die ruhige Straße einbog, in der Maria wohnte, waren die Kollegen des SWAT - Teams jedenfalls schon da. Ihre, ebenfalls neutralen, Fahrzeuge parkten am Straßenrand. Ein Beamter redete gerade mit einer Frau, die in dem Haus wohnte, das Marias Haus schräg gegenüberstand, ein anderer sprach mit einer älteren Frau, die einen übergewichtigen Dackel spazierenführte. Die Frau nickte mit entsetztem Gesichtsausdruck und machte kehrt, den Hund fast hinter sich her schleifend.Ben war klar, dass innerhalb von zehn Minuten jeder in der Straße darüber Bescheid wusste, dass die Polizei da war. Ben parkte hinter dem silbernen Nissan X - Trail, der Sam Sullivan gehörte. Als er sich der Fahrertür näherte, stieg Sam aus. Die Männer schüttelten einander die Hand. Sam war Mitte vierzig, ein paar Zentimeter größer als Ben, und schwarz. Eine selbsttönende Brille, die sich nun verdunkelte, thronte auf seiner breiten Nase. Sein Gesicht war rund, die Schultern breit. Ein kleiner Bauch wölbte sich unter seinem dunkelblauen Hemd. Er trug eine gleichfarbige Hose, an deren Gürtel er sein Handy und sein Funkgerät befestigt hatte, in dem es leise knisterte. Seine Waffe steckte in seinem Schulterholster. "Sie sind schon drin," erklärte er. "Der Mercedes - Kombi ist auf Mrs. Montoya zugelassen, der Explorer da hinten läuft auf einen Ross Miller. Saß bis letzts Jahr in Bolton. Nettes Kerlchen mit einem hübschen Lebenslauf. Ich glaube nich, dass Mrs. Montya ihn zu einem gemütlichen Frühstück eingeladen hat." Der junge Polizist, der mit der Nachbarin an der Haustür gesprochen hatte, eilte zu ihnen herüber. Er hielt einen Zettel mit einer groben Grundrisszeichnung in der Hand. Das, so erklärte er, wäre ungefähr Marias Haus. Hinter der Haustür lag gleich das Wohnzimmer, das große Fenster rechts gehörte zum Zimmer des Enkels. Nach hinten raus gab es eine Küche und eine Waschküche, beide mit Türen zum Garten versehen. Von der Garage aus gab es keinen Zugang zum Haus. Ben rannte auf das Haus zu. Er war froh, dass das Wohnzimmer kein Fenster zur Straße hin besaß. Das erleichterte die Annäherung erheblich. Die Tatsache, dass Millers Explorer noch vor dem Haus stand, gab Anlass zur Hoffnung, dass Maria am Leben war. Obwohl er wusste, dass man ihn vom Wohnzimmer aus nicht sehen konnte, benutzte Ben mehrere Rhododendren und zwei Elefantenfußpalmen als Versteck. Er sah vier Männer des SWAT - Teams, die seitlich über oder durch die Hecke gekommen waren. Auch sie näherten sich dem Haus eilig, aber mit Vorsicht.Über ihnen dröhnte ein Flugzeug im Landeanflug... und dann fing es an zu regnen. Nicht leicht und sanft, sondern prasselnd, in dicken Tropfen, die wie ein Vorhang wirkten.Ben blickte zu einem SWAT - Beamten, der sich von der Garage näherte. Der Mann verdehte die Augen und Ben verstand: Warum gerade jetzt?, hieß das. Gemeinsam huschten sie an die Wand rechts neben Alessios Fenster. Sie verharrten. Ben riskierte einen Blick, konnte aber nichts sehen, weil eine Gardine davor hing. Geduckt rannte er unter dem Fenster her Richtung Haustür. Der Regen prasselte auf seinen Rücken und obwohl er warm war, fühlte er sich unangenehm an. Auf der Terrasse hing eine Hängematte vollkommen bewegungslos in ihrer Verankerung. Auf einem runden Tisch stand ein Topf mit Osterglocken. Er hörte eine Frau weinen. Sie sage etwas, das er nicht verstehen konnte. Ben huschte zur Hausecke, blickte um sie herum. Er konnte aber nicht, wie beabsichtigt, einen Blick ins Wohnzimmer werfen, weil das Fenster zu weit von ihm weg war. Mit dem Rücken zur Wand und der entsicherten Waffe in den Händen, schob er sich an der Wand entlang und fragte sich, wasrum die Gangster nicht einfach kurzen Prozess gemacht hatten. Sie wollten Maria schließlich nicht als Geisel nehmen, sondern sie töten. Ben riskierte einen Blick durch das Fenster. Es war ein bisschen schwierig, denn in diesem Raum gab es fast so viele Pflanzen wie im Dschungel. Dann aber entdeckte er die Gangster. Sie waren zu zweit...und der eine war Angelo Crispi. Ben lächelte kurz, als er sich gegen die Wand presste. Dann blickte er erneut ins Wohnzimmer und endlich entdeckte er Maria. Sie saß in einem Sessel, das verweinte, verquollene und misshandelte Gesicht dem Fenster zugewandt. In den Sträuchern machte Ben drei weitere Kollegen aus, die zu ihm herübersahen. Ben wies mit dem Finger auf das Fenster, zeigte erst die Zahl zwei für zwei Gangster, und dann die Zahl eins mit dem Daumen. Er tippte auf seine Marke, die an seinem Gürtel befestigt war und hoffte, die Kollegen verstanden seine Zeichensprache. Sie nickten. Ben holte tief Luft. Er zählte bis drei ...und dann brach die Hölle los. Mit dem Griff seiner Waffe schlug er das Fenster ein. Die Kollegen an der Haustür und den beiden Nebentüren betrachteten das als Angriffszeichen und traten die Türen auf, die krachend gegen die Wände flogen.Maria schrie entsetzt. Sie warf die Hände vor das Gesicht, blieb aber wie erstarrt sitzen.Der Gangster, der mit einer Mach 10 bewaffnet war, begann wild zu feuern, während Angelo sich auf Maria stürzte und sie zu Boden riss.Ben feuerte ebenfalls, während er sich zum zweiten Mal in vierundzwanzig Stunden hinter einem Sessel in Sicherheit brachte.Schüsse aus der Küche und von der Haustür her fegten durch den Raum. Der Gangster, ein junger Asiate, wurde von einer Vielzahl Kugeln getroffen, die ihn in einem grotesken Tanz herumzucken ließen. Die Kugeln zerfetzten die Töpfe der Pflanzen, rissen Löcher in die Möbel und die Wände. Bilderrahmen zersprangen und eine Glühlampe explodierte. Glas - und Porzellanscherben rasten herum, bohrten sich in die Sessel und verletzten einen Beamten, der geduckt durch die Glastür hereinkam. Dann war es vorbei. Maria wimmerte und schluchzte, ein Beamter des SWAT - Teams, der durch die Küche hereingekommen war, brüllte Angelo an, er solle aufstehen. Angelo kam der Aufforderung nach."Er ist Polizist," sagte Ben. Er kletterte über die zerfetzten Reste einer Pflanze. Es knirschte unter seinen Füßen. Hinter ihm brach eine Scherbe aus der kaputten Tür und zersplitterte auf dem Boden. "Detective Angelo Crispi, Dezernat für Bandenkriminalität in West Palm Beach," erklärte Angelo und zückte vorsichtig seinen Ausweis. Ben kniete neben Maria nieder und legte der schluchzenden Frau die Hand auf die Schulter. "Es ist vorbei, Mrs. Montoya, und Alessio ist auch gerettet. Er befindet sich zurzeit im Biscayne General.""Ganz vorbei ist es noch nicht," mischte sich Angelo mit einem Blick auf seine Armbanduhr ein. "Wenn wir Walker aufhalten wollen, müssen wir uns beeilen." IM NÄCHSTEN KAPITEL: ÜBERRASCHUNG IN DEN EVERGLADES
Link to comment
Share on other sites

41. ÜBERRASCHUNG IN DEN EVERGLADESRico kam auf die Beine und machte sich auf den Weg nach oben. Die Thunderstorm durchpflügte das Wasser mit Höchstgeschwindigkeit.Die Person, die eigentlich dafür zuständig war zu beobachten, ob sie sich an Walkers Anweisungen hielten, hatte gemerkt, dass Sonny es auf sie abgesehen hatte. Sie hatte den Motor angeworfen, das Boot herumgerissen und befand sich auf der Flucht.Der Regen hatte aufgehört und die Sonne kam durch. Der Wind riss an Sonnys Haaren. "Crockett! Verdammt, was ist los? Bist du verrückt geworden?," schrie Rico,als er sich zu Sonnys gesellte.Sonny starrte das andere Boot an, dessen Fahrer sich immer wieder hektisch umsah. Sonnys Miene drückte wilde Entschlossenhit aus. "Im Gegenteil, Tubbs! Mein Verstand arbeitet absolut einwandfrei. Wir holen uns den Mistkerl da vorne und dann wird er uns verraten, was sein Boss plant. Wir haben hier zwar keine Alligatoren, aber wenn er nicht singt, verfüttern wir ihn eben an die hungrigen Fische." Der Abstand zwischen den Booten verringerte sich. Rico hörte das Handy klingeln, das Walker gehörte, aber er hatte jetzt keine Lust mit jemandem aus der Sippe des Zauberers zu reden."Geh lieber ran," riet Sonny. Er war genervt, weil der Abstand sich nicht so schnell verringerte, wie er es gern gehabt hätte. Deshalb schlug er mit der rechten Hand wütend auf das Steuer, als könnte er das Boot so zu höherer Geschwindigkeit antreiben.Rico nahm das Telefon, schaltete den Lautsprecher ein. "Ja? ,"bellte er."Sie sind zu spät und Sie wissen, was das bedeutet," sagte eine arrogante Männerstimme.Jetzt, wo beide wussten, dass Walker dahintersteckte, erkannten sie die Stimme auf Anhieb. Allerdings schien Walker davon auszugehen, dass sie nicht wussten, dass die Geiseln frei waren. Dennoch war seine Bemerkung seltsam. Rico und Sonny sahen sich erstaunt an und für eine Sekunde vergaß Sonny sogar die Verfolgungsjagd."Verdammt, wovon reden Sie, Mann?,"fragte Rico ungehalten. "Wir waren in der Bucht, aber niemand war dort. Sie riefen uns an und beorderten uns zu einem Boot auf See. Kreiden Sie es uns nicht an, wenn Sie unter Vergesslichkeit leiden!" Sonny gab Gas, um die Person einzuholen, deren Vorsprung sich wieder vergrößert hatte. Die ganze Angelegenheit wurde immer merkwürdiger."Hören Sie, Mann," fauchte Rico. "Wenn Sie scharf auf das Zeug sind, dann fahren Sie aufs Meer und holen Sie es sich!"Aber Walker hatte bereits aufgelegt. Die Thunderstorm raste weiter hinter dem flüchtenden Boot her, das nun die Sümpfe ansteuerte und darin verschwand.Sonny kniff wütend die Lippen aufeinander, während er weiter Gas gab. An der Einmündung riss er das Steuer herum. Das Boot schlingerte, brach hinten aus und drehte sich einmal um sich selbst.Rico hielt den Atem an und klammerte sich fest, wo er gerade Halt fand. Sonny brachte das Boot wieder unter Kontrolle, drehte es in die richtige Richtung und raste hinter dem fliehenden Boot her. Der Kanal war eng, die Zweige der Bäume hingen tief herab. Immer wieder brachen Äste ab, wenn sie daran entlang streiften, und es regnete Laub. Ein Ast, der abbrach, schlug herum und streifte Rico unterhalb des rechten Auges. Er sah ihn kommen, zuckte zurück, spürte aber dennoch den Schlag und dann ein feines Brennen. Als er mit der Hand über die Haut wischte, hatte er Blut an den Fingern."Willst du uns umbringen, Crockett?,"schrie er, aber Sonny drosselte das Tempo nicht. Sein Blick war stur geradeas gerichtet, seine Hände umklammerten das Steuer. Eine kleine Sandbank tauchte vor ihnen auf. Sie war fast so breit wie der Kanal, ließ nur an der linken Seite Platz für ein Boot. Aber Sonny wich nicht aus.Rico schrie: "Crockett!", und riss entsetzt die Hände vor das Gesicht. Aber da traf das Boot bereits die Sandbank. Es wurde hoch katapultiert und flog darüber weg. Rico brauchte seine Hände jetzt, um sich festzuhalten.Hart klatschte das Boot auf dem Waser auf, das hochspritzte und Rico und Sonny erneut durchnässte.Im Schiffsrumpf polterten die Kartons durcheinander, Rico versetzte es einen Schlag in den Nacken, und um ein Haar hätte er den Halt verloren. Sonny nahm die Geschwindigkeit zurück und er und Rico starrten angestrengt auf den Dschungel. Plötzlich sah Rico das weiße Boot etwas weiter rechts in einem anderen Kanal zwischen all dem Grün aufblitzen."Da!," rief er und wies mit der Hand in die entsprechende Richtung.Sonny nickte grimmig. Er gab mehr Gas, schoss um die Biegung in den anderen Kanal, um die Verfolgung wieder aufzunehmen. Der Fahrer des anderen Bootes bemerkt sie und versuchte zu entkommen. Der Kerl blickte sich ständig gehetzt um. Zwei Mal fuhr er sich deshalb fast fest ud quälte den Motor, um wieder frei zu kommen. Äste knackten und Vögel schimpften über die Störung.Sonny fuhr verbissen und höchst konzentriert. Ab und zu musste Rico sich schnell bücken, damit ihm nocht noch mehr Äste ins Gesicht schlugen.Vor ihnen heulte und jaulte wieder der Motor des anderen Bootes, aber dieses Mal hatte der Fahrer sich endgültig festgefahren. Er blickte gehetzt über die Schulter, sah, dass die Verfolger ihm dicht auf den Fersen waren, und kletterte an Land. Die dnkelblaue Regenjacke gab leise, klatschende Geräusche von sich, noch immer trug der Kerl eine Kapuze. "Er haut ab!," rief Rico und kletterte aus dem Boot, kaum, dass Sonny ans Ufer gefahren war. Rico sprintete los. Er wich tief hängenden Ästen aus, sprang über aus dem Boden ragende Wurzeln und einen querliegenden Baumstamm. Er rannte über einen schwammigen Untergrund und spürte, wie das Wasser in seine Schuhe drang. Die lehmige, modrige Brühe würde das Leder total ruinieren und er konnte die nagelneuen Gucci - Schuhe nur noch wegwerfen. Der Gedanke daran steigerte seine Wut auf den Kerl und Ricos Tempo. Der Abstand zwischen ihnen wurde immer kleiner und schließich sprang Rico dem Flüchtenden in den Rücken. Er hörte einen dumpfen Laut. Dann knallte der Kerl mit Rico auf dem Rücken in den Dreck. Rico hörte einen unmännlich klingendes Keuchen und auch die Schultern, die er umfasste, fühlten sich nicht männlich an. Er kam auf die Knie, warf etwas atemlos die Person herum, die er erwischt hatte... und blickte in Rachel Andersons Gesicht! "Sieh an!,"knurrte Rico. "Wen haben wir denn da?"Rico erhob sich, zog sie auf die Beine und packte, seitlich hinter ihr stehend, ihre Arme. "Jetzt reden wir mal Klartext, Miss Anderson!"Rachel schnaubte. "Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen," behauptete sie und reckte arrogant ihre kleine Nase in die Luft."Dann habe ich Sie wohl bei Ihrem täglichen Fitnessprogramm gestört," meinte Rico ironisch und schob sie vor sich her. Plötzlich fiel ihm ein, wo er sie schon mal gesehen hatte, abgesehen von ihrem Treffen im Jachthafen. Bei seiner Ankunft saß sie in der Motel - Lobby, lächelte ihn an und er hatte gedacht, was für eine hübsche Frau sie war. Zwischen den Bäumen tauchte Sonny auf. "Mann, Tubbs, das muss man dir echt lassen...- sieh einer an! Sie schon wieder!" Er war weitaus atemloser als Rico, weil er sein Fitnessprogramm vernachlässigt hatte. Es war Monate her, dass er sich das letzte Mal sportlich betätigt hatte.Sonny starrte Rachel an. Sie hatte er hier niht erwartet! "Sie will nicht mit uns reden," erklärte Rico lässig, während er Rachel weiter vor sich her auf Sonny zu schob. "Ich dachte, wir fesseln sie an einen Baum und fahren zurück nach Miami. Was denkst du, wer Rachel schneller findet? Walker oder das ganze Krabbelzeug, das hier im Dschungel lebt?" Sonny legte den rechten Zeigefinger an die Lippen und machte ein nachdenkliches Gesicht. Dabei musterte er Rachel ungeniert, aber mit einem hohen Maß an Verachtung."Eine interessante Frage, Rico," gestand er dann. Er schlug sich kurz auf den linken Unterarm, um ein vermeintliches Insekt zu töten. "Ich tippe auf das Krabbelzeug," sagte er dann und fuhr fort: "Weißt du, nachdem Walker eben anrief, ist mir was klargeworden. Ich denke, Rachel hat gemeinsame Sache mit Georgina gemacht. Georgy markierte die Kisten mit dem Koks, die Rachel auf hoher See abholen wollte. Die Ladies wollten Walker beklauen, stimmt´s?" Rico spielte den Entsetzten, während er Rachel gleichzeitig zu einem Baum hinüberschob, der ihm für die angebliche Fesselung am geeignetsten erschien. Er lag relativ nah am Kanal und Rico entdeckte ein Wespennest an einem der Äste. Die Wespen summten und brummten geschäftig."Walker beklauen? - Nein, also wirklich..." Rachel, das ist aber keine gute Idee!" Rachel entdeckte die Wespen und eine dicke, schwarze Spinne im Netz eines Strauches. Sie begann sich zu wehren. Sie wand sich, versuchte sich loszureißen. "Das können Sie nicht tun!,"rief sie in Panik. "Sie sind Polizisten!" Sonny hatte die Arme verschränkt. Es bereitete ihm eine diebische Freude Rachels Panik zu sehen. Es gab aber auch weitere Neuigkeiten, von denen Rico noch nichts wusste. Stan hatte nämlich gerade auf Ricos Handy angerufen. Deshalb war Sonny spät dran gewesen. Jetzt blickte er schmunzelnd zu Rico hinüber, der alle Hände voll damit zu tun hatte die Wildkatze Rachel festzuhalten. "Ich sag´s noch mal: Das Krabbelzeug kommt zuerst und Walker holt sich den Rest." Rico zog Rachel herum, sodass sie nun Sony ansah, in dessen Blick pure Verachtung lag. Er entknotete seine Arme, und schlug sich jetzt sogar zwei Mal an verschiedenen Stellen leicht auf den Arm, als säßen dort irgendwelche Stechinsekten, die er totschlagen müsste. Er grinste. "Der Spähtrupp ist schon da." Er wies auf Rachel. "Da du sie gerade so gut im Griff hast, hole ich das Seil, und wenn wir sie gefesselt haben sollten wir von hier verschwinden." Rachel keuchte entsetzt auf. Neben ihrem linken Ohr summte bereits ein Moskito und die dicke Spinne federte in ihrem Netz, als wäre es ein Trambolin und sie nähme bereits Anlauf, um sich auf ihr Opfer zu stürzen. Rachel dachte an die Schlangen, Käfer und die anderen Spinnen, die hier herumliefen und vielleicht noch größer waren als die dort in dem Netz."Warten Sie!,"bat sie panisch. "Lassen Sie mich nicht hier! Ich...- ja, Jessy, Georgy und ich haben 100 Kilo von dem Koks geklaut, Georgy hat den Rest gesteckt. Verdammt, das merkt kein Mensch! Nicht bei der Menge, die Curtis reinbringen will!"Rachel begann wieder sich zu winden. Sie hatte wirklich große Angst, Rico und Sonny könnten sie an einen Baum gefesselt zurücklassen.Sonny seufzte. "Nehmen wir sie mit, Tubbs." IM NÄCHSTEN KAPITEL: SCHNEE ÜBER MIAMI
Link to comment
Share on other sites

44. SCHNEE ÜBER MIAMIRico hielt Rachels Arm fest umklammert, als sie gemeinsam zum Boot gingen. Sonny trieb sie zur Eile an und Rico vermutete, dass er irgendwelche Informationen über das Handy von Stan erhalten hatte, vor Rachel aber nicht darüber reden wollte. "Wir nehmen die Thunderstorm," erklärte Sonny, als sie die Boote erreichten. Er stieg ein, nahm Rachel in Empfang und sagte: "Übrigens schöne Grüße von Stan."Rico nickte. Sonnys Worte bestätigten seine Vermutung. Er kletterte zum Schluss ins Boot. Missmutig betrachtete er sich seine schlammigen Schuhe und entdeckte einen Riss in der schmutzigen Hose. Beide Sachen waren ruiniert und er würde sie wegwerfen können. Wie gut, dass er das Versace - Jackett auf dem Boot zurückgelassen hatte. Außerdem hätte Sonny ansonsten nicht mit Stan reden können. Der Akku von Sonnys Handy war schließlich leer. Sonny warf den Motor an, wendete das Boot und manövrierte es durch den Kanal. Rachel öffnete aufreizend langsam ihren Regenmantel, in dem sie jetzt, da die Sonne wieder vom Himmel brannte, sicherlich stark schwitzte. Durch den Regen war die Luftfeuchtigkeit höher als sonst und es fühlte sich an, als atmete man durch einen nassen Schwamm. Sonny konzentrierte sich auf das Fahren, deshalb blickte Rachel Rico herausfordernd lächelnd an. Sie war es gewohnt, dass Männer auf ihre Reize reagierten und sie wusste sie einzusetzen. Schließlich verdiente sie damit ihr Geld."Das funktioniert bei mir nicht," sagte Rico, musterte sie geringschätzig, als unter dem Regenmantel eine schwarz - glänzende Leggings und ein himbeerfarbenes Top mit tiefem Dekolleté zum Vorschein kamen. "Zumindest nicht, wenn eine wie Sie probiert. Setzen Sie sich!"Dann setzte er seine Sonnenbrille auf. Durch die verspiegelten Gläser konnte er sie problemlos beobachten. Was er sah, gefiel ihm nicht. Das Lächeln verschwand, Rachel sank tatsächlich brav auf die Bank. Trotz der Zurechtweisung wirkte sie jetzt wieder arrogant und selbstsicher. Manchmal warf sie schnelle Blicke zu Rico und Sonny und dann zuckte es spöttisch in ihren Mundwinkeln. Genau das war es, was Rico missfiel. Sie sah aus wie jemand, der einen Trumpf im Ärmel versteckt hatte. "Georgy ist tot," sagte Sonny, als er das Boot an der Sandbank vorbeisteuerte. Er blickte kurz über die Schulter, sah das Erschrecken in Rachels Augen, und wandte sich ab. Er wartete auf eine Reaktion, die nicht kam. Nur Rico sah, dass sie für ein paar Sekunden die Augen schloss, tief Luft holte, und dann auf ihre gepflegten Hände mit den zartrosa - lackierten Nägeln starrte."Wer ist Jessy?,"fragte Rico.Rachel zuckte die Achseln, hatte sich bereits wieder unter Kontrolle und erwiderte schnippisch: "Finden Sie´s doch raus! Sie sind doch angeblich so tolle Bullen!"Dann verstummte sie, starrte mit zusammengepressten Lippen und im Schoß gefalteten Händen aufs Meer hinaus, als Sonny nun an der Küste entlangfuhr. Der Wind hatte die Wolkendecke komplett auseinandergerissen und wehte ihnen kräftig um die Nase. Der glänzende Leib eines Flugzeugs schwebte Richtung Flughafen vom Himmel herab und ein riesiges Keuzfahrtschiff durchpflügte auf dem Weg nach Süden das Meer. As Sonny das Boot durch eine höhere Welle steuerte, wurde es hochgehoben, klatschte aufs Wasser zurück und die Gischt spritzte ins Boot. Rachel stieß einen spitzen Schrei aus, der Sonny ein fast diabolisches Grinsen entlockte. Das Wasser durchnässte alle drei. Rachels Make - up lief in dunklen Streifen von den Augen über die Wangen. Sie hatte jetzt etwas von einem Clown, einer traurigen Witzfigur, aber sie schmunzelte weiterhin auf eine beunruhigende Weise. "Ich denke, wir sollten sie ins Wasser werfen und nach Miami schwimmen lassen," sagte Rico plötzlich.Sonny schob erstaunt die Sonnenbrille hoch und sah Rico an, aber ihm war klar, dass sein alter Partner so einen Vorschlag nie grundlos unterbreitete. Rico hatte Rachel beobachtet und wahrscheinlich sagte ihm mal wieder sein Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmte. Sonny wusste, dass Ricos Bauchgefühl meistens zutreffend war. Sonny grinste, nahm Fahrt zurück und antwortete: "Eine gute Idee. Ds Boot ist sowieso überladen. Werfen wir das von Bord, was uns ganz offensichtlich den wenigsten Nutzen bietet."Rico schnappte sich Rachel, die aufgesprungen war und gern zurückgewichen wäre, wenn es denn eine Möglichkeit gegeben hätte. Sie misstraute Rico. Er hätte sie an den Baum gefesselt zurückgelassen und er würde sie auch über Bord werfen."Nein! Warten Sie! Bitte...Mr. Crockett!," rief Rachel gehetzt. Sie hatte die Hände abwehrend erhoben, Rico stand vor ihr und hatte ihre Handgelenke gepackt."OK... also gut. In Ihrem Kofferraum...da liegen fünf Kilo Koks. Curtis hat der Drogenfahndung einen Tipp gegeben. Sie warten am Motel, um Sie zu verhaften, aber mehr weiß ich wirklich nicht. Ich wollte nicht mal zurück nach Miami! Georgy, Jessy und ich wollten uns in Nassau treffen. Wir sind dort übermorgen mit jemandem verabredet, der das Kokain kaufen will. Von dort aus wollten wir verschwinden." Rico schubste sie auf die Bank zurück. Seine Miene verriet seine Wut. Sonny gab wieder Gas. Die Art, wie er es tat, verriet, dass auch er vor Wut kochte."Wer ist Jessy?,"knurrte Rico.Rachel holte tief Luft. Sie sah ein, dass es sinnlos war irgendwas zu verheimlichen. Georgy war tot, sie selbst würde vermutlich für viele Jahre hinter Gittern verschwinden. "Jessica Landon," seufzte sie. Rico rief Stan an, reichte die Informationen weiter und erfuhr, was Sonny ihm bisher verschwiegen hatte: Vice kannte jetzt den wahren Ankunftsort des Kokains."Ich denke, wir wollen dabei sein, wenn das Päckchen geliefert wird," sagte Rico, woraufhin Sonny nickte. Im Jachthafen standen ein ziviler Einsatzwagen und zwei Polizeiwagen mit je zwei Beamten darin. Die Beamten des einen Fahrzeugs nahmen Rachel in Empfang, die anderen kümmerten sich um die Corvette. Nachdem Walkers Leute das Kokain in den Kofferraum legten, steckten sie den Schlüssel ins Zündschloss, damit Sonny bei der Rückkehr denken sollte, er hätte ihn dort vergessen. Ein cleverer Plan, der zum Glück nicht funktionierte. Aus dem zivilen Einsatzfahrzeug stieg Ben. Die drei Männer reichten einander die Hand, ehe Ben meinte, Stan hätte ihn geschickt, damit sie das große Finale nicht verpassten."Was ist mit Trudy und den anderen?," wollte Rico wissen, als sie zum Wagen eilten. Die Waffe, die er dem Kerl auf St. Andrews abgenommen hatte, übergab er einem Beamten. Die Waffe, die Sonny mitgenommen hatte, war auf der Blizzard zurückgeblieben, um die sich bereits andere Kollegen kümmerten. Sie stiegen ein. Ben startete den Motor und als er losfuhr antwortete er: "Trudy wurde von einer Kupferkopf gebissen. Die Ärzte tun, was sie können, aber es ist zu früh, um etwas sagen zu können. Den anderen Geiseln geht es gut." Ben schaltete das Blaulicht ein, das auf dem Armaturenbrett installiert war, und gab Gas. Während er stadtauswärts raste und Phil Collins "Lose my number" sang, erzählte er, dass sie im Zuge der Ermittlungen auf einige alte Bekannte von Rico und Sonny gestoßen waren:Howie Wong, den ehemaligen Restaurantbesitzer, der wohl auf Rico angesetzt gewesen war. Howie war am 13. März nach New York geflogen und mit der gleichen Maschine zurückgekehrt wie Rico. Dann waren da Zheng und Chang, Enkel eines Mannes namens Lao Li, die wegen des Verkaufs von 50 kg Kokain verurteilt und 1992 aus dem Raiford Gefängnis nach Bolton verlegt worden waren. Dort trafen sie auf einen weiteren alten Bekannten: Ross Miller. Miller, so berichtete Ben, hatte für einen Mann namens Juan Carlos Silva gearbeitet, der groß im Drogengeschäft gewesen und von seiner Tochter Rosella erschossen worden war. Miller war verurteilt worden, weil man ihn des Drogenschmuggels und der Beteiligung am Mord von mindestens sechs Menschen bezichtigte, was er stets bestritten hatte. Als Ben seinen langen Bericht beendete, erreichten sie das Gelände eines kleinen, privaten Flugplatzes. Er war mit einem etwa zwei Meter hohen Drahtgeflechtzaun eingefriedet, in den ein stabiles, dunkelgrünes Eisentor eingelassen war, das nun offen stand.Auf der linken Seite befand sich eine kleine Lagerhalle, rechts der Hangar, vor dem eine Maschine parkte, an der zwei vermeintliche Mechaniker in orangefarbenen Overalls herumzuschrauben schienen. Zwei weitere Polizisten mähten mit Aufsitzmähern den Rasen. Sie trugen dschungelgrüne Arbeitsanzüge mit einer großen Sonnenblume auf dem Rücken. Jedes der Blütenblätter war mit einem Buchstaben versehen, die, aneinandergereiht den Namen der Gärtnerei - Bellamy - bildeten. Ein passender Lieferwagen parkte schräg vor der Lagerhalle. Darin warteten vier Polizisten. Zwei weitere Autos standen auf dem gepflasterten Platz links am Lagerhaus. In der Lagerhalle wie auch im Hangar warteten weitere Polizisten, darunter Stan, Gina, Castillo und Angelo. Sie begrüßten einander und Rico sagte: "Was für eine verrückte Geschichte.""Allerdings," bestätigte Stan und reichte den Freunden eine Waffe. Während sie die Waffen gewohnheitsmäßig überprüften fragte Sonny: "Was ist mit Walker?" In Stans Funkgerät knackte und rauschte es. Die Aufsitzmäher knatterten und einer der "Mechaniker" ließ versehentlich einen Schraubenschlüssel fallen."Wir haben ihn nicht gefunden," antwortete Stan. "Er hatte die Villa bereits verlassen und neben seiner Schwester Ramona sind die drei Affen die reinsten Plaudertaschen." Rico blickte prüfend zum Himmel. Um eine solche Menge Koks zu transportieren benötigte man entweder mehrere Maschinen oder einen Militärhubschrauber. Bisher aber sah er nichts als einige Schäfchenwolken, die der warme Wind vor sich her schob. Staub tanzte bereits wieder in der Luft. Wieder knackte es in Stans Funkgerät. "Da kommen zwei Lastwagen," sagte eine männliche Stimme. "Und eine Limousine.""Los geht´s," sagt Sonny. "Vermiesen wir Walker den Tag!"Rico postierte sich an dem Torpfeiler ganz rechts, Sonny benutzte den nächsten Pfosten. Auch alle anderen suchten sich günstige Positionen. In der Ferne war nun das dunkle Brummen eines Militärhubschraubers zu hören, der rasch näher kam. Die beiden Lastwagen rumpelten durch das Tor, gefolgt von der blankpolierten, schwarzen Limousine. Alle drei Fahrzeuge fuhren zum Rollfeld und blieben dort stehen. Über den Bäume tauchte jetzt, wie eine gigantische Libelle, der Hubschrauber auf, der mit unglaublichem Getöse herabschwebte. Der Boden war in der Hitze längst getrocknet und wurde nun aufgewirbelt, als der Hubschrauber sich herabsenkte. Aus jedem Lastwagen sprangen vier Männer in Kampfanzügen und Stiefeln, mit Mach 10 an den Gürteln, um die Ware aus dem Hubschrauber zu laden. Die Türen der Limousine öffneten sich, Curtis Walker und der Bolivianer Emanuel Cruz stiegen aus. Walker hatte immer noch den gleichen hochmütigen Gesichtsausdruck wie damals und wirkte eher schmächtig. Ein heller Hut mit einem indigoblauen Band, passend zu dem Anzug, den er trug, saß auf seinem Kopf. Er hielt ihn it der rechten Hand fest, damit er nicht heruntergeweht wurde. Cruz war neunundzwanzig, ein mittelgroßer Mann mit nachtschwarzen, gewellten Haaren, die bis zum Kragen seines Hemdes reichten. Sein Gesicht war länglich mit hochangesetzten Wangenknochen, einer scharf geschnittenen Nase und Lippen, die manch einer wohl als sinnlich bezeichnen würde. Seine Schultern waren breit, die Hüften schmal. Er galt als Frauentyp. Jetzt sah er sich um. Irgendwas schien ihm zu missfallen. Vielleicht "arbeiteten" zu viele Leute auf dem Flugplatz. Plötzlich sah er zum Hangar, schrie etwas und wedelte hektisch mit den Armen, damit der Hubschrauber abdrehte."Los!,"kommandierte Stan in sein Funkgerät.Walker versuchte sich in seiner Limousine in Sicherheit zu bringen, während Cruz und die acht Helfer ihre Waffen zogen. Auf der Zufahrtsstraße rasten zwei Fahrzeuge heran und blockierten die Ausfahrt. Die ersten Schüsse fielen auf beiden Seiten. Die Polizisten, die in Bellamys Lieferwagen gewartet hatte, sprangen heraus und nahmen mit den drei Polizisten, die in der Lagerhalle gewesen waren, den Hubschrauber unter Beschuss. Cruz feuerte Richtung Hangar. Er wurde getroffen und es schüttelte ihn regelrecht durch, ehe er zusammenbrach. Ehe er starb, schoss er noch zwei Mal. Eine der Kugeln traf den Tank eines Aufsitzmähers, der in die Luft flog. Die Druckwelle schleuderte den Polizisten, der dahinter Deckung gesucht hatte, mehrere Meter weit zurück. Er brannte, warf sich schreiend herum.Sein Kollege, der in der Nähe hinter dem zweiten Mäher hockte, rannte durch den Kugelhagel geduckt zu ihm und riss seine Jacke herunter, um die Flammen zu ersticken. Nur einen Moment später erwischte ihn eine Kugel an der linken Schulter. Drei von Walkers Leuten brachen tot zusammen, ebenso ein Polizist. Walkers Chauffeur versuchte die Limousine mit seinem Boss darin in Sicherheit zu bringen. Die Reifen quietschten, als er Vollgas gab und auf das Tor zuhielt. Die Heckscheibe zersprang mit lautem Knall, Kugeln prallten mit hellem Ton vom Fahrzeug ab. Über ihnen hustete und spuckte der Motor des Hubschraubers. Rico feuerte auf die Reifen der Limousine. Geduckt verließ er seinen Platz und huschte zu einem Container, der näher am Tor stand. Mehrere Kugeln durchschlugen von vorn die Scheibe, die Reifen auf der Fahrerseite barsten unter Ricos Kugeln.Der Chauffeur bäumte sich auf, ehe er tot über dem Lenkrad zusammenbrach. Der Wagen raste ungebremst auf das Tor zu. Die Kollegen stießen warnende Schreie aus.Dann krachte die Limousine in die beiden quer vor dem Tor geparkten Polizeiwagen. Es gab eine Explosion, ein Feuerball stieg in die Luft und mehrere Einzelteile schossen herum. Ein unbeschädigtes Rad rollte davon. Alle, die in der Nähe waren, wandten sich ab und schlossen für einen Moment die Augen, um ihre Gesichter vor der unglaublichen Hitze zu schützen. Rico blickte zu dem Hubschrauber, aus dem es qualmte. Er trudelte, hustete und stotterte. Ringsum wurden Rufe laut: die Schreie der Verletzten, Stan, der durch sein Funkgerät Befehle erteilte, die Rufe nach einem Rettungswagen und die Stimmen der Kollegen, die Walkers überlebende Männer aufforderten, ihre Waffen fallen zu lassen. "Alles OK bei dir, Rico?,"fragte Sonny, der sich unbemerkt zu ihm gesellt hatte.Rico nickte, den Hubschrauber nicht aus den Augen lassend. "Bestens, Mann," antwortete er. Im gleichen Moment wurde aus dem Hubschrauber der Ballast abgeworfen, 1000 Kilo Kokain.Rico grinste Sonny an. "Schnee über Miami. Wann hätte es das je gegeben?"Auch Sonny grinste. "Vor allem bei 27 Grad Außentemperatur." In der Ferne erklangen die Matinshörner von Feuerwehr und Rettungsdienst. Ein Kollege war zu einer nahen Baustelle gelaufen und hatte den Baggerfahrer gebeten zu kommen und die Zufahrt freizuräumen.Hinter Rico und Sonny tauchte Stan auf. "Ben fährt euch und Castillo zum Biscayne General. Ich denke, ihr werdet dort bereits erwartet." IM NÄCHSTEN KAPITEL: IM KRANKENHAUS
Link to comment
Share on other sites

44. IM KRANKENHAUSAuf dem Weg ins Krankenhaus waren die vier Männer sehr still. Im Radio lief Razorlight "Wire to wire". Die Anspannung der letzten Tage fiel allmählich ab und die Erschöpfung machte sich bemerkbar. Ricos Handy klingelte. Er seufzte, als er es aus der Tasche zog und Alainas Nummer auf dem Display fand. "Hallo, Alaina," sagte er müde. Er konnte sie schließlich nicht ständig abwimmeln."Hallo, Dad, kann ich jetzt mit dir reden?," fragte Alaina vorsichtig."Wenn es wieder um das Auto geht...," begann Rico und lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze. Er fühlte sich erledigt und er wusste jetzt schon, dass er in der kommenden Nacht schlafen würde wie ein Stein."Oh, nein, Dad!," fiel Alaina ihm ins Wort. "Es ist etwas anderes. Ich glaube... na ja, ich weiß nicht, aber vielleicht... es kann sein, dass ich was dummes gemacht habe." Rico setzte sich kerzengerade auf und ihm schossen die verschiedensten Dummheiten durch den Kopf: Sie war beim Diebstahl erwischt worden, sie hatte Drogen genommen, sie war schwanger... "Du sagst imer, ich soll niemandem deine private Telefonnummer geben, aber vor zehn Tagen... oder so ... also, da wartete ein Mann vor der Schule auf mich. Er sagte, er wäre ein alter Freund aus Miami, der dich gern überraschen würde, aber er könnte dich nicht erreichen, weil deine Nummer nicht im Telefonbuch steht. Er sah nett aus und da... na ja, ich habe ihm deine Festnetznummer gegeben." Im ersten Moment seufzte Rico erleichtert. Keine Diebstahlsanzeige, keine Drogen und keine Schwangerschaft, aber dann wurde ihm mit einem Mal bewusst, was alles hätte passieren können. Walkers Leute hatten seine Familie ausfindig gemacht. Wie, das würde er wohl nie erfahren, aber der Gedanke, was sie seiner Familie hätten antun können, verursachte ihm Übelkeit."Wie sah er aus?," fragte er, obwohl er es ahnte."Oh, er war alt," meinte Alaina. "Mindestens fünfzig!"Rico zog eine Grimasse, als litte er plötzlich unter fürchterlichen Zahnschmerzen, aber er unterließ es Alaina darau hinzuweisen, dass er demnächst 59 wurde."Er war ein Asiate," fuhr Alaina fort. Sie war stolz darauf, dass sie sich Gesichter so gut merken konnte. Wenn er sie darum bat, würde sie ihm den Mann sogar zeichnen. Darin war sie ebenfalls sehr gut. "Chinese oder Japaner. Er war nicht sehr groß. Auf jeden Fall kleiner als du und er hatte fast ganz graue Haare. Seinen Namen hatte er nicht gesagt, das fand ich komisch." Ben lenkte den Wagen auf den Krankenhaus - Parkplatz. Rico beschloss deshalb später intensiver mit Alaina zu reden. Jetzt wollte er Alessio kennen lernen. Er sagte ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, aber niemandem mehr seine Nummern geben. Dann beendete er das Gespräch und stieg aus, um mit Sonny und Castillo ins Krankenhaus zu eilen. Sie fuhren in die 6. Etage hinauf. Es war ein merkwürdiges Gefühl für Rico zu wissen, dass er gleich seinem Sohn gegenüberstehen würde. Er war neugierig, aufgeregt. Er schielte zu Castillo. Er wusste, dass Martin seinen Sohn an diesem Tag schon einmal getroffen hatte, aber Zeit, um in Ruhe zu reden, hatten sie nicht gehabt. Castillo wirkte äußerlich jedoch vollkommen ruhig, fast emotionslos. Sein Gesicht zeigte die altbekannte, unbewegte Miene. Nur er selbst wusste, wie stark seine Nerven vor Aufregung vibrierten. Billy und Abhisit saßen wieder vor Trudys Tür. Billy hatte sich bei Damian Geld geliehen, damit er und Abhisit was ordentliches essen konnten. Alessio hatte sie gebeten ihm einen Hamburger nd eine doppelte Portion Pommes mitzubringen, denn er wollte bei seiner Großmutter bleiben. Inzwischen hatte Maria ihm alles erzählt, was sie ihm bisher nicht hatte sagen dürfen. Alessio hatte ihr ungläubig gelauscht und ab und zu eine Frage gestellt. Jetzt wartete er auf seinen Vater. Als sich der Aufzug öffnete und Rico, Sonny und Castillo ausstiegen, erhoben sich Billy und Abhisit. Sonny umarmte Billy, Castillo und Abhisit lächelten einander erst mal verhalten an."Habt ihr es den Mistkerlen gezeigt?," fragte Abhisit.Castillos Mundwinkel zuckten. "Das haben wir." Dann umarmte er seinen Sohn, der über seine Schulter zu Rico blickte und sagte: "Zimmer 612." Rico klopfte an die entsprechende Tür und dann standen er und Alessio einander gegenüber. Rico musste den Blick heben, denn Alessio war gute zehn Zentimeter größer als er, aber er hatte eindeutig mehr von Rico als von Angelina geerbt.Sie lächelten sich an und Rico fragte: "Bist du OK?"Alessio nickte. Er fasste sich an den Hinterkopf, wo ihn der Knüppel traf, der ihn niederstreckte. "Eine Narbe werde ich wohl als Erinnerung behalten." Rico ging zum Bett und reichte Maria die Hand. Ihr rechtes Auge war bläulich verfärbt und zugeschwollen, ein Verband bedeckte ihre rechte Wange. "Tut mir leid, dass Sie verletzt wurden, Mrs. Montoya," bedauerte er, aber Maria machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich werd´s überleben. Haben Sie den Drahtzieher wenigstens erwischt?"Rico dachte an die Limousine, die, von Kugeln durchsiebt, in Flammen aufgegangen war. Er nickte. "Das haben wir." Castillo und Abhisit gingen in die Cafeteria. Castillo trank kubanischen Kaffee, Abhisit chinesischen Tee. Abhisit erzählte, was geschehen war und wie dumm er sich benommen hatte, als er die Warnungen seiner Mutter ignorierte.Castillo bot ihm an bei ihm zu wohnen. Sie hatten vieles zu besprechen und außerdem waren Abhisits Papiere und sein Gepäck verschwunden.Abhisit lächelte. Castillo fand, dass die Ähnlichkeit mit Mai Ying so nch viel deutlicher wurde. "Cool," meinte Abhisit. "Kaum lerne ich meinen Vater kennen, muss ich ihn auch schon anpumpen." Eine halbe Stunde nach der Akunft im Krankenhaus ging Rico zu Trudys Zimmer hinüber. Damian saß neben ihrem Bett und hielt ihre Hand. Trudys Bein war hochgelagert, der Biss abgedeckt worden. Eine Infusion tröpfelte in ihre rechte Armvene, durch zwei Stöpsel in ihrer Nase strömte zusätzlich Sauerstoff in ihre Lungen. An ihrem rechten Ohr befand sich ein weiterer Verband, und sie war an ein EKG - Gerät angeschlossen, das regelmäßig piepste. Dmian sah auf und die Blicke der Männer begegneten einander. Damians Hirn begann sofort mit der Schnellanalyse: Ende fünfzig, kaum graue Haare. Hat sich gut gehalten. Dynamisch, sportlich, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlend."Ricodachte: Jünger als ich dachte. Sportlicher Typ, sieht aber jetzt ziemlich müde aus. - Wie wir alle.Rico streckte ihm die Hand hin. "Ricardo Tubbs."Damian ergriff die dargebotene Hand ohne zu zögern. Ein fester, aber nicht quetschender Händedruck, dachte er und sagte laut: "DamianParson.""Wiegeht´s Trudy?," fragteRico und blickte sorgenvoll auf die langjährige Freundin. Damian streichelte gedankenverloren Trudys linke Hand. "Auf jeden Fall nicht sclechter als vor ein paar Stunden. Ihr Bein wird sie wohl auch behalten können. - Ist Walker erledigt?" Rico dachte erneut an das von Schüssen surchsiebte Fahrzeug und die Explosion. Viel war von der Limousine nicht übrig geblieben. Er nickte. "Ist er. Sie haben was verpasst. Heute hat es in Miami geschneit...Tausend Kilo Koks."Damian grinste. "Da werden sich die Vögel aber freuen: Kokaingewürzte Regenwürmer und Käfer, eine seltene Delikatesse." Rico lachte. Es war vorbei und die Guten hatten tatsächlich gewonnen. Selbstverständlich war das nicht. Viel zu oft hatte er am Ende eines Falles erschöpft und manchmal verwundet, zusehen müssen, wie der Gangster im Sonnenuntergang verschwand. Für Walker galt das nicht und das machte ihn froh. IM LETZTEN KAPITEL: WAS NOCH ZU KLÄREN WAR...
Link to comment
Share on other sites

45. WAS NOCH ZU KLÄREN WAR...In den nächsten Tagen waren alle sehr beschäftigt. Rico und Alessio hatten einander ebenso viel zu erzählen wie Castillo und Abhisit. Trudy erholte sich erstaunlich schnell und es hieß, sie dürfte das Krankenhaus möglicherweise bereits am Samstagmorgen verlassen, wenn auch auf Krücken, und das Vice - Team arbeitete daran de Fall abzuschließen. Für Samstagabend lud Billy alle Beteiligten zu einem Barbecue in sein Haus ein, denn am Sonntagmittag würde Rico nach New York zurückkehren. Der Samstag war deshalb die letzte Gelegenheit noch mal alle zusammen zu bekommen. Am Samstagnachmittag schloss Gina endlich den Bericht zu dem Fall ab. Sie streckte seufzend ihren verspannten Rücken. Sie ließ den Kopf ein paar Mal kreisen, ehe sie mit der linken Hand zur rechten Schulter fasste und sie zu massieren begann. Die letzten Tage waren sehr anstrengend gewesen. Sie hatte völlig ungesund gelebt, hatte kaum gegessen und wenn, dann fettig und süß. Sie hatte zuviel Kaffee getrunken, zu wenig geschlafen, zuviel gearbeitet... und sich zu wenig um Elena gekümmert. Als sie gestern Abend spät nach Hause kam war Elena nicht da gewesen. Est nach Mitternacht war sie hereingeschlichen, furchtbar erschrocken, als sie plötzlich ihrer Mutter gegenüberstand, und hatte dann auf stur geschaltet. In diesem Punkt war sie Juan sehr ähnlich. Gina hatte nicht bemerkt, dass Sonny hereingekommen war. Sonny war zuerst zu Gina nach Hause gefahren, hatte aber festgestellt, dass ihr Wagen nicht dort stand. Er hatte dshalb vermutet, dass sie im Büro war... und da saß und massierte ihre rechte Schulter. Sonny trat hinter Gina. Sie erschrak, als er begann ihre Schultern zu massieren. Dann blickte sie auf und lächelte." Du kommst wie gerufen," seufzte sie."Ich wollte dich zum Barbecue abholen, aber du warst nicht zu Hause. Da dachte ich mir, dass du noch im Büro bist. Billy will um sechs den Grill anheizen." Sonny beugte sich zu ihr hinunter und raunte: "Die letzten Tage waren für uns alle sehr anstrengend." Gina nickte. "Ich wollte unbedingt den Bericht fertig schreiben." Sie schloss die Augen, genoss seine Nähe, die sanfte Berührung seiner Hände. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals, der Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase und der Klang seiner Stimme war in ihrem Ohr. Das alte Prickeln war wieder da und ihr Herz schlug schneller. Er schaffte es immer noch sie völlig aus der Bahn zu werfen. "Wir sollten fahren. Ich muss zuerst sowieso nach Hause, mich hübsch machen, meine Tochter anketten..." - Gina riss sich zusammen. Es war besser nicht zu vergessen, dass es bei ihr und Sonny nicht zu einem Happy - End kommen würde. Sobald die Corvette freigegeben war - vermutlich am Montag - kehrte Sonny nach West Palm Beach zurück. Sein Leben spielte dort, ihres hier in Miami und jeder hatte mehr als genug mit sich und seinem Leben zu tun. Sonny lachte. "Ich könnte dir helfen. Ich glaube, ich habe irgendwo noch eine Kette von Elvis. Sehr robustes Material. Alligatorzahnerprobt!," bot er an, als sie gemeinsam das Büro verließen.In den anderen Räumen war eine Menge los. Telefone klingelten, Schubladen knallten und Stimmen schwirrten durcheinander.Gina warf Sonny schmunzelnd einen Seitenblick zu. "Ich denke, wir treffen uns bei Billy." Das Fleisch, die Würstchen und etliche Maiskolben bruzzelten bereits auf dem Grill. Salate standen abgedeckt auf einem Tisch auf der Terrasse, kalte Getränke befanden sich in den Kühlboxen unter dem Tisch. Auf der CD, die in der Musikanlage steckte, war ein selbst zusammengstellter Mix: Coldplay, Christina Aguilera, Nickelback, Linkin´ Park und etliche Songs aus den 80ern: Phil Collins, Tina Turner, Bryan Adams... Vom Meer her wehte ein warmer Wind, die Gäste saßen an einem Tisch zusammen, tranken und plauderten. Das Hauptgesprächsthema war jedoch Curtis Walker."Walker hatte wirklich einen unglaublichen Plan entworfen," meinte Damian. Er hielt das Weinglas mit dem funkelnden Rotwein in der rechten Hand, der linke Arm lag besitzergreifend um Trudys Schultern. Sie hatte das Krankenhaus tatächlich am Morgen verlassen dürfen und wollte unbedingt bei der Party dabei sein. Selbst, wenn es vielleicht nur eine Stunde war. Sie fühlte sich nämlich nach wie vor etwas schlapp.Sonny hob sein Bierglas. "Gut, dass es nicht funktionierte."Auch alle anderen hoben ihe Gläser. Sie tranken einen Schluck, ehe Stan bedauernd meinte: "Schade, dass die Personen in der Limousine nicht identifiziert werden konnten. Außer Walker und seinem Chauffeur saßen zwei weitere Personen darin, eine davon war eine Frau. Wir vermuten, dass die Frau Jessica Landon war." Billy verkündete, dass das Essen fertig war und alle, außer Trudy, bedienten sich. Trudy ließ sich bedienen und sie genoss es sichtlich."Dein Glas ist leer," sagte Rico, als er mit seinem Teller, gefüllt mit Salaten nd gegrillten Maiskolben, zurückkehrte. "Möchtest du...?""Ich mache das schon," warf Damian ein, der ebenfalls gerade an den Tisch kam. Dann stutzte er, grinste und gestand achselzuckend: "So bin ich eben." "Konnten Sie eigentlich herausfinden, was dieser Walker mit uns tun wollte?,"fragte Abhisit, als alle wieder am Tisch saßen und blickte Stan an. "Freilassen wollte er uns nämlich nicht." Stan knabberte an einem Spare Rib herum, von dem der Saft auf seinen Teller tropfte. Jetzt hielt er inne und nickte. "Sein Plan war teuflisch. Ein anderer Asiate kehrte mit Ihren Papieren und Ihrem Gepäck nach Bangkok zurück. Nachdem Ramona beschloss uns alles zu erzählen, konnten wir das überprüfen. Abhisit Martin Wang ist offiziell am Montagmorgen nach Thailand zurückgeflogen, wo sich seine Spur verlor." Stan knabberte an dem Fleisch herum, kaute und schluckte, ehe er fortfuhr: "Alessio und Maria sollten getötet werden... - na ja, eigentlich solltet ihr alle getötet werden. Nach Marias und Alessios Tod hätte man natürlich über Haare in einer Bürste feststellen können, dass Alessio Ricos Sohn war, aber eine Verbindung zwischen den Beiden oder einen Beweis für die Entführung und die Erpressung hätte es nicht gegeben, ebenso wenig wie bei Ihnen, Martin. Ramona hatte nämlich dafür gesorgt, dass alle Beweise verschwunden waren." Stan blickte in die Runde. Er gefiel sich in der Rolle des Erzählers. Er knabberte den rest Fleisch von dem Knochen, legte ihn auf den Teller und griff nach einer Serviette.Rico sah ihn erstaunt an. "Ramona konnte alles verschwinden lassen?" Stan wischte die Finger ab und den Mund. Er zerknüllte die Serviette und behielt sie in der Hand, statt sie auf den Teller zu legen, weil er davon ausging, dass er noch was essen würde."Natürlich nicht. Mandy aus dem Labor sagt, es wären zwei Männer in Anzügen aufgetaucht. Sie hatten eine Verfügung dabei und die Dienstausweise sahen absolut echt aus. Sie sagten, sie wären von der Drogenfahndung in West Palm Beach und würden an diesem Fall bereits seit längerem arbeiten. Sie wollten alle Beweise mitnehmen und Mandy hatte keinen Grund an der Echtheit der Verfügung und der Dienstmarken zu zweifeln. Was in unseren Computern war konnte Ramona ziemlich problemlos vernichten, weil auf dem Material für die einzelnen Fälle schließlich kein Passwort liegt." Billy, der alle Gäste wohl versorgt sah, hatte sich ebenfalls einen Teller gefüllt, war an den Tisch gekommen und hatte sich Alessio gegenüber niedergelassen. "Trudy und mir wollten sie eine Liebesgeschichte andichten," sagte er, ehe er sich über das Fleisch hermachte.Alessio grinste breit und seine grünen Augen funkelten vergnügt. "Trudy... und du?" Er beugte sich vor, um an Rico und Damian vorbei zu Trudy zu blicken, die an der andeen Ece des Tisches saß. So konnte sie ihr linkes Bein zur Seite ausstrecken, ohne jemanden zu behindern. "Nichts für ungut, Trudy, du bist wirklich nett, aber du und Billy...?" Stan stand auf, weil er sich tatsächlich entschieden hatte seinen Teller erneut zufüllen. Er nahm den Teller und erklärte: "Der Altersunterschied und das vermutliche Unverständnis der Umwelt sollten ja auch der Grund sein, warum das ungleiche Liebespaar aus dem Leben scheiden wollte. So stand es in dem Abschiedsbrief, den wir in Walkers Hauptquartier gefunden haben."Er marschierte zu dem Tisch mit den Salaten und wirkte ziemlich unentschlossen als er von einer Schüssel zur anderen wanderte.Gina schielte nach rechts, wo Sonny saß. Ob sie ihm sagen sollte, dass Elena heute bei einer Freundin übernachtete? - Vielleicht später! "Diesen Abschiedsbrief hätte man doch als Fälschung entlarven können," meinte Sonny und sah Damian an, dessen Finger gedankenverloren mir Trudys Haar spielten.Damian schüttelte leicht den Kopf. "Er war so gut gefälscht, dass ich vermutlich - unter anderen Umständen versteht sich - darauf reingefallen wäre.""So, wie ich auf die Stimme am Telefon reingefallen bin," meinte Trudy. "Ich hätte schwören können, dass es Knights Stimme war." Stan kehrte zurück und setzte sich auf seinen Platz. "Es ist vorbei. Eine Menge böser Jungs können jetzt höchstens noch den Teufel ärgern." Er sah in die Runde. "Dazu gehören auch Sanchez, Alex Kingston und Victor Bonivar. - Knight kehrt übrigens ncht zurück und ich absolviere in einigen Wochen meine Prüfung zum Lieutenant." Es war schon nach Mitternacht, als Alessio Rico zum Motel fuhr. Marillion sangen "You´re gone" und schon jetzt standen die Zeichen auf Abschied.Am Motel sagte Rico. "Ich möchte, dass du mich in New York besuchst, mit Anna. Ich möchte dir meine Stadt zeigen und dich mit dem Rest der Familie bekannt machen.""Das mache ich," entgegnete Alessio und lächelte. Bisher hatte er es nicht fertig gebracht Dad zu sagen, aber Rico ignorierte es."Bis dahin können wir ja ab und zu telefonieren," meinte er und blickte Alessio offen an."Zuerst mal bringe ich dich morgen zum Flughafen. Halb elf?"Rico nickte. Dann stieg er aus und eilte ins Motel. An der Rezeption verrichtete wieder Aaron Caden den Nachtdienst. Rico ging hin, um seinen Schlüssel abzuholen. Es war still in der Lobby, das Licht gedämpft."´N Abend, Mr. Caden."Aaron Caden sah von dem Buch auf, das er gerade las. Er lächelte. "´N Abend, Mr. Tubbs." Er sprang auf und während er nach dem Schlüssel an Ricos Fach griff holte er noch etwas anderes aus dem Fach hervor."Das wurde für Sie abgegeben," erklärte er, als er Rico einen Umschlag mit einem schwarzen Trauerstreifen darauf überreichte."Danke," antwortete Rico. Auf dem Weg zum Aufzug zog er den ineinandergesteckten Umschlag auseinander. Er drückte auf den Rufknopf und die Aufzugtür öffnete sich augenblicklich. Er trat ein, drückte auf die sechs. Mit gerunzelter Stirn zog er die mit einem schwarzen Kreuz versehene Karte heraus. Er klappte sie auf, lehnte sich an die verspiegelte Wand des Aufzugs und holte tief Luft.Die Karte enthielt eine unmissverständliche Botschaft, bestehend aus sieben Worten:Tot ist nur, wer wirklich begraben ist! ENDE!
Link to comment
Share on other sites

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Guest
Reply to this topic...

×   Pasted as rich text.   Paste as plain text instead

  Only 75 emoji are allowed.

×   Your link has been automatically embedded.   Display as a link instead

×   Your previous content has been restored.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.