Eiszeit - (Abgeschlossene Geschichte)


Christine

Recommended Posts

SECHSUNDZWANZIGSonny sah den Baum fallen und reagierte instinktiv. Er stieß die Tür auf und warf sich hinaus in den Schnee. Die Nässe und Kälte drang durch seine Klamotten, als er herumrollte, um dem stürzenden Baum zu entkommen. Hinter sich hörte er es knacken und krachen und der Motor des Jeeps jaulte kurz auf, ehe er verstummte. Brechende Äste schossen um ihn herum. Einer traf ihn am Hinterkopf und hinterließ ein scharfes Brennen.Sonny kam auf die Füße. Automatisch fasste er an seinen Hinterkopf, aber er hatte Glück gehabt. Außer einer Beule und vielleicht etwas Kopfschmerzen würde er nichts weiter davontragen. Der Wagen sah schlimmer aus. Der Baum war auf der Motorhaube gelandet und hatte sie eingedrückt. Um den hier herauszubekommen würde er einen Abschleppwagen benötigen.Sonny ließ den Wagen stehen und machte sich zu Fuß auf den Weg. Weit konnte es nicht mehr sein, vielleicht eine halbe oder eine dreiviertel Meile.Er sah nicht, dass das Handy aus seiner Tasche gerutscht war und nun im Schnee lag.Auf dem Weg gab es keine Spuren, die darauf hinwiesen, dass hier schon mal jemand entlang gegangen war. Der Schnee reichte ihm bis fast zu den Knien und die Nässe zog allmählich zu seinen Oberschenkeln hinauf. Hin und wieder stolperte Sonny, konnte es aber immer vermeiden noch ein Bad in dem kalten Zeug zu nehmen.Etwa eine viertel Stunde später hörte er Motorengeräusche, die sich näherten. Es klang, als kämen die Schneemobile zurück, aber dann entfernten sich die Geräusche in die Richtung, in die Sonny unterwegs war. Vielleicht gehören die Schneemobilfahrer zu Ricostas Leuten. Sie kontrollieren das Gebiet, damit sich niemand anschleichen kann, dachte Sonny. Er grinste. Ihn hatten sie jedenfalls nicht bemerkt.Das laufen im tiefen Schnee war ziemlich anstrengend und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Es kam ihm vor, als wäre er seit einer Ewigkeit unterwegs, obwohl es in Wirklichkeit nur eine halbe Stunde war. Dann aber entdeckte er plötzlich Ricostas Anwesen zwischen den Bäumen.Er hatte erwartet, dass Ricosta eine Mauer um seinen Besitz hatte ziehen lassen, aber das war nicht der Fall. Anscheinend fühle sich der Mann absolut sicher.Dennoch näherte er sich dem Haus vorsichtig, jeden Baum und jeden Strauch als Deckung nutzend. Seine Ohren waren gespitzt und er atmete so leise, wie es möglich war.Die Vorderseite des riesigen aus Sandsteinen erbauten Hauses besaß nur wenige Fenster mit Milchglas darin, die es einem Neugierigen verwehrten hineinzusehen. Die Haustür aus massivem dunklen Holz war etwa fünf Meter zurückgesetzt und lag geschützt unter einem Vordach, das von insgesamt sechs Säulen gestützt wurde. Die Garage, die Platz für etwa zehn Autos bot, war durch einen bogenförmigen Anbau mit dem Haus verbunden, damit die Herrschaften auch bei schlechtem Wetter keine nassen Füße bekamen.Auf der Seite, an der Sonny sich befand, gab es mehrere recht große Fenster. Die Gefahr entdeckt zu werden schien ihm ziemlich groß. Deshalb beschloss er sein Glück auf der anderen Seite zu versuchen.Er schlug sich wieder in die Büsche, achtete darauf die Allee, die zum Haus führte, schnell zu überqueren und auf der anderen Seite gleich wieder hinter Sträuchern zu verschwinden. Dann näherte er sich den Garagen, während sich die Dunkelheit herabsenkte.Er hatte keine Ahnung, dass man ihn längst entdeckt hatte und jeden seiner Schritte neugierig und interessiert verfolgte.Der muskelbepackte Mann lateinamerikanischer Abstammung griff zum Telefonhörer und drückte auf eine Taste. „Ich glaube, Sie sollten mal herkommen, Mr. Ricosta. Sieht so aus, als bekämen Sie unangemeldet Besuch.“„Wer? ,“ knurrte Ricosta in den Hörer.Der Muskelmann lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, ohne die Monitore aus den Augen zu lassen. „Lieutenant Sonny Crockett von Miami Vice persönlich,“ sagte er dann.„Ich komme,“ entgegnete Ricosta und warf den Hörer auf die Gabel.Sonny erreichte die Garagen ohne Probleme. „Mann, das war so einfach wie einem Baby den Schnuller klauen,“ murmelte er. Plötzlich musste er an eine Gelegenheit denken, die sehr lange zurück lag und bei der er diesen Spruch benutzt hatte. Zum letzten Mal, denn an jenem Tag war Ricos Freundin Laura vor Ricos und seinen Augen erschossen worden.Danach hatte er sich geschworen, diesen Spruch für immer einzumotten. Nichts war wirklich einfach und wenn man es dennoch glaubte, wurde man schnell eines Besseren belehrt.Die Garagen besaßen auch auf dieser Seite Tore und außerdem zwei Türen. Sonny drückte vorsichtig die Klinke der ersten Tür herunter. Er rechnete eigentlich nicht damit, dass sie offen war, aber er hatte Glück. Die Tür öffnete sich lautlos und Sonny schlüpfte hinein. Es war ziemlich dunkel, trotz der beiden großen Fenster auf der Giebelseite. Sonny blieb einen Moment stehen, um seine Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen.Was mache ich hier eigentlich? ,dachte er. Wenn Ricosta mich erwischt, kann er mich wegen Einbruch oder Hausfriedensbruch dran kriegen, während ich nichts in den Händen halte, womit ich ihn überführen kann.Sonny sah sich um. Er entdeckte einen Bentley, einen Rolls Royce, einen Hummer, ein Mercedes Cabriolet und einen Lamborghini. Näher am Haus warteten mehrere Schneemobile auf ihre Benutzung „Nicht schlecht,“ murmelte er, als er sich langsam an der Wand entlang tastete.Plötzlich öffneten sich sowohl die Tür hinter ihm, wie auch die Tür, die ins Haus führte. Das Licht in der Garage flammte auf und blendete ihn. Sonny kniff die Augen zusammen und riss automatisch die Hand hoch, um sie zusätzlich vor der Helligkeit zu schützen.Verdammt!, dachte er. Sie haben mich erwischt!

Link to comment
Share on other sites

SIEBENUNDZWANZIGRico fuhr, so schnell die Straßenverhältnisse es zuließen. Er war sehr beunruhigt und fragte Tanya in regelmäßigen Abständen: „Hat sich was verändert?“Jedes Mal sagte Tanya: „Nein, es liegt immer noch am gleichen Platz.“Hin und wieder schweifte Ricos Blick zu den Häusern und Geschäften, an denen er vorbei kam, aber er sah nirgendwo Licht. Im Radio erklärte der Moderator gerade, dass in Mountainside die Stromversorgung unterbrochen war, weil mehrere Masten dem starken Frost und dem schweren Schnee nicht standgehalten hatten. Man hoffte jedoch schnell eine Lösung für das Problem zu finden und forderte die Leute auf Ruhe zu bewahren und, wenn möglich, zu Hause zu bleiben.Ricos Gedanken schweiften ab. Er ging die Dinge durch, die passiert sein konnten. Vielleicht hockte Crockett auf irgendeinem Beobachtungsposten. Manchmal konnte sich so etwas über längere Zeit hinziehen.Oder Ricostas Leute haben ihn entdeckt und umgebracht! Vielleicht war Crockett auch ausgestiegen, um das Gelände zu untersuchen und hatte das Handy im Auto vergessen.Oder er sitzt erschossen hinter dem Lenkrad! Es konnte ihmauch unbemerkt aus der Tasche gerutscht sein......während er auf der Flucht vor den Kerlen war, die ihn dann erschossen haben!Rico seufzte. Seine Gedanken kamen immer wieder am gleichen Punkt an. Was hatte Crockett sich nur dabei gedacht die Sache im Alleingang durchziehen zu wollen? Er wusste doch, dass er damit vermutlich nicht sehr weit kam. Was er brauchte, waren Beweise und die bekam er nicht, wenn er sich umbringen ließ.„Hat sich etwas verändert?", fragte er zum x- ten Mal.Tanya seufzte. „Nein, nichts!“Eine ganze Weile blieb es still. Dann sagte sie: „Jetzt müsste irgendwann auf der linken Seite eine Abzweigung kommen.“Rico blickte sich um. Der schwere Schnee drückte die Äste der Bäume so stark nieder, dass sie die Sicht verdeckten. Um ein Haar wäre er auch tatsächlich an der schmalen Straße vorbei gefahren.Als er abbremste, viel zu stark für die Straßenverhältnisse, brach der Range Rover hinten ein Stück aus und touchierte um ein Haar eine Birke.Rico blies erleichtert die Luft aus.„Alles klar bei Ihnen?", fragte Tanya.„Ja, bestens", erwiderte Rico.Etwa eine halbe Meile später stoppte ihn ein umgestürzter Baum. Rico fluchte.„Was ist los?", fragte Tanya.„Hier liegt ein Baum quer über der Straße", antwortete Rico.Er hielt an, schaltete den Motor und das Licht aus und verließ das Fahrzeug. Die eisige Kälte nahm ihm für einen Moment den Atem. Er steckte das Handy ein, ließ das Head – Set in seinem Ohr und suchte nach einem Weg um die ausladende Baumkrone herum.Rico kletterte durch Gestrüpp, rutschte einen kleinen Abhang hinunter und hangelte sich mühsam an einigen Zweigen hinauf Richtung Straße. Dann sah er einen Jeep. Es konnte sich nur um Sonnys Mietwagen handeln.„Ich sehe den Wagen", sagte er zu Tanya, die geduldig am anderen Ende der Leitung hing und seinen Flüchen lauschte.„Sonny?", brüllte Rico.In seinem Ohr fluchte Tanya. „Oh, verdammt, Lieutenant, könnten Sie mich vielleicht in Zukunft vorwarnen? Ich will nicht Ihretwegen taub werden!“„Tut mir leid, Tanya", entgegnete Rico ehrlich.Er kam wieder auf der Straße an. Sein Blick schweifte über den Jeep mit der vollkommen demolierten Motorhaube. Der Baum lag quer darüber, seine Äste hatten die Frontscheibe eingedrückt und ragten bis auf die Rückbank. Die Fahrertür stand offen..Rico sah sich um. Die Dunkelheit senkte sich immer schneller herab, die dicken, anthrazitfarbenen Wolken am Himmel verhießen weiteren Schnee. Der Wind fuhr ihm scharf ins Gesicht und er sah weit und breit keine Spur von Sonny.„Er ist nicht hier, Tanya", sagte er.Rico entdeckte die Spuren, die Sonny hinterlassen hatte, als er aus dem Wagen floh. Er konnte sich anhand dieser Spuren genau vorstellen, wie es gewesen war. Sonny war aus dem Auto hinausgesprungen, vermutlich, weil der Baum umfiel, hatte sich dann fallen lassen und von dem Wagen weggerollt.Rico sah deutlich, wo er wieder auf die Beine gekommen war, ehe er in nördliche Richtung davongeeilt war.Dann sah er das Handy! Es lag im Schnee, nicht weit von dem Jeep entfernt. Es musste aus Sonnys Tasche gerutscht sein, als er sich aus dem Auto warf.Rico ging hin und hob es auf. Dann ließ er den Blick herumschweifen, aber Sonny war natürlich nicht da. Es wurde jetzt auch sehr schnell dunkel. Bald würde Rico nichts mehr sehen können. Zu allem Übel begann es wieder in großen Flocken zu schneien.„Tanya, können Sie mir sagen, ob es in der Nähe des Ortes, an dem Sie das Handy orten konnten, ein Anwesen gibt und wenn ja, wem es gehört?", fragte Rico, während er bereits den Rückzug antrat. Es hatte keinen Sinn länger hier herumzustehen. Er lief nur Gefahr, dass er stürzte und sich irgendwas brach, wenn er versuchte im dunklen zu seinem Range Rover zurückzukehren.Dieses Mal wählte Rico den Weg hinter dem umgestürzten Baum entlang. Dort gab es keinen Abhang, aber einfacher war es dennoch nicht. Überall lagen große, abgebrochene Äste am Boden, dorniges Gestrüpp verhakte sich in seinem Mantel und es gab mehrere tiefere Löcher. Er trat natürlich in jedes davon, aber es spielte keine Rolle, weil der Schnee längst in seine Schuhe eingedrungen war und seine Hosenbeine bis zum Oberschenkel nass waren.„Sind Sie noch da?", hörte er nach einer Weile Tanyas Stimme.„Ja", knurrte Rico.„Sie werden staunen, wenn ich Ihnen sage, was ich herausgefunden habe.“Rico seufzte. „Sagen Sie es mir einfach, Tanya! Ich bin müde, vollkommen durchnässt, durchgefroren und habe keine Lust auf „Ich – weiß – was – was – du – nicht – weißt – Spiele“.“„Nicht weit entfernt liegt das Anwesen von Manuel Ricosta.“„Hätte ich mir denken können", murmelte Rico, während er versuchte seinen rechten Ärmel aus irgendeinem dornigen Zeug zu befreien. Da es inzwischen fast dunkel war, war das gar nicht so einfach. Schließlich aber gelang es ihm.Er griff in seine Tasche, holte den Schlüssel heraus und betätigte die Fernbedienung des Range Rovers. Im Innenraum flammte das Licht auf. Erleichtert stellte Rico fest, dass er es fast geschafft hatte.„Hören Sie zu, ich fahre jetzt zurück zum Hickory Hill. Sie können Feierabend machen. Ich melde mich morgen früh bei Ihnen.“Das Licht im Range Rover erlosch und Rico drückte auf der Fernbedienung herum, um es erneut einzuschalten. Es war seine einzige Lichtquelle.„Sind Sie sicher?", hakte Tanya nach.„Ja, ganz sicher,“ erwiderte Rico, wünschte ihr einen schönen Feierabend und legte auf, kurz bevor er den Wagen erreichte.Aufatmend stieg er ein, schaltete den Motor ein und dachte nach. Er war sicher, dass Sonny zu Ricostas Anwesen marschiert war. Die Hauptfragen waren nur: War er dort angekommen? Was genau wollte er dort? Hatten Ricostas Leute ihn erwischt oder nicht?Rico hatte keine Ahnung, aber eins war klar: Sollte Sonny sein Ziel verfehlt haben und draußen herumirren, wurde es lebensgefährlich für ihn. Bei 3 Grad konnte ein Mensch sehr schnell erfrieren. Rico hatte keine Ahnung, was Sonny anhatte, aber selbst ein warmer Mantel würde bei dieser grimmigen Kälte nur wenig helfen.Kurzentschlossen nahm er Sheriff Brodys Visitenkarte aus der Tasche und rief ihn an, um ihm zu melden, dass er den Jeep seines Freundes zwischen zwei umgestürzten Bäumen gefunden hatte, sein Freund selbst aber unauffindbar sei.„Es ist bereits dunkel, Lieutenant", sagte Brody. „Und das Areal da draußen ist verdammt groß. Wo sollen wir suchen? Ich denke, wir werden bis morgen warten müssen.“„Aber dann wird es längst zu spät sein! Haben Sie mal einen Blick aufs Thermometer geworfen, Sheriff?“Sheriff Brody seufzte. „Tut mir leid, Lieutenant, aber die Bestimmungen sehen so aus, dass die Suche nach vermissten Personen bei Einbruch der Dunkelheit abgebrochen werden muss, weil es sonst für die Suchmannschaft zu gefährlich wird.“Rico bedankte sich, legte auf und machte sich auf den Rückweg zum Hickory Hill. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen!

Link to comment
Share on other sites

ACHTUNDZWANZIGDie beiden Typen sahen aus, als würden sie sich von Anabolika ernähren. Sie hatten Kreuze wie Kleiderschränke, Arme wie Baumstämme und wussten vor Kraft kaum zu laufen.Von zwei Seiten kamen sie auf Sonny zu, grimmige Entschlossenheit auf ihren Gesichtern. Dunkle Augen starrten Sonny an.Er wusste, dass er gegen diese beiden Muskelberge keine Chance hatte. Nicht, ohne irgendeine Waffe.Sein Blick schweifte herum und er entdeckte einen Wagenheber, der links an der Wand hing. Mit einer schnellen Bewegung riss er ihn herunter. Jetzt fühlte er sich schon sehr viel besser.Die beiden Typen knurrten wie wütende Hunde. Es fehlte nur noch, dass sie die Zähne fletschten.Sonny umklammerte den Wagenheber mit beiden Händen. Er würde schnell reagieren und beide mit dem ersten Schlag, den er gegen sie ausführte, treffen müssen. Eine zweite Chance würden sie ihm nicht geben.Er drehte sich, sodass er die Wand im Rücken hatte. Das machte es leichter beide im Auge zu behalten.„Gib lieber auf", knurrte der Kerl, der aus dem Anbau des Hauses gekommen war.„Vergiss es!", konterte Sonny.Der Wagenheber war schwer, lag aber gar nicht mal so schlecht in seiner Hand. Sonny ließ die beiden herankommen.Sie waren natürlich keine Idioten und wussten durchaus, dass Sonny eine gefährliche Waffe in der Hand hielt.Sonny spannte seine Muskeln an. Dann, in einer schnellen, für die beiden überraschenden Bewegung sprang er nach rechts und knallte dem Typ, der durch die Tür in der Garage hereingekommen war, den Wagenheber mitten ins Gesicht. Es knirschte, als dessen Nase brach, Blut schoss heraus und der Mann taumelte mit einem Stöhnen zurück.Sonny schoss herum, aber der andere Mann hatte natürlich damit gerechnet, dass Sonny nun auch ihn angreifen würde. Seine Hand packte zu und erwischte Sonnys linken Unterarm. Er hatte einen Griff wie ein Schraubstock. Mit der freien Hand schlug er Sonny in die Nieren, dass diesem die Luft weg blieb. Dennoch schaffte er es dem Mann mit der rechten Hand in den Magen zu boxen und irgendwie seine linke Hand frei zu bekommen. Der Wagenheber donnerte dem Kerl vor das Kinn und ließ ihn zurücktaumeln. Irgendetwas knackte und für einen Moment war der Mann außer Gefecht gesetzt.Der andere Angreifer hatte sich inzwischen ein wenig erholt und seine Wut trieb ihn voran. Sein Gesicht war voller Blut, die Nase war geschwollen und lief bereits blau an. Auf seinem hellgrauen Mantel sah Sonny Spuren, wo er sich seine blutigen Hände abgewischt hatte.Mit einem wütenden Aufschrei stürzte er sich auf Sonny, der zwar herumfuhr, aber nicht verhindern konnte, dass der Mann ihm die Faust auf den Kopf schlug. Sterne tanzten vor Sonnys Augen und seine Bewegung waren eher mechanisch und völlig unkontrolliert. Dennoch erwischte er den Mann, dem er bereits die Nase gebrochen hatte, an der Schläfe. Mit einem dumpfen Stöhnen sank er zu Boden.Der Angreifer, der aus dem Haus gekommen war, trat nun erneut in Aktion. „Verdammter Bulle!", fauchte er. „Ich drehe dir den Hals um!“Mit vorgestreckten Händen kam er auf Sonny zu, die Hände, die den Wagenheber hielten, nicht aus den Augen lassend. Als Sonny zuschlagen wollte, reagierte der Mann schnell. Er grabschte nach Sonnys Unterarmen und hielt sie umklammert. Sonny riss sein Knie hoch. Er hatte den Bauch des Mannes treffen wollen, erwischte aber dessen Unterleib. Ricostas Bodyguard stöhnte auf. Er ging leicht in die Knie, schaffte es aber trotz der Schmerzen Sonny seinen Schädel in den Magen zu rammen. Sonny wurde nach hinten katapultiert und landete sehr schmerzhaft auf dem Mercedes – Stern, der prompt abbrach.Er keuchte, rollte zur Seite und entging knapp einem mörderischen Faustschlag, der eine dicke Beule in der Motorhaube des Mercedes hinterließ.Sonny knallte auf den Boden, rollte auf den Rücken und landete schmerzhaft mit seiner rechten Schulter am linken Vorderreifen des Bentley. Er sah den Angreifer kommen und zog automatisch die Knie an. Seine Füße donnerten in den Magen des Mannes, warfen ihn nach hinten. Sonny sprang auf. Er spürte, dass seine Kraft nachließ. Sein Kopf schmerzte, seine Nieren taten weh und sein Magen fühlte sich an, als wäre er nur noch Matsch.Der Wagenheber lag immer noch in seinen Händen. Er schwang ihn leicht hin und her als wäre er ein Baseballspieler, der auf den Ball wartet. „Komm schon", keuchte er. „Bringen wir es zu Ende!“Der Bodyguard ließ sich Zeit mit dem Aufstehen. Er stöhnte leise auf, als bereitete ihm jede Bewegung große Mühe. Sonny ließ ihn nicht aus den Augen.„Ja, bringen wir es zu Ende, Scheißbulle", sagte plötzlich eine Stimme hinter Sonny. Ehe er sich umdrehen konnte, erhielt er einen fürchterlichen Schlag gegen den Kopf, der ihn bewusstlos niedersinken ließ.„Ganz schön hart, dieser Bulle", meinte der Kerl, der hinter Sonny stand und betastete vorsichtig sein Gesicht und seinen Kopf.Der Andere grinste. „Aber es wird ihm nichts nutzen.“ Er ging zu einer Sprechanlage und drückte auf einen Knopf. „Wir haben ihn, Mr. Ricosta. Schläft jetzt wie ein Baby. Was sollen wir mit ihm machen?“Manuel Ricostas Stimme tönte durch die ganze Garage. „Bringt ihn mit dem Schneemobil in den Wald und werft ihn irgendwohin. Bei dieser Kälte dürfte das genügen, um den Bullen für immer los zu werden.“Die beiden Männer packten Sonny auf einen Schlitten, der am Schneemobil befestigt werden konnte. Dann öffneten sie das Garagentor und das Schneemobil mit dem bewusstlosen Sonny dahinter fuhr hinaus in den eiskalten frühen Abend.

Link to comment
Share on other sites

NEUNUNDZWANZIGWährend des gesamten Weges zurück zu Martys Hummer hatte der Jüngere sich darüber ausgelassen, dass es ein großer Fehler gewesen war sich mit Zach Ricosta anzulegen.„Diese Familie hat einen großen Einfluss und weitreichende Beziehungen, Martin", jammerte Marty.„So etwas hat mein Handeln noch nie beeinflusst", erwiderte Castillo. „Und deinen Vater auch nicht.“Marty schnaubte, während sie eine kleine Anhöhe hinaufstiegen. „Lass bloß meinen Vater aus dem Spiel. Es gab Zeiten, da dachte ich tatsächlich, mein Vater wäre eine Art Superheld gewesen, der die Welt von den Bösewichten befreite, aber eigentlich war er nichts anderes als ein Killer. – Und mit dieser Sache hier hat das überhaupt nichts zu tun...“ Marty machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jetzt ist es sowieso zu spät. Am besten verschwinden wir so schnell wie möglich aus Mountainside...“„Ich laufe nicht davon", unterbrach Castillo seinen Redefluss. „Das ist nicht meine Art.“Die Dunkelheit kam schnell und die Wolken, die am Himmel über ihnen schwebten, gefielen Castillo überhaupt nicht.„Wenn du natürlich gehen willst, ist das deine Sache, Marty.“Eine Weile sagte niemand etwas. Gerade, als sie die Hügelkuppe erreichten, begann es in dicken Flocken zu schneien. Zum Glück war es nicht mehr allzu weit bis zu dem Parkplatz, auf dem Marty den Hummer geparkt hatte. Beide gingen schneller. Sie rutschten teilweise den Hügel hinab oder aber sie versanken im tiefen Schnee.Zehn Minuten später, als sie endlich den Wagen erreichten, waren beide durchnässt und trotz der warmen Kleidung durchgefroren. Sie warfen die Rucksäcke in den Kofferraum und stiegen schnell ein.„Wenn du Angst hast, dass Zach Ricosta dich mit mir in Verbindung bringen könnte, wäre es besser, wenn wir uns nicht mehr treffen", sagte Castillo, als Marty den Wagen über die schneebedeckte Straße steuerte.Marty antwortete nicht sofort.Castillo konnte ihn nicht einschätzen. Er hatte geglaubt Jack Gretskys Sohn wäre den Eltern ähnlicher. Beide waren nicht unbedingt ängstliche Naturen gewesen, denn auch Martys Mutter, Lara, hatte für den Geheimdienst gearbeitet und manchen gefährlichen Auftrag erledigt.Das Radio lief und der lokale Sender meldete, dass der Stromausfall in Mountainside noch nicht hatte behoben werden können. Man rechnete damit, dass es vielleicht sogar mehrere Tage dauern würde. Bürgermeister Paul Mirabelli hatte allerdings bereits versichert, dass es für derartige Fälle Notfallpläne gab, die spätestens morgen Mittag in Kraft treten sollten, falls es nicht gelang bis dahin die Stromversorgung wieder herzustellen.„Ich finde nur, man sollte solche Leute nicht unterschätzen", sagte Marty nach einer Weile. „Du hättest ihn nicht herausfordern sollen. Zach ist ein reicher, verwöhnter Bengel. Ich wette, er hat sogar Klopapier aus Seide.“„Ich unterstütze das miese Verhalten solcher Leute nicht", erwiderte Castillo. „Wenn sie ihren Spaß haben wollen – gut, aber nicht auf meine Kosten.“Über den Watchung Reservation Tracy Drive erreichten sie den Kreisverkehr, der mitten im Watchung Reservat lag. Von diesem Kreisverkehr aus zweigte die Summit Lane ab, die Richtung Summit führte und auf der anderen Seite in die Coles Avenue überging, die am Watchung Reservat entlang führte.Der WR Tracy Drive gegenüber führte die Park Slope Richtung Mountainside.An diesem Kreisverkehr musste Marty anhalten, um einem Range Rover Vorfahrt zu gewähren, der ebenfalls auf die Park Slope abbog.„Du bist enttäuscht von mir, stimmt´s?", fragte Marty, während sie hinter dem Range Rover herfuhren, mit einem Seitenblick auf Castillo, der scheinbar unbeteiligt den Scheibenwischern zusah, die unablässig versuchten Herr über die Schneemassen auf der Frontscheibe zu werden.„Man ist wie man ist", antwortete Castillo nur. „Aber mein Angebot steht, Marty. Du musst dich nicht mit mir treffen, wenn du Angst hast.“Marty gab ein kleines, nervöses Lachen von sich. „Na, weißt du, ich wäre ein schöner Gastgeber, wenn ich meinem Gast sage, er soll sehen, wie er allein klar kommt. Nein, nein, ich hole dich morgen gegen neun ab.“Die Park Slope ging in die Deer Path über, die wiederum an der New Providence Road endete. Dort blinkte der Fahrer des Range Rover nach links, genau wie Marty.Ein Schneepflug kam ihnen mit rotierenden Lichtern entgegen. Er schob den Schnee an den Fahrbahnrand. Auf der Seite, auf der Castillo und Marty unterwegs waren, hatte er seinen Job bereits erledigt, sodass sie recht gut voran kamen.Vor der Einfahrt zum Hickory Hill blinkte der Range Rover Fahrer ebenfalls.Marty folgte ihm, blieb aber auf dem Platz vor dem Restaurant – Gebäude stehen, um Castillo aussteigen zu lassen, während der Fahrer des Range Rover sein Fahrzeug auf einem freien Parkplatz abstellte.„Morgen früh um neun", wiederholte Marty, als Castillo sich anschickte auszusteigen. „Ich bin vielleicht nicht so mutig wie meine Eltern, aber ich habe dich nicht eingeladen, um dich hier hängen zu lassen.“Castillo nickte. „In Ordnung. Einen schönen Abend.“Dann stieg er aus. Er erinnerte Marty nicht daran, dass sie eigentlich gemeinsam zu Abend hatten essen wollen.Einen Moment lang stand er da und blickte dem davonfahrenden Hummer nach. Er hatte das Gefühl, dass Marty seine Einladung bereute, auch wenn er das nie zugegeben hätte.Castillo sah die Bewegung, als der Fahrer des Range Rover aus seinem Wagen stieg. Er verschloss ihn mit der Fernbedienung und für wenige Augenblicke blieb dasWageninnere erleuchtet, ehe das Licht schwächer und schwächer wurde.Der Fahrer trat ins Licht der Laterne neben dem Wagen und Castillo stutzte. Er traute seinen Augen kaum.„Tubbs?", fragte er verwundert.Rico blieb erstaunt stehen, als eine Stimme, die er überall wiedererkannt hätte, seinen Namen rief. Er hob den Blick und entdeckte Castillo, der, eingemummt in eine dicke Winterjacke mit einer Mütze auf dem ergrauenden Haar und warmen Stiefeln an den Füßen mitten auf dem Platz stand.„Martin Castillo?", fragte er überflüssigerweise.Dann atmete er auf. Rico hatte zwar im Moment keine Ahnung, was er tun konnte, um Sonny zu retten, aber jetzt hatte er wenigstens einen Verbündeten.

Link to comment
Share on other sites

DREISSIGDas Schneemobil fuhr durch die Dunkelheit. Der Schneefall hatte weiter zugenommen und man konnte keine hundert Fuß weit sehen. Der starke, scharfe Wind wirbelte die Flocken durcheinander und ließ immer wieder Schnee von den Bäumen heruntersegeln.Sonny lag festgezurrt wie ein Päckchen auf dem Schlitten, der hinten am Schneemobil eingehängt war. Er war immer noch ohne Bewusstsein und merkte deshalb nicht, wie er durchgeschüttelt wurde.Winterliche Stille hatte sich über das bewaldete Gebiet gelegt. Niemand war mehr unterwegs.Ricosta hatte Anweisung gegeben, Sonny so weit wie möglich von seinem Besitz wegzubringen. Dann sollte Roberto ihn umbringen.„Und erledige deinen Job dieses Mal ordentlich", hatte er gesagt. „Crockett muss sterben!“Ricosta hingegen musste verhindern, dass irgendjemand auf die Idee kam, ihn mit dem Tod des Bullen aus Miami in Verbindung zu bringen. Man hatte schon oft genug versucht ihm irgendwelche Dinge nachzuweisen. Bisher hatte sein Anwalt, José Estrada, es immer geschafft ihn wieder rauszuboxen, aber kürzlich hatte José gesagt: „Sie müssen vorsichtiger sein, Mr. Ricosta. Bisher wirkten wir glaubhaft, aber wenn sich die Anklagen häufen, wird jeder Richter irgendwann hellhörig.“Manuel Ricosta stand mit finster zusammengezogenen Augenbrauen am Fenster des Arbeitszimmers in seiner Villa und blickte den Lichtern des Schneemobils nach. Er hielt ein Glas mit funkelndem Rotwein in der Hand und genoss die wohlige Wärme, die der brennende Kamin ausstrahlte. Die Holzscheite knisterten und knackten leise. Im Haus roch es weihnachtlich.Er lächelte, aber es wirkte kalt, erreichte nicht seine Augen und verlieh ihm etwas diabolisches. Niemand pfuschte ihm in seine Geschäfte. Niemand versuchte ungestraft ihn reinzulegen und niemand fasste die Frau an, die er für sich hatte haben wollte.Crockett hatte sich all dieser Dinge schuldig gemacht. Eigentlich war es schade, dass er Crockett diese Dinge nicht persönlich hatte sagen können, aber er befürchtete, dass sein Temperament mit ihm durchgegangen wäre, wenn er dem Bullen gegenübergestanden hätte.Hinter ihm öffnete sich leise die Tür und eine Frau trat ein. Sie war schlank und trug nur einen pfirsichfarbenen Bademantel. Ihr langes, dunkelbraunes Haar wallte über ihren Rücken.Ihr Gesicht war schmal, die Nase eine Spur zu lang, um wirklich schön zu sein, die Unterlippe war ein wenig zu voll. Dennoch strahlte sie etwas aus, dem man sich nicht entziehen konnte.Sie kam zu Ricosta herüber, legte ihre Arme von hinten um seine Taille und lehnte den Kopf gegen sein Schulterblatt.„Was siehst du da draußen in der Dunkelheit?“, fragte sie, obwohl sie genau wusste, was geschehen war.Manuel hatte allerdings keine Ahnung, dass sie sein Gespräch mit Roberto belauscht hatte, und das war gut so. Männer durften alles essen, aber sie mussten nicht alles wissen.„Nichts besonderes, Andrea“, behauptete Ricosta, obwohl die Scheinwerfer der Schneemobile noch immer zwischen den Bäumen zu sehen waren.Er lässt einen Menschen töten und behauptet, es wäre nichts besonderes, dachte Andrea abfällig und schauderte leicht.Nach fünfzehn Minuten hielt Roberto die Yamaha an. Er fand, dass er weit genug von Mr. Ricostas Villa entfernt war. Roberto fror, weil er geglaubt hatte, er könnte mal eben nur mit einer Winterjacke bekleidet hinausfahren statt sich seine Skimontur anzuziehen. Jetzt ärgerte er sich übe sich selber, aber der Platz war gut, um Crockett zum sterben abzulegen. Hier war das große Nichts. Selbst wenn Crockett aufwachte und versuchte zu Fuß irgendeine menschliche Siedlung zu erreichen, würde es ihm nicht gelingen.Roberto befestigte eine Lampe an seinem Helm, ehe er abstieg, um Sonny von dem Schlitten zu zerren. Es war stockfinster. Die dicken Schneewolken ließen nicht das winzigste bisschen Mondlicht durch. Ein weiterer Punkt, der Crockett zum Verhängnis werden würde.Roberto fummelte an den Schnüren herum, die durch die Feuchtigkeit etwas aufgequollen und durch die eisige Kälte bereits leicht angefroren waren. Er würde sie zerschneiden müssen.Knurrend und vor sich hinfluchend suchte Roberto nach seinem Messer. Er fand es endlich, durchschnitt die Schnüre und zerrte Sonny, vor Anstrengung keuchend, in den Schnee. Er merkte nicht, dass sein Portmonee aus der linken hinteren Hosentasche rutschte.„Wärst du mal besser in Miami geblieben, Bulle“, sagte Roberto, ehe er zu seinem Schneemobil zurückging. Er schwang sich darauf, warf einen letzten Blick auf den am Boden liegenden Sonny und fuhr davon. Der Schnee begann langsam und leise Sonny zuzudecken.

Link to comment
Share on other sites

EINUNDDREISSIGRico und Castillo schüttelten einander die Hand. Seit Alessios Hochzeit hatten sie sich nicht mehr gesehen. Castillo fragte deshalb natürlich wie es Rico selbst, Alaina und Alessio ging.„Ich habe auch nur einige Male mit Alessio telefoniert“, erwiderte Rico ehrlich. „Soweit ich weiß, hat er sich körperlich ganz gut erholt. Er ist umgezogen und hat sein Studium wieder aufgenommen. – Aber was treibt Sie hierher?“Castillo blickte in die Richtung, in die der Hummer verschwunden war. „Jack Gretskys Sohn lebt hier. Er hatte mich über die Feiertage eingeladen, aber ich wollte lieber in einem Motel wohnen.“Castillo lächelte. „So ist es leichter seine Gewohnheiten beizubehalten.“Rico dachte nach. Dass er Castillo hier getroffen hatte, war wirklich ein absoluter Glücksfall. Er würde Hilfe gut gebrauchen können und er war sicher, dass Castillo seine Bitte nicht ablehnte.„Trinken wir was zusammen?“, fragte Rico. „Ehrlich gesagt, bin ich sehr froh Sie hier getroffen zu haben, denn ich brauche ganz dringend Unterstützung.“Er klang so eindringlich wie die Angelegenheit war. Inzwischen war es vollkommen dunkel geworden, das Thermometer sank weiter und mit ihm Sonnys Überlebenschancen.Castillo blickte Rico prüfend an. Schnee lag auf seiner dunkelblauen Mütze und sammelte sich auf dem Kragen seiner Jacke. Er kannte Rico lange und gut genug, um zu wissen, dass dieser nicht ohne Grund drängte. Deshalb nickte er.Gemeinsam gingen sie zum Restaurant hinüber. Der Platz vor dem Gebäude, der erst vor kurzen freigeräumt worden war, war schon wieder mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Die Lampen entlang des Weges zu den Holzhäusern, wie auch die am Haupthaus brannten zwar dank des Stromaggregats, leuchteten aber schwächer als zuvor.„Es geht um Sonny. Er braucht dringend unsere Hilfe,“ sagte Rico schon auf dem Weg zum Gebäude. Er wollte so wenig Zeit wie möglich verschwenden, denn wenn Sonny wirklich da draußen herumirrte zählte jede Minute.„Dann ist Crockett also tatsächlich hier in Mountainside?“Überrascht blickte Rico Castillo an. „Ja. Woher wissen Sie das?“Sie erreichten den Haupteingang und Rico zog die Tür auf.„Ich wohne in Nummer dreizehn und glaubte gestern Abend einen Mann zu Nummer zwölf gehen gesehen zu haben, der aussah wie Crockett“, erwiderte Castillo, als er hinter Rico das warme Gebäude betrat.Rico hielt ihm die Tür auf. Danach durchquerten sie die Rezeption, grüßten Abby, die hinter dem Tresen saß, und gingen ins Restaurant hinüber, das gemütlich – rustikal eingerichtet war.Links gab es eine Bar aus Walnussholz mit Glasschränken dahinter und blankpolierten Zapfhähnen. Die Tische mit den weißen Decken darauf standen scheinbar wahllos im Raum verstreut. Die dunklen Stühle hatten mokkafarbene Lederpolster. Auf jedem Tisch stand ein kleines, weihnachtliches Gesteck aus Tannenzweigen mit getrockneten Apfelsinen – und Limonenscheiben mit einer roten Kerze darin. Auf den Fensterbänken brannten ebenfalls Kerzen in bauchigen Glasgefäßen.Rico entdeckte eine Doppeltür, die jetzt aber geschlossen war. Er vermutete, dass sich dahinter Räumlichkeiten für private Feste befanden.Ein Kellner kam herbei, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Rico bat um einen Tisch für zwei, und der Kellner führte sie zu einem kleinen Tisch in der rechten hinteren Ecke.„Ich nehme einen Kaffee – und Sie?“, fragte Rico, während er seinen Mantel auszog.Castillo nickte. „Ich auch. Haben Sie kubanischen Kaffee?“Der Ober nickte. „Sicher.“„Dann hätte ich gern einen kubanischen Kaffee“, sagte Castillo, als er sich am Tisch niederließ.Als der Ober sich entfernt hatte fragte er: „Was ist mit Crockett?“Rico stützte die Unterarme auf den Tisch. „Ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß. Jemand schoss in Miami vor dem BELLEVUE auf ihn und seine Freundin. Sie starb, Sonny überlebte. Von Billy erfuhr er, dass die Waffe, mit der auf ihn und seine Freundin Lynn geschossen wurde, später hier in New York bei drei Morden im Drogenmilieu benutzt wurde. Deshalb kam er nach New York, wo er auf einem Foto Manuel Ricosta als den Mörder seiner Freundin identifizierte. Es muss aber noch etwas passiert sein, denn Tanya sagte, er wäre sehr merkwürdig geworden, nachdem er das Foto sah, auf dem zwei weitere Männer und zwei Frauen zu sehen waren.Als sie kurz weg musste, telefonierte Sonny mit Stan und fragte ihn, ob sie bei seiner Freundin die Adresse von Familienangehörigen gefunden hatten...“Er legte eine kurze Pause ein, denn der Ober brachte den Kaffee und reichte ihnen die Speisekarte, ehe er sich wieder lautlos entfernte.„Lassen Sie mich raten“, bat Castillo. „Die Adresse führte nach Mountainside?“Rico gab Zucker in seinen Kaffee und nickte, während er langsam umrührte.„Die Sache ist nur die“, sagte er und sah Castillo an. „Sie hatte Sonny gesagt, ihr Name wäre Lynn Bendall, aber die echte Lynn Bendall starb 1987. Sonny fand es aber erst heraus, als er Ms. Bendall besuchte, denn als Stan es ihm sagen wollte, legte er den Hörer auf, ehe Stan auch nur ein Wort darüber verlieren konnte.“Castillo trank seinen kubanischen Kaffee immer noch schwarz. Er legte das Tütchen mit dem Zucker zur Seite und schob auch das kleine Milchkännchen fort, aber er riss die Verpackung des obligatorischen Kekses auf, den es immer dazu gab. „Was sagt Ms. Bendall?“Rico schnaubte. „Als ich sie fand, war sie kaum mehr am Leben. Man hatte sie überfallen und versucht ihr die Kehle durchzuschneiden. Ich schätze, es hat nur deshalb nicht richtig funktioniert, weil ich den Täter gestört habe.“„Was ist mit Crockett?“, wollte Castillo wissen.Rico seufzte. „Das ist eine gute Frage. Ms. Elderidge sagte mir, er habe an der Rezeption gestanden, als sie eine Tischreservierung von Manuel Ricosta entgegennahm. Danach fragte er sie nach Ricostas Adresse und verschwand. Ich ließ sein Handy von Tanya über GPS orten, aber ich fand nur den Jeep, auf den ein Baum gestürzt war, und das Handy, das im Schnee lag. Die Spuren führten vom Wagen weg. Tanya sagte, Ricostas Anwesen läge nicht weit entfernt, aber es wurde dunkel und der Weg war durch den Baum blockiert. Deshalb blieb mir keine andere Wahl als umzukehren, aber ich kann Crockett nicht dort draußen lassen!“Castillo tunkte in aller Ruhe seinen Keks in den Kaffee und biss davon ab. Er dachte nach. Rico hatte natürlich Recht. Dort draußen hatte Crockett bei dieser Kälte nur eine sehr geringe Überlebenschance.„Sie wollen ihn suchen?“, fragte er schließlich.Rico trank einen Schluck Kaffee, ehe er nickte. „Die Frage ist nur... – wie? Und sind Sie dabei?“Castillo steckte den Rest seines Kekses in den Mund. Er kaute, blickte aus dem Fenster und sah dann Rico an. Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich bin dabei und ich habe auch schon eine Idee!“

Link to comment
Share on other sites

ZWEIUNDDREISSIGCastillo trank einen weiteren Schluck Kaffee. „Was wir brauchen, sind Schneemobile. Ich hatte heute eine Begegnung mit Ricostas Sprösslingen, die auf solchen Fahrzeugen unterwegs waren. Sie sind schnell, wendig und man kann auch zu zweit darauf fahren, falls wir Crockett finden.“Rico nickte. Auch er nahm sich den Keks, denn viel gegessen hatte er heute noch nicht. Allmählich begann sein Magen zu knurren, aber er konnte sich nicht in Ruhe eine Stunde oder länger an diesen Tisch setzen und in Ruhe essen, während Crockett dort draußen erfror. „Schneemobile klingt gut, aber woher nehmen wir sie?“Castillo zuckte die Achseln. „Vielleicht kann Ms. Elderidge uns weiterhelfen. Sicher gibt es hier einen Verleih oder sie kennt jemanden, der privat welche besitzt.“„Gute Idee. Was wir ebenfalls brauchen sind Waffen. Möglicherweise begegnen wir Ricostas Leuten und dann sollten wir keinesfalls unbewaffnet sein“, meinte Rico.Castillo genehmigte sich den letzten Schluck Kaffee. „Marty besitzt einige Waffen, die früher seinem Vater gehörten. Ich werde ihn bitten sie mir zu leihen.“Die beiden Männer standen auf. Rico legte einen Geldschein unter seine Tasse und als Castillo seine Geldbörse zücken wollte, hob er abwehrend die rechte Hand. „Der Kaffee geht auf mich!“„Danke!“ Castillo lächelte kurz.Dann eilten sie hinüber zur Rezeption, wo immer noch Abby Elderidge Dienst hatte. Sie telefonierte gerade.„Natürlich verstehen wir das“, sagte sie freundlich. „Ich werde Ihre Stornierung augenblicklich weitergeben. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.“Sie legte auf, seufzte leise und wandte sich Rico und Castillo zu. Das Lächeln, das für einen Moment von ihrem Gesicht verschwunden war, tauchte wieder auf.„Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie geschäftsmäßig.Rico lächelte ebenfalls. „Wir würden gern Schneemobile ausleihen. Können Sie uns vielleicht eine Adresse nennen, an die wir uns wenden können?“Abby wirkte erstaunt. „Heute noch?“Rico nickte. „Heute noch“, wiederholte er.„Wir besitzen privat drei Schneemobile.....“Eine halbe Stunde später hatte Maggie Elderidge Rico den Skianzug ihres Sohnes gegeben, Castillo erhielt den Skianzug des verstorbenen Mr. Elderidge.„Er hat ihn gekauft, aber nicht einmal getragen, weil er vorher gestorben ist“, sagte Ms. Elderidge. „Er hatte ungefähr Ihre Größe und Statur, Mr. Castillo. Sind Sie sicher, dass Sie heute noch da raus wollen? Unsere Gäste sagen reihenweise ab, weil es ihnen zu gefährlich erscheint.“Rico entschied sich zu einer Teilwahrheit. „Wir müssen da raus, Ms. Elderidge. Mr. Crockett ist irgendwo da draußen. Ein umgestürzter Baum hinderte ihn daran weiterzufahren und dummerweise machte er sich zu Fuß auf den Weg.“Maggie riss entsetzt die rechte Hand an den Mund. „Haben Sie schon mit der Polizei telefoniert?“„Ja“, grummelte Rico, während er den Reißverschluss der Skijacke schloss.„Was sagen sie?“Rico hob den Blick. „Dass es ihnen zu dunkel draußen ist. – Wir müssen jetzt erst bei einem Freund von Mr. Castillo etwas besorgen...“Maggie kicherte. "Mit dem Auto? – Vergessen Sie es! Die Straßen sind dicht! Da geht im Moment nichts mehr! Deswegen kommen unsere Gäste ja nicht, aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen...“„Haben Sie Waffen?“, wollte Castillo wissen.Unsicher blickte Maggie zwischen Rico und Castillo hin und her.„Wir sind Polizisten, Maggie, es ist uns ernst und wir haben nicht viel Zeit“, sagte Rico.Wenige Minuten später hielten beide Schusswaffen des verstorbenen Mr. Elderidge in den Händen. Rico nahm außerdem eine Thermoskanne mit heißem Tee mit, die er ins Gepäckfach des Schneemobils packte und eine trockene, warme Jacke, sowie dicke Handschuhe, die Maggies Sohn Russel gehörten. Wenn sie Sonny fanden, würde er sich über irgendetwas, mit dem er sich aufwärmen konnte, sicherlich freuen.Sie schwangen sich auf die Schneemobile, setzten die Helme auf und fuhren los.Die Rettungsaktion für Sonny war angelaufen.

Link to comment
Share on other sites

DREIUNDDREISSIGSonny kam zu sich. Sein Schädel brummte und er fror erbärmlich. Als er versuchte sich aufzusetzen war es, als schlüge ihm jemand einen Hammer gegen den Kopf. Aufstöhnend sank er zurück. Seine Hände berührten den Schnee und plötzlich wurde ihm klar, wo er war. Sie hatte ihn quasi weggeworfen und hofften, dass er hier draußen erfror.„Nicht mit mir, Freunde“, murmelte Sonny.Mühsam setzte er sich endlich auf. Der fallende Schnee hatte ihn bereits recht gut zugedeckt und vollkommen durchnässt.Sonny kam ächzend auf die Beine. Seine Muskeln fühlten sich an wie Bretter.Er versuchte sich zu orientieren, aber das war absolut unmöglich in dieser tiefen Finsternis. Nicht mal die Hand konnte er vor Augen sehen.Mein Handy! ,dachte Sonny und begann hektisch in allen Taschen zu wühlen, aber das Handy war nicht da. Entweder war es ihm aus der Tasche gefallen, als er sich vor dem fallenden Baum aus dem Auto rettete, oder er hatte es in Ricostas Garage verloren.„Oh, verdammt!“, fluchte er.Anscheinend hatte sich wirklich alles gegen ihn verschworen. Ricosta, dieser Dreckskerl, saß jetzt gemütlich zu Hause in seiner warmen Villa. Ein Glas mit irgendeinem teuren Gesöff rechts, eine Geliebte links... – und wenn Sonny starb konnte niemand beweisen, dass Ricosta in der Sache drin hing. Es gab keinen Beweis dafür, dass er dort gewesen war, zumal er niemandem gesagt hatte, wohin er wollte.„Weißt du, Crockett, manchmal bist du ein Riesenrindvieh“, sagte er laut zu sich selber. Es tat einfach gut irgendeine Stimme zu hören. „Seit vierzig Jahren bist du Polizist und was machst du...? Rennst drauf los wie ein unerfahrener Neuling von der Akademie!“Sonny stolperte vorwärts. Irgendwie musste er eine Straße finden. Straßen führten immer irgendwohin, wo es jemanden gab, der ihm weiterhelfen konnte.„Winter“, knurrte er, während er immer wieder stolperte. „Ich hasse den Winter!“Und als er umknickte und stürzte brüllte er wütend: „Ich hasse den Winter!“Er raffte sich auf, um seinen Weg fortzusetzen. Einmal stieß er gegen einen Baum, ein anderes Mal gegen die Wurzel eines umgekippten Baumes. Wenn er wenigstens eine Ahnung hätte, wo sie ihn abgelegt hatten oder wenn er etwas mehr sehen könnte!Seine Finger waren bereits gefühllos und auch seine Zehen gehörten ihm nicht mehr wirklich. Die Kälte kroch immer höher.Nach einer Weile blieb Sonny stehen, um Luft zu holen. Das, was er hier machte, war absolut hirnrissig. Er hatte keine Ahnung, in welcher Richtung die Straße lag und wie weit sie entfernt war. Vielleicht lief er immer tiefer in den Wald und endete an einer Stelle, wo man seine Überreste erst im Frühjahr finden würde.Während er, nach Luft ringend, nach einem Ausweg suchte, bemerkte er, dass der Schneefall nachließ. Das war wenigstens etwas, aber es vertrieb nicht die Nässe und die Kälte, die in seinen Klamotten und in seinen Knochen steckte. Er durfte nicht stehen bleiben! Er musste so lange wie möglich in Bewegung bleiben.Sonny taumelte weiter. Da die Wolkendecke sich tatsächlich etwas lockerte und ein wenig Licht durchließ, konnte er wenigstens die Schatten der Bäume erkennen, die wie riesige Ungeheuer wirkten. Es half ihm aber nicht den Weg zu finden, denn alles sah gleich aus.Bleib bloß nicht stehen, Mann, dachte er. Wenn du stehen bleibst, fällst du um und dann bist du so gut wie tot!Roberto saß zusammen mit Sandro im Überwachungsraum der Villa. Sie tranken Bier und blickten auf die Monitore, die ihnen die Umgebung um die Villa herum zeigten. Alles blieb still. Die einzigen Bewegungen kamen von den herumwirbelnden Schneeflocken und von dem Schnee, den der Wind von den Ästen pustete.Roberto war sehr zufrieden. Crockett war sicher schon tot, oder zumindest nicht weit davon entfernt und Ricosta war besänftigt. Er konnte jetzt noch eine Weile mit Sandro hier zusammen sitzen und sich später irgendeinen guten Film reinziehen, ehe er ins Bett ging.„Wie sieht es eigentlich mit meinen fünfzig Dollar aus, die du mir schuldest?“, fragte Sandro plötzlich. „Ich brauche das Geld. Bin selbst ein bisschen klamm diesen Monat.“Er benutzte seine Bierflasche, um seine Blessuren zu kühlen, genau wie Roberto. Morgen würden sie beide aussehen wie die Verlierer eines Boxkampfes.Roberto stellte die Bierflasche ab und griff in die linke Gesäßtasche seiner Jeans ....- aber die Geldbörse war nicht da.„Ich hole es dir“, sagte er, stand auf, ging hinüber in sein Appartement, das dem Überwachungsraum gegenüberlag, und durchsuchte die Taschen seiner Jacken. – Nichts! Er war sicher, dass er es am Morgen, wie üblich, in seine Hosentasche gesteckt hatte. Vielleicht hatte er es in der Garage verloren, als sie sich mit Crockett herumschlagen mussten.Roberto eilte in die Garage. Er schaltete das Licht an und lief überall herum. Er fand den abgebrochenen Mercedes – Stern und wusste, dass Mr. Ricosta sehr wütend darüber sein würde. Die Autos waren seine Heiligtümer.Roberto fluchte. Er legte den Stern auf die Motorhaube des Mercedes und suchte weiter. Er ging sogar auf die Knie, aber die Geldbörse war nirgendwo.Neben dem Bentley kniend wurde ihm klar, dass er die Geldbörse nur verloren haben konnte, als er Crockett im Wald abgeladen hatte.Er musste rausfahren, die Stelle suchen, an der Crockett lag, und sich seine Geldbörse zurückholen. Ansonsten konnte er gleich zu den Bullen fahren und zugeben, dass er Crockett umgebracht hatte.„Was ist los?“Roberto hatte Sandro nicht kommen hören. Er zuckte zusammen, kam auf die Füße und blickte sich noch einmal suchend um. „Ich hab mein Portmonee verloren, als ich Crockett vom Schlitten gezogen habe“, erklärte er. „Das ist passiert! Jetzt kann ich da rausfahren und in der Dunkelheit und bei dem verdammten Schneefall mein Portmonee suchen! Da ist alles drin! Mein Ausweis, meine Kreditkarten...“„Ich komme mit“, beschloss Sandro. „ Zu zweit finden wir es vielleicht schneller. Georgio kann eine Weile die Überwachung übernehmen.“Wenige Minuten später stiegen die beiden Männer in ihre Skimontur. Etwas, dass Roberto nicht getan hatte, als er Sonny in den Wald gefahren hatte. Er hatte geglaubt, der Aufwand wäre nicht nötig, weil er ja schnell zurückkommen wollte. Jetzt bereute er es.Beide steckten sich ihre Waffen vorne in den Hosenbund, wo sie im Notfall schnell verfügbar waren. Dann öffnete Sandro das Garagentor und die beiden Schneemobile fuhren hinaus in die Nacht.

Link to comment
Share on other sites

VIERUNDDREISSIGSonny hatte das Gefühl seine Beine bestünden aus Blei und alles andere war irgendwie eingefroren. Seine Hände und Füße schmerzten und die eisige Luft brannte in seinen Lungen. Dennoch musste er plötzlich grinsen. Er hatte immer geglaubt er würde eines Tages durch die Kugel irgendeines Gangsters sterben oder im Auto bei einer Verfolgungsjagd, aber er hätte niemals erwartet, dass er im Schnee sterben würde...- erschlagen von Massen von Kokain vielleicht, aber nicht in diesem kalten, weißen Zeug. Das Ganze war absolute Ironie.Plötzlich hörte er Motorengeräusche. Im ersten Moment glaubte er, dass seine Fantasie ihm einen Streich spielte, aber dann sah er die Scheinwerfer, die in der Dunkelheit auf und ab tanzten. Sie näherten sich in einem eher gemächlichen Tempo, so, als ob sie etwas suchten.Sonny dachte an die Schneemobile, die er in Ricostas Garage gesehen hatte. Bestimmt kamen die beiden Typen, mit denen er sich dort herumgeschlagen hatte, zurück, um sicherzugehen, dass er wirklich tot war. Vielleicht hatte Ricosta sie auch angewiesen ihm den Rest zu geben. Immerhin war Sonny zwei der heimtückischen Anschläge entkommen. Er war sich inzwischen nicht mehr sicher, ob Ricosta ihn töten lassen wollte, weil Sonny versucht hatte ihn zu überführen oder ob es um Chelsea ging.Aber jetzt ging es nur ums Überleben!Was sollte er tun?Die Schneemobile waren zu schnell, im Schnee zu laufen dauerte jedoch wesentlich länger. Davon abgesehen fühlte er wie eingefroren.Sonny huschte hinter einen Baum, den Blick starr auf die beiden Schneemobile gerichtet. Dann korrigierte er seine Position und rannte zu einem anderen Baum. Er vergaß seine schmerzenden Hände und Füße. Sein Körper pumpte Unmengen Adrenalin in seine Blutbahn, das ihn aufputschte.Eines der Fahrzeuge kam genau auf ihn zu, das andere fuhr einen Bogen. Vermutlich wussten sie nicht mehr, wo sie ihn abgelegt hatten. Da es stark geschneit hatte – und auch jetzt weiterhin schneite, wenn auch nicht mehr so stark – vermuteten sie wahrscheinlich, dass er unter dem Schnee lag.Plötzlich erfasste ihn der Scheinwerfer des einen Schneemobils. Überrascht nahm der Fahrer Gas zurück, ehe er einmal kurz auf die Hupe drückte. Der Fahrer des anderen Schneemobils wendete daraufhin sein Fahrzeug, während sein Kumpel, der Sonny entdeckt hatte, so stehen blieb, dass Sonny im Scheinwerferlicht stand.„Verdammt!“, flüsterte Sonny. Er kniff die Augen zusammen und legte zusätzlich die Hand über die Augen. Nach dem Aufenthalt in der Dunkelheit fühlte er sich jetzt, als wäre er blind.Er blinzelte, sah zwischen den beiden Fahrzeugen hin und her.Sie hatten ihn!Sonnys Blick huschte hektisch herum. Er besaß nichts, womit er sich verteidigen konnte, aber es gab auch keine Möglichkeit sich zu verstecken.Das Schneemobil kam auf ihn zu, ein weiteres gesellte sich dazu. Die Fahrer spielten mit dem Gas und Sonny glaubte beinah das Grinsen auf ihren Gesichtern sehen zu können. Er hatte keine Wahl!Sonny wirbelte herum und rannte los. Äste brachen, Schnee rieselte auf ihn herab. Er sank immer wieder im tiefen Schnee ein, als er um sein Leben rannte. Sonny hatte die Arme leicht seitlich erhoben, um sein Gesicht vor den tiefhängenden Äste zu schützen, die sich weit unter der Schneelast herabbogen. Schnee fiel auf ihn und rieselte in den Kragen seiner Jacke. Er spürte es jedoch kaum.Die Schneemobile kamen mal dicht heran, dann ließen sie ihm wieder mehr Raum. Die Mistkerle spielten mit ihm!Sonny stolperte und stürzte. Seine Hände und sein Gesicht versanken für einen Moment im eisigen Schnee, der in seine Nase und in seinen Mund drang.Sonny raffte sich auf. Die Zähne zusammenbeißend kam er auf die Füße. Sie wollten, dass er liegen blieb, damit sie sich dann neben ihn stellen und ihm die Waffe an den Kopf setzen konnten. Den Gefallen würde er ihnen aber nicht tun!Kurz blickte Sonny sich um. Die Schneemobile waren hinter ihm. Sie warteten. Die Fahrer spielten weiter mit dem Gas, als wollten sie sagen: Komm schon! Lauf los!„Feige Schweine“, grummelte Sonny.Er blieb stehen, versuchte wieder zu Atem zu kommen, und sah sich um. Der Mond kam zwar tatsächlich hinter den Wolken hervor, aber sein Licht reichte nicht aus, um wirklich etwas erkennen zu können. Alles, was Sonny sah, waren schwarze, bedrohlich in den Himmel ragende Schatten.Was er brauchte war irgendeine Art Waffe. Ein Ast, zum Beispiel, aber der Schnee deckte alle eventuell infrage kommenden Äste zu.Die Schneemobile kamen näher. Sonny hörte ein metallisches Klicken und wusste, dass einer der beiden jetzt seine Waffe entsichert hatte. Er war ihnen zu langweilig und sie wollten das Spiel beenden.Etliche Sträucher, die dicht beieinander standen, erregten Sonnys Aufmerksamkeit. Natürlich fand er dort nichts, womit er sich verteidigen konnte, aber sie würden nicht schießen, wenn sie ihn nicht deutlich vor sich hatten.Haken schlagend stolperte Sonny durch den Schnee auf die Sträucher zu. Auch die Bäume standen an dieser Stelle wesentlich enger, wie er feststellte, als er näher kam. Für die Schneemobile war es zu eng!Er hörte den Knall eines Schusses. Ein Ast brach laut krachend, Schnee fiel auf ihn herab. Die Kugel hatte ihn verfehlt, aber Sonny wusste, dass sie nicht aufgeben würden.Sonny huschte zwischen zwei recht hohe Sträucher, beugte sich etwas vor, stützte die Hände oberhalb der Knie auf und rang kurz nach Luft. In seinem Kopf pochte es, seine Kiefer schmerzten und seine Lungen brannten. Er sah seine eigenen Spuren im Licht des sich nähernden Scheinwerfers. Er würde ihnen nie entkommen können! Der Winter war ein hinterhältiger Verräter!Er hörte sie, aber er konnte sie wegen des vielen Schnees, der auf den Ästen lag und wie eine Wand wirkte, nicht sehen. Nur die Lichter der Scheinwerfer tanzten auf und ab, als sie sich langsam näherten.Sonny richtete sich auf und blickte vorsichtig um den Strauch herum. Er sah die beiden Maschinen. Sie warteten an einer Stelle, wo die Bäume besonders dicht gepflanzt waren. Sie kamen nicht durch, wollten aber auch nicht um die Baumgruppe herumfahren, weil sie offensichtlich befürchteten, er könnte den Moment nutzen, um abzuhauen.Sonny versuchte zu grinsen, aber seine Gesichtsmuskeln waren eingefroren und er brachte kaum mehr als ein leichtes Zucken in den Mundwinkeln zustande.Er umrundete die Sträucher rechts herum, immer darauf bedacht, die Kerle im Auge zu behalten.Plötzlich hörte er, wie sie mehr Gas gaben. Das Licht der Scheinwerfer begann zu tanzen, als sie drehten.Sonny duckte sich. Er hoffte, dass sie ihn nicht irgendwie bemerkt hatten und nun wussten, was er plante. Aber die Beiden wandten sich ab und fuhren tatsächlich davon.Verwundert blickte Sonny ihnen nach.Was hatte den plötzlichen Sinneswandel bewirkt?Nach einem Moment des Nachdenkens kam er darauf, dass sie es wahrscheinlich für besser hielten, ihn nicht zu erschießen. Eine Kugel konnte man einer Waffe zuordnen, aber wenn er hier erfror, würden alle davon ausgehen, dass er sich verlaufen hatte. Es würde keine Verbindung zu Ricosta oder zu seinen Leuten geben.Kurz blickte Sonny zum Mond hinauf, der mal auftauchte, mal hinter Wolken verschwand. Dann stapfte er los. Die Kälte breitete sich immer mehr in seinen Knochen aus. Er wusste, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb.Sonny hatte keine Ahnung, wie lange er durch den hohen Schnee gestolpert war, bis er erneut Geräusche hörte.Ricostas Männer kamen zurück!Er hastete, so schnell es ihm möglich war, hinter einen dicken Baum und wartete.Tatsächlich tauchten sehr schnell zwei Schneemobile auf. Der Fahrer des einen Schneemobils hielt sein Fahrzeug dicht an den Bäumen und er fuhr ziemlich langsam.Er folgt meinen Spuren! , dachte Sonny. Aber dieses Mal überrasche ich dich, Freundchen!Sonnys Muskeln spannten sich an. Er musste den richtigen Moment erwischen, um den Fahrer von seinem Gefährt herunterzuholen.Das Schneemobil kam näher und näher. Jetzt! Sonny gab sich selber das Startsignal, als er sich auf den Fahrer des Schneemobils stürzte. Er hatte den Moment wirklich gut abgepasst, denn er erwischte den Mann in der Seite und warf ihn von dem Fahrzeug in den Schnee. Das Schneemobil kippte um, drehte sich etwas und beleuchtete die Szene. Allerdings leuchtete das Licht Sonny in den Rücken. Der Fahrer des anderen Schneemobils hatte anscheinend nicht mitbekommen, was passiert war, denn er fuhr einfach weiter.Sonny dachte nicht nach und er sah nicht genau hin. Er war wütend und packte den Kerl fest am Hals. Der Mann beugte den Kopf nach vorne so weit er konnte, umklammerte Sonnys Handgelenke mit beiden Händen und versuchte ihn wegzustoßen. Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich, so, als wollte er etwas sagen, konnte es aber nicht wegen der Hände, die seine Kehle zudrückten.Sonny spürte, dass er auf einer Waffe saß. Der Kerl hatte sie vorne in den Hosenbund gesteckt, damit sie schnell greifbar war.Er hielt mit der linken Hand weiterhin den Hals des Mannes umklammert, während er versuchte mit der rechten Hand an die Waffe zu gelangen.Der Mann ließ ebenfalls mit einer Hand los, um Sonny einen Kinnhaken zu verpassen.Sonnys Kopf wurde nach hinten katapultiert. Es knackte in seinem Kiefer und der Schmerz schoss bis in die hintesten Hirnwindungen hinauf. Sonny stöhnte auf.Im gleichen Moment aber umfasste seine rechte Hand den Griff der Waffe und zog sie aus dem Hosenbund des Mannes.Er entsicherte sie mit klammen Fingern. Dann drückte er dem Mann die Mündung in die weiche Stelle oberhalb des Kehlkopfes. Der Mann wehrte sich und versuchte erneut Sonny zu schlagen. In diesem Moment löste sich ein Schuss aus der Waffe, der die nächtliche Stille durchbrach.

Link to comment
Share on other sites

FÜNFUNDDREISSIGDer Schuss hatte den Mann knapp verfehlt. Schnee spritzte dort auf, wo die Kugel einschlug. Sonny drehte automatisch den Kopf etwas zur Seite. Dennoch traf ihn der Schnee wie Nadelstiche auf der rechten Gesichtsseite und am Hals und er ließ automatisch die Gurgel des Mannes los. Er wandte dem Mann jedoch sofort wieder seine Aufmerksamkeit zu.„Ein zweites Mal hast du kein Glück, Freundchen“, knurrte Sonny wütend.Im gleichen Moment traf ihn ein gezielter Schlag am Kinn, der ihn zur Seite katapultierte. Der Mann half nach, indem er ihm mit der anderen Hand einen Stoß versetzte. Wieder drang irgendein Geräusch durch den Integralhelm zu Sonny, aber er konnte nicht verstehen, was der Mann sagte. Er hörte nicht mal hin. Wozu auch?Sonny landete im Schnee, der augenblicklich in seinen Kragen rutschte, ihn weiter frieren ließ und seine Wut anfachte. Seine rechte Hand umklammerte die Waffe. Sie war alles, was er hatte. Wenn er sie verlor, war auch er verloren.Der Mann stürzte sich auf ihn und versuchte Sonnys Arme zu packen, aber da drückte Sonny ihm die Mündung der Waffe in den Bauch. Als er den Hahn spannte, klang es fast wie eine Explosion in seinen Ohren.„Crockett!“ Der Befehlston kam von irgendwo rechts und die Stimme ließ Sonny inne halten, denn sie erinnerte ihn an Castillo.Sonny blinzelte irritiert und ließ tatsächlich die Waffe sinken. Der Mann, der auf seinem Bauch saß, nutzte den Moment, um mit der einen Hand Sonnys rechtes Handgelenk zu umklammern, während er mit der anderen Hand das Visier des Helms hochschob. „Ich bin´s, Tubbs!“Mit einem erleichterten Aufstöhnen sank Sonny zurück in den Schnee. „Oh, verdammt, Tubbs, beinah hätte ich dich umgelegt!“, sagte er mit rauer Stimme.Rico erhob sich und reichte Sonny die Hand, um ihn hochzuziehen, während Castillo näher kam.Rico und Sonny umarmten sich. „Mann, ich dachte, ich sehe dich nie wieder“, gestand Rico.Sonny grinste. Es fiel ein bisschen schief aus. „Frag mich mal“, meinte er.Rico ging zu seinem Schneemobil, holte die Thermoskanne heraus und füllte Sonny einen Becher mit heißem Tee. Währenddessen nahm Castillo die warme Jacke und die Handschuhe aus dem Gepäckfach seines Schneemobils. Er umarmte Sonny kurz, aber freundschaftlich, ehe er ihm aus der nassen, halb gefrorenen Jacke und in die trockene Jacke half. Mit steifgefrorenen Fingern zog Sonny die Fausthandschuhe an.„Hier!“ Rico reichte Sonny den Becher, den dieser mit beiden Händen umfasste. Die Hitze des Tees drang durch die Handschuhe und half zusätzlich seine Finger aufzutauen. Rico fragte: „Was genau hast du dir bei deiner Aktion gedacht?“Sonny pustete über den heißen Tee. „Ich will dieses Schwein hinter Schloss und Riegel sehen, Rico. Er verdient sich ein ganzes Batallion an goldenen Nasen mit seinen illegalen Geschäften und er hat Lynn ... – meine Freundin getötet.“Sonny trank vorsichtig einen Schluck, dann noch einen. Das heiße Gebräu rutschte durch seine Kehle hinunter in seinen Magen und die Wärme breitete sich langsam aus.„Ich weiß Bescheid, Sonny. Ich war bei Ms. Bendall“, erklärte Rico.„Was sagt sie?“Rico zögerte. Eigentlich wollte er erst hier raus sein und Sonny wirklich im Trockenen wissen, ehe er mit ihm plauderte. Sein Zögern genügte jedoch, damit Sonny wusste, dass irgendwas passiert war. Er zitterte zwar immer noch wie Espenlaub und seine Zähne klapperten aufeinander, aber er wollte jetzt die Wahrheit wissen.„Was ist passiert?“„Jemand hat sie überfallen und versucht ihr die Kehle durchzuschneiden. Sie liegt im Krankenhaus und ich weiß nicht wie hoch ihre Überlebenschancen sind“, gestand Rico. „Jemand sah allerdings dich aus dem Haus kommen, ehe man Ms. Bendall fand.“„Wir sollten das woanders besprechen“, drängte Castillo. „Crockett muss dringend aus dieser Kälte heraus.“Sonny reichte Rico den leeren Becher. Er hatte sich ordentlich die Zunge an dem heißen Zeug verbrannt, aber es störte ihn nicht. Der heiße Tee hatte begonnen sein Innerstes aufzutauen. Jetzt, wo er wusste, dass er nicht erfrieren würde, erwachten seine Lebensgeister wieder richtig und er war fester denn je entschlossen Ricosta hinter Gitter zu bringen.Er schwang sich hinter Rico auf das Schneemobil und dieser gab Gas. Castillo war neben ihnen.Sie fuhren durch die Stille des späten Abends. Es hatte aufgehört zu schneien. Der Wind schob die Wolken weg und das fahle Mondlicht schien auf die Erde. Es ließ den Schnee glitzern und funkeln.Sonny sah nicht hin. Er hatte genug von dem kalten, weißen Zeug. Er sehnte sich nach der Sonne Miamis, nach dem Strand, dem Rauschen der Wellen und sogar nach dem nervtötenden Geschrei der Möwen, wenn sie über dem Wasser kreisten.Ein Wermutstropfen blieb jedoch: Es war ihm nicht gelungen Ricosta zu erwischen. Der Kerl würde davonkommen und sich fröhlich weiter mit todbringenden Drogen eine goldene Nase verdienen.Plötzlich hörte er Motorengeräusche. Er blickte über Ricos Schulter und entdeckte zwei weitere Schneemobile, die zwischen den Bäumen durch genau auf sie zukamen. Dieses Mal war Sonny sicher, dass es Ricostas Männer waren. Niemand sonst fuhr um diese Uhrzeit bei diesen Wetterverhältnissen freiwillig hier draußen herum.Sonny zog die Waffe aus Ricos Hosenbund. Vielleicht gab es ja doch noch einen Weg Ricosta zu erwischen!

Link to comment
Share on other sites

SECHSUNDDREISSIGCastillo dachte ebenso wie Sonny. Er wusste zwar nur das über Ricosta, was Rico ihm erzählt hatte, aber er hatte ausreichend Erfahrung mit Gesindel dieser Art. Castillo schwenkte ab. Er hatte keine Möglichkeit zu lenken und gleichzeitig zu schießen. Dazu war er im Umgang mit diesem Fahrzeug zu ungeübt. Deshalb beschloss er, zwischen den Bäumen zu seiner Linken zu warten. Dort hatte er die Überraschung auf seiner Seite.Er fuhr einen Bogen, umkreiste einen dicken Hickory Baum, dessen Äste sich unter der Schneelast weit herabbogen, und hielt an.Er schaltete das Licht aus, um sich nicht zu verraten. Dann stieg er ab, zog sie Waffe und entsicherte sie. Das Geräusch klang laut in seinen Ohren, aber die anderen hatten es nicht gehört, weil die Motorengeräusche es übertönten. Er legte an und zielte. Irgendeinen Gangster würde er schon erwischen!Robertos Pechsträhne hatte angehalten, denn dummerweise hatte er sich nicht genau eingeprägt, wo er Crockett abgeladen hatte.Woher hätte er auch wissen sollen, dass er die Stelle unbedingt wiederfinden musste?Er hatte sie aber nicht gefunden. Deshalb waren sie herumgefahren, bis sie plötzlich Crockett höchstpersönlich entdeckten. Der Mistkerl hatte es tatsächlich geschafft auf die Beine zu kommen!Da Roberto Spielchen liebte, hatte er beschlossen eins mit Crockett zu spielen. Es hieß: Jag den Bullen!Aber dann hatte Sandro ihm Zeichen gegeben abzudrehen.Roberto hatte keine Ahnung gehabt, warum er ihm sein Spiel vermiest hatte. Deshalb hielt er, als sie weit genug von Crockett entfernt waren, an, und stellte Sandro zur Rede.„Du kannst den Bullen nicht abknallen, Robbie“, hatte Sandro gesagt. „Unsere Waffen sind auf unseren Boss zugelassen. Erschießt du den Bullen, hat unser Boss Ärger am Hals... und an wem wird er seine Wut auslassen? An uns! Darauf habe ich keinen Bock, verstehst du?“„Wen wir ihn laufen lassen, wird er nach Wegen suchen, um uns in den Knast zu bringen“, hatte Roberto erwidert. „Darauf habe ich keinen Bock. Bisher konnte ich es vermeiden im Knast zu landen und so soll es auch bleiben! Genau deshalb muss ich mein verdammtes Portmonee finden!“„Wir suchen es morgen danach. Wenn es hell ist, sind unsere Chancen viel größer“, schlug Sandro vor.Roberto blickte zum Himmel. Im Moment war es klar, Sterne funkelten, aber von Osten her zogen bereits neue Wolken heran, die den Horizont einnahmen. Sicher kamen sie im Laufe der Nacht hier an.„Mach, was du willst, ich fahre jetzt nach Hause“, sagte Sandro und stülpte sich wieder den Helm über den Kopf.Roberto seufzte, aber dann setzte er sich ebenfalls den Helm auf.Sie fuhren eine Schleife, um zur Villa zurückzukehren.Wenige Minuten später sah er das Schneemobil. Im ersten Moment glaubte er sogar, er hätte die Lichter von zwei Schneemobilen gesehen, aber anscheinend hatte er sich geirrt. Er fand es seltsam, dass das Schneemobil so spät am Abend unterwegs war. Es war ungewöhnlich.Er blickte zu Sandro hinüber, der ihm ebenfalls das Gesicht zugewandt hatte. Natürlich konnten sie einander nicht wirklich ins Gesicht sehen, da sie Helme trugen, aber Sandro zuckte die Achseln.Roberto verstand das Zeichen. Sandro wusste ebenfalls nicht, was er von diesem Schneemobil halten sollte.Roberto gab mit der Hand ein Zeichen nach vorne, was so viel bedeutete wie: Fahren wir einfach dran vorbei.Sandro nickte. Anscheinend dachte er auch, dass es besser war sich harmlos zu stellen. Vielleicht handelte es sich um Urlauber, die spät dran waren oder um Kontrolleure der Forstverwaltung, die sich auf dem Heimweg befanden.Roberto erkannte Sonny den Bruchteil einer Sekunde, ehe dieser die Waffe abfeuerte. Da das Schneemobil in diesem Moment über eine Bodenwelle fuhr, verfehlte der Schuss sein Ziel. Die Kugel sirrte durch die Finsternis davon. Irgendwo brach krachend ein Ast.Die Schneemobile rasten aneinander vorbei. Roberto und Sandro zogen ihre Waffen, entsicherten sie und wendeten die Yamahas.Castillo legte an. Ihm war klar, dass der erste Schuss ein Volltreffer sein musste, denn dann wussten die Gangster, dass es noch jemanden gab, der im Gebüsch lauerte. Er zielte und schoss, als die beiden Schneemobile vorbeirauschten.Sandro spürte plötzlich einen Schlag gegen die linke Schulter, dann einen brennenden Schmerz, der sich in seinem ganzen Arm ausbreitete. Dem Schmerz folgte ein Gefühl der Taubheit. Er konnte den Arm nicht mehr richtig gebrauchen und das Schneemobil begann hin und her zu schaukeln. Ihm blieb keine andere Wahl, als mit der rechten Hand, in der er seine Waffe hielt, an den Lenker zu greifen.Verdammt! , dachte er. Irgendwo im Gebüsch hockt noch so eine miese Ratte!Der nächste Schuss durchschlug sein linkes Schulterblatt, noch ehe er den Gedanken überhaupt zu Ende geführt hatte. Sandro wurde nach vorne katapultiert. Das Schneemobil machte einen Schlenker, dann stürzte Sandro herunter. Die Waffe segelte ein paar Meter weiter und versank im Schnee.Sandro überschlug sich, rollte durch den Schnee und blieb erst mal benommen liegen. Das Fahrzeug fuhr noch ein paar Meter, ehe es einfach stehen blieb.Rico und Sonny rechneten damit, dass die Gangster umkehren würden. Sonny hielt die Waffe bereits wieder im Anschlag und brüllte Rico an: „Und fahr dieses Mal ordentlich!“„Witzig, Crockett,“ murmelte Rico in seinen nicht vorhandenen Bart. Als ob er eben absichtlich über diese dämliche Bodenwelle gefahren wäre!Er fuhr einen Bogen, nutzte die Bäume als Deckung. Rico sah den einen Gangster zu Boden stürzen, aber der andere hockte zusammengekauert auf seiner Yamaha und hielt genau auf sie zu. Der erste Schuss aus seiner Waffe durchschlug den Windschutz von Ricos Schneemobil. Die Kugel hinterließ ein hübsches Loch und Risse, die an ein Spinnennetz erinnerten. Sie pfiff haarscharf an Ricos rechten Oberarm vorbei, dann auch an Sonnys Arm und sirrte davon.„Oh, verdammt!“, fluchte Sonny. Er zielte an Rico vorbei auf den Gangster, aber der riss plötzlich die Maschine herum. Der Schnee spritzte auf, nahm Rico und Sonny die Sicht.Sonny senkte den Arm mit der Waffe. Er wusste nicht wie viele Kugeln sich in der Waffe befanden, die er in der Hand hielt und er wollte keine verschwenden.Sein Blick huschte herum. Wo war eigentlich Castillo? Als die Gangster auftauchten, hatte er seinen ehemaligen Boss völlig aus den Augen verloren.Castillo legte erneut an und zielte auf den zweiten Gangster. Im Schein des Mondes, der freundlicherweise im Augenblick vom Himmel herab leuchtete, war es nicht ganz einfach zu treffen.Roberto sah plötzlich Sandro auf dem Boden liegen. Der Schnee unter seinem Freund hatte sich rötlich verfärbt, aber Sandro bewegte sich. Zumindest lebte er noch.Hektisch blickte Roberto umher. Er war sicher, dass Crockett nicht auf Sandro gezielt haben konnte.Verdammt, dachte Roberto wie zuvor bereits Sandro. Sie sind zu dritt! Ich habe mich also nicht geirrt, als ich dachte, ich hätte die Lichter von zwei Schneemobilen gesehen!Aber er hatte nicht die geringste Ahnung, wo der Dritte hockte.Von Sandro konnte er sich auch keine Hilfe erhoffen. Roberto beschloss, erst mal abzuhauen, Deckung zu suchen und von dort aus Verstärkung zu rufen. Er musste Crockett erledigen, denn sonst war er erledigt.Roberto raste davon.

Link to comment
Share on other sites

SIEBENUNDDREISSIG„Ich brauche dieses Schneemobil!“, brüllte Sonny dorthin, wo unter dem Helm Ricos Ohr war. Gleichzeitig deutete er an seinem alten Partner vorbei auf Sandros Schneemobil.Rico verstand. Er hielt kurz an, damit Sonny absteigen konnte.Sonny rannte zu dem Schneemobil. Er spürte die Adrenalinstöße, die durch seinen Körper jagten. Für eine Weile würden sie ihn auf den Beinen halten. Vielleicht lange genug, um Roberto zu erwischen!Sonny schwang sich auf Sandros Schneemobil. Er gab Gas, fuhr eine sehr rasante Schleife, bei der er das Fahrzeug beinah umgeworfen hätte, und folgte Roberto zwischen den Bäumen durch.Sonny versuchte das Gefährt nur mit einer Hand zu lenken, damit er auf Roberto schießen konnte, aber es stellte sich als weitaus schwieriger dar als es aussah.Vor sich sah er die Lichter des anderen Schneemobils, die auf und ab hüpften. Der Abstand war noch ziemlich groß und Sonny gab mehr Gas.Er riss das Fahrzeug zur Seite und wählte eine andere, parallel verlaufende Schneise, um dem Gangster den Weg abzuschneiden. Es gelang ihm, sich dem anderen Schneemobil immer weiter von der Seite zu nähern.Einmal fuhr Roberto sich fast im Gestrüpp fest. Er musste anhalten, die Maschine etwas zurückschieben, und sich dann einen neuen Weg suchen. Das kostete Zeit, die Sonny nutzte, um näher an ihn heran zu kommen.„Ich kriege dich, du Bastard“, knurrte Sonny angriffslustig, aber da hatte Roberto die Maschine befreit und raste weiter.Sonny riss die Maschine nach rechts. Er suchte sich einen Weg zwischen den Bäumen durch, was sehr riskant war, weil viele Bäume sich in arger Schräglage befanden und zu kippen drohten.Sonny übersah einen Baumstamm, der unter einem Berg von Schnee begraben lag. Er fungierte als Rampe und Sonny fühlte sich plötzlich in die Luft gehoben. Er umklammerte den Lenker, beugte sich weit vor und sah die Bäume rechts und links als schwarze Schatten vorbeirauschen.Dann knallte das Schneemobil auf den Boden. Der Ruck schoss durch Sonnys Wirbelsäule nach oben bis in seinen Kopf. Es fühlte sich an, als wäre sein Hirn der Gipfelpunkt von „Hau – den – Lukas“.Das Risiko hatte sich dennoch gelohnt, denn die Distanz zwischen ihm und Roberto hatte sich massiv verringert.Roberto bemerkte es ebenfalls. Immer wieder drehte er sich um, weil er seinen Vorsprung prüfen wollte...- und plötzlich verschwand er!Sonny hörte einen ohrenbetäubenden Lärm. Er drosselte das Tempo, hielt das Schneemobil an, und parkte es so, dass esihm Licht spendete. Dann stieg er ab und ging bis dorthin, wo er vor wenigen Sekunden Roberto gesehen hatte.Im gleichen Moment gab es eine Explosion. Für einen kurzen Augenblick erhellte ein Feuerschein die Nacht. Sonny riss beide Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen. Der Boden zitterte leicht, Schnee rieselte von den Bäumen herab.Sonny trat einen Schritt vor und blickte vorsichtig über den Rand des Abhangs, den der Gangster hinuntergestürzt war.Rico hatte das Schneemobil abgestellt und war zu dem Verletzten geeilt, die Waffe im Anschlag. Er blieb vorsichtig, denn von weitem konnte er nicht sehen wie schwer die Verletzungen waren und ob Sandro die Waffe in der Hand hielt oder nicht..Sandro bewegte sich und stöhnte leise.Der Schnee knirschte unter Ricos Stiefeln. Im Scheinwerferlicht sah er, dass sich der Schnee unter dem Mann rot gefärbt hatte. Er war anscheinend sehr schwer verletzt und brauchte dringend Hilfe. In den Händen, die rechts und links neben dem Körperlagen, entdeckte Rico keine Waffe. Dennoch blieb er vorsichtig.Rico wollte gerade sein Handy aus der Tasche ziehen, um einen Notruf abzusetzen, als Sandro ihm den behelmten Kopf zuwandte. Er bewegte sich langsam, weil ihm offensichtlich jede Bewegung starke Schmerzen bereitete.Obwohl Sandro das Visier hochgeschoben hatte, konnte Rico das Gesicht des Mannes nicht sehen„Machen Sie keine Dummheiten!“, rief Rico. „Polizei!“„Scheißbulle!“, zischte Sandro.Er bewegte sich etwas, legte sein Gewicht für eine Sekunde mehr auf die linke Seite. Ein Stöhnen entrang sich ihm, aber dann hielt er plötzlich eine Waffe in der Hand, die er, für den Notfall, vorn in einer Tasche verborgen hatte.Im nächsten Moment zerriss ein Schuss die Stille der Nacht.

Link to comment
Share on other sites

ACHTUNDDREISSIGCastillo kam näher. Er nahm seinen Helm ab, sah Rico an und fragte: „Worauf wollten Sie warten, Tubbs?“Rico schüttelte nur den Kopf. Obwohl er es besser hätte wissen müssen, hatte er nicht damit gerechnet, dass der Gangster irgendwo eine Waffe versteckte.Jetzt war der Mann, der vor ihm im Schnee lag, tot.Rico fasste sich schnell. Sein Blick huschte herum auf der Suche nach Sonny. Er konnte die Geräusche der beiden davonrasenden Schneemobile noch hören und glaubte in der Ferne Licht auf und ab tanzen zu sehen.„Wir müssen Sonny folgen“, sagte er, drehte sich um und eilte zu seinem Schneemobil. „Im Moment scheint sein Hirn etwas eingefroren zu sein. Es ist die einzige Erklärung für sein unüberlegtes Verhalten.“Castillo nickte und rannte zu seinem Fahrzeug. Unterwegs stülpte er sich den Helm wieder über den Kopf und zurrte den Kinnriemen fest.Einen Moment später fuhren sie in die Richtung, in die auch Sonny und der andere Gangster gefahren waren.Deutlich zeichneten sich die Spuren der Schneemobile im Schnee ab, aber plötzlich teilten sie sich.Rico hielt an, Castillo stoppte neben ihm. Mit der Hand gaben sie einander Zeichen. Rico würde der linken Spur folgen, Castillo der rechten.Rico machte sich Sorgen. Sonny schien im Augenblick in der Verfassung zu sein, wo er erst handelte und dann nachdachte.Das konnte sehr gefährlich werden. Eigentlich hätte er nach seinem unfreiwilligen Aufenthalt im Schnee, der durchaus seinen Tod hätte bedeuten können, vorsichtiger werden müssen. Anscheinend war seine Wut jedoch so groß, dass er die Stimme der Vorsicht und der Vernunft ignorierte.Plötzlich hörte Rico die Explosion. Zwischen den Bäumen sah er kurz einen Feuerschein, der die Nacht erhellte.„Oh, verdammt!“, fluchte er, zog die Maschine nach rechts und gab Gas.Er sah Castillo, der ebenfalls beschleunigt hatte und sich etwa zwanzig Meter vor ihm befand. Dann aber entdeckte er die Gestalt, die sich nun umwandte, als die Schneemobile näher kamen.Erleichtert stellte Rico fest, dass es Sonny war.Castillo parkte bereits sein Schneemobil und stieg ab. Er zog den Helm vom Kopf und sagte: „Ich hatte eigentlich gehofft, der Leichtsinn wäre im Laufe der Zeit der Vernunft gewichen, Crockett.“Sonny schnaubte. „Sie sind mal wieder zu liebenswürdig, Castillo.“Auch Rico eilte jetzt herbei. „Verdammt, Crockett, hast du deinen Verstand irgendwo im Schnee verloren? Ich dachte, es hätte dich erwischt!“Sonny grinste schief. „Hat es aber nicht. Was ist mit dem anderen Gangster?“„Er ist tot“, erwiderte Castillo, während er neben Sonny trat und einen Blick nach unten warf.Viel war nicht mehr zu erkennen, aber er schätzte, dass der Abhang gut und gerne zweihundert Fuß (etwa 60 Meter) tief war. Ganz unten lagen die brennenden Überreste des Schneemobils, das bei seiner Explosion auch etliche Bäume und Sträucher in Brand gesetzt hatte. Von dem Gangster sah er nichts.„Das ist unsere Chance“, meinte Sonny. „Wir können auf den Schneemobilen bis in Ricostas Garage fahren, ohne dass uns jemand aufhalten wird.“„Und was genau willst du dort?“, fragte Rico. „Verdammt, Sonny, du hast nichts gegen Ricosta in der Hand, aber Stan schon. Er hat mir erzählt, dass man das Projektil, mit dem deine Freundin getötet wurde, einer Waffe aus Ricostas Besitz zuordnen konnte. Lass uns die Sache auf dem gesetzlichen Weg regeln, Sonny!“Sonny schnaubte wütend. „Auf dem gesetzlichen Weg? Hast du eine Ahnung, wie oft Ricosta auf diesem Weg schon davongekommen ist? Verdammt, Rico, die Anwälte dieses Dreckskerls lügen so gut, dass sie mit ihren Lügenmärchen sogar die Richter fast zum weinen bringen! Wenn es so etwas wie einen Oscar für die verlogendsten Anwälte gäbe, dann hätten Ricostas Anwälte ihn verdient!“„Tubbs hat Recht“, mischte sich Castillo auf seine gewohnt ruhige Art ein, aber Sonny schüttelte den Kopf.Ehe jemand ihn hindern konnte, hatte er sich den Helm wieder über den Kopf gestülpt, war auf sein Schneemobil gesprungen und gab Gas.Das glaube ich einfach nicht! „, entfuhr es Rico. „Was ist nur los mit Crockett?“„Eine gute Frage“, erwiderte Castillo. „Folgen wir ihm!“

Link to comment
Share on other sites

DIES IST DAS VORLETZTE KAPITEL!NEUNUNDDREISSIGSonny fuhr zur Villa. Im Grunde genommen hatte er überhaupt keinen richtigen Plan wie er vorgehen und was er genau tun wollte. Er wusste nur, dass er unbedingt in Erfahrung bringen wollte, warum Ricosta Lynn... Chelsea getötet hatte.War es nur ein Zufall gewesen, weil Ricosta ihn erwischen wollte, Lynn... Chelsea aber im Weg gestanden hatte?War es ihm nur darum gegangen Chelsea zu töten?Oder wollte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?Sonny musste die Wahrheit erfahren!Er passierte das offenstehende Tor und fuhr die lange, gut geräumte Auffahrt entlang. Anscheinend war vor kurzem erst jemand mit einem Räumfahrzeug hier entlang gefahren.Das rechte Garagentor stand offen und er fuhr langsam hinein. Zwei weitere Schneemobile parkten dort, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren.Sonny hoffte, dass niemand auf einem Monitor sah, dass er keiner der beiden Gangster war.Aber nichts geschah.Er stellte die Maschine ab und öffnete die Tür zum Anbau, der die Garage mit dem Haupthaus verband. Die Wärme dort schlug ihm angenehm entgegen.Sein Blick huschte herum auf der Suche nach Überwachungskameras und er entdeckte eine in der rechten Ecke über der Tür.Mit gesenktem Kopf eilte er den Gang entlang. Seine Ohren waren gespitzt. In der Ferne ertönten die Motorengeräusche der beiden Schneemobile, mit denen Rico und Castillo zum Haus kamen.Sonny hatte aber nicht vor auf die Beiden zu warten. Das hier war seine Sache, denn eigentlich war es gleich, ob Ricosta nur ihn oder nur Chelsea oder sie beide treffen wollte: Es blieb eine persönliche Sache!Er kam an mehreren geschlossenen Türen vorbei, aber sein Augenmerk richtete sich auf eine offenstehende Tür, aus der er Geräusche hörte. Ein Fernseher lief. Der Ton war zwar leise gestellt, aber Sonny hörte dennoch, dass ein Basketballspiel übertragen wurde.Er schlich näher an die Tür heran und warf einen schnellen Blick um die Ecke. Er sah einen Mann, der in einem Schreibtischstuhl saß, die Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte, und in einem kleinen Fernseher die Übertragung des Spiels verfolgte. Über ihm waren insgesamt acht Monitore angebracht, aber der Mann schenkte ihnen nicht die geringste Beachtung.Das Spiel stand gerade unentschieden und ein Spieler stand an der neun Meter Linie. Eine spannende Angelegenheit! Der Mann, der eigentlich die Monitore im Auge behalten sollte, war auch vollkommen gefesselt.Sonny sah Rico und Castillo in die Garage fahren... der Mann bemerkte es nicht.Sonny betrat den Raum. Er wusste nicht, wie viele Leute Ricosta im Haus beschäftigte, aber zwei lagen bereits draußen im Wald und dieser hier würde gleich zumindest für eine Weile gut schlafen.Auf einem kleinen Tisch standen zwei leere Bierflaschen und zwei volle. Sonny nahm eine volle Flasche und trat neben den Mann. Dieser registrierte die Bewegung, wandte den Kopf und entdeckte Sonny.„Crockett!“, entfuhr es ihm.Sonny schlug gezielt zu und antwortete: „Gute Nacht, Giorgio.“Giorgio verdrehte die Augen und sackte zusammen.Sonny ließ ihn liegen und eilte weiter. Nach wie vor verhielt er sich leise und lauschte auf Geräusche, die ihm zeigten, wo sich weitere Männer aufhielten.Aus einem Raum zu seiner linken drang Gemurmel, aber da er nicht sagen konnte, wie viele Männer sich dort unterhielten, beschloss er, kein Risiko einzugehen.Er eilte an der Tür vorbei zu einer Zwischentür, die ins Haupthaus führte.Als er sie öffnete, stand er in der pompösen achteckigen Eingangshalle mit der weiß lackierten Freitreppe, die sich in einem eleganten Bogen nach oben schwang. Teuer aussehende Gemälde hingen an den Wänden, teure Teppiche bedeckten den Boden. An zwei Wänden standen antike Schränke. Was sich hinter den Türen aus Bleiglas verbarg, konnte Sonny allerdings nicht erkennen und es war ihm auch egal.Alle Türen, die von der Halle abzweigten, standen offen. Das erleichterte es ihm einen Blick in die Räumlichkeiten zu werfen.Hinter der ersten Tür befand sich ein riesiges Esszimmer mit dunklen Möbeln im Kolonialstil, hinter der zweiten Tür entdeckte Sonny ein Wohnzimmer in Größe eines Basketball – Spielfeldes. Ein riesiger Eckkamin, in dem ein lustiges Feuer brannte, bildete den Hauptblickfang.Sonny hörte Musik aus der oberen Etage herunterdringen. Irgendwas Richtung Hip – Hop. Sonny kannte sich damit nicht so aus, vermutete aber, dass jemand jüngeres sich das Musikstück anhörte.Er beschloss, sich dort umzusehen.Auf leisen Sohlen huschte Sonny die Treppe hinauf. Als er etwa auf der Mitte war, öffnete sich die Tür zum Anbau.Sonny hielt den Atem an! Er erstarrte und sein Blick richtete sich unverwandt auf die Tür.Dann aber blies er leise, jedoch sehr erleichtert die Luft aus, denn Rico und Castillo schlichen herein.Sie sahen einander an und Sonny wies überflüssigerweise nach oben, um den Freunden mitzuteilen, dass er auf dem Weg in diese Etage war.Rico und Castillo nickten.Andrea lief nervös im Schlafzimmer auf und ab. Sie war nicht hier, weil sie Manuel so sehr liebte, sondern weil sie eine Rechnung zu begleichen hatte... eigentlich sogar zwei.Sie hatte lange darüber nachgedacht, wie sie ihn die Rechnungen begleichen lassen wollte. In ihrer Fantasie hatte er Höllenqualen erleiden müssen, aber die Realität sah nun mal anders aus.Mehr als einmal hatte sie heimlich mitangehört, wie er den Auftrag gab irgendjemanden aus dem Weg zu räumen. Auch heute hatte er es wieder getan. Sie kannte den Mann nicht, den Roberto hinaus in die eisige Nacht gefahren hatte, aber sie wusste, dass er keine Chance hatte.Niemand, der Ricosta im Weg war, hatte eine Überlebenschance. Wüsste er, wer sie war, wäre sie vermutlich auch schon tot!Andrea ging ins Ankleidezimmer hinüber, wo sie unter ihrer Unterwäsche einen kleinen Revolver versteckt hatte. Sie nahm ihn heraus, lud ihn fachmännisch und verließ das Schlafzimmer.Sonny hatte den oberen Flur längst erreicht und tastete sich an der Wand entlang. Der Song endete, aber sofort wummerten die Bässe für einen anderen Song. Der Raum, aus dem die Musik kam, lag allerdings ganz am anderen Ende des langen Ganges.Er sah, wie eine Türklinke heruntergedrückt wurde, und huschte hinter einen antiken Nussbaumschrank, der in seiner unmittelbaren Nähe stand.Als er einen Blick um den Schrank herumwarf, sah er eine Frau in einem flauschigen Bademantel, die den Flur entlang eilte. Sie wandte ihm den Rücken zu, über den eine dunkle Mähne wallte.Andrea betrat Manuels Arbeitszimmer. Er telefonierte gerade, wirkte sehr wütend und schnauzte die Person am anderen Ende an: „Dann finden Sie eben einen anderen Weg, Herrgott noch mal! Es gibt doch nicht nur einen Weg in diese verdammte Stadt!“Dann sah er Andrea an und fauchte: „Ich telefoniere! Also, warte gefälligst draußen, bis ich fertig bin!“„Ich glaube nicht“, antwortete Andrea kalt, zog den entsicherten Revolver aus der Tasche des Bademantels und schoss.Die Kugel zerfetzte Manuels rechte Wange. Blut schoss heraus und der Hörer fiel Ricosta aus der Hand. Er saß wie erstarrt in seinem schweren, schwarzen, ledernen Schreibtischstuhl und blickte auf den kleinen Revolver in Andreas Hand.„Das ist für Jamie“, sagte sie.Ricosta kam schwankend auf die Füße. Er wollte etwas sagen, aber sein Mund wollte nicht so wie er. Das Blut lief an seinem Hals hinunter auf sein Hemd und Andrea konnte die Kieferknochen sehen.„Erinnerst du dich an Jamie?“, fragte Andrea.Sonny, Rico und Castillo hörten den Schuss. Sonny rannte augenblicklich los, Rico und Castillo fegten durch die Halle die Treppe hinauf.Sonny riss die Tür zum Arbeitszimmer auf, aber da peitschte bereits ein Schuss dicht an ihm vorbei.„Hau ab!“, brüllte Andrea, die wohl vermutete, dass einer von Ricostas Leuten herbeigeeilt war, um seinem Boss zu helfen.„Polizei!“, schrie Sonny.Wieder fegte eine Kugel an ihm vorbei.Wie viel Schuss mochte die Waffe haben? Sonny wusste es nicht.Andrea stand nun seitlich im Raum, sodass sie Ricosta wie auch die Tür im Auge behalten konnte.„Bleiben Sie draußen!“ , forderte sie. „Das ist eine persönliche Sache!“Sonny presste sich gegen die Wand neben der Tür. Er hörte, wie Andrea fragte: „Erinnerst du dich an Jamie, Manuel?“ Sie schnaubte. „Nein, wahrscheinlich nicht. Er war mein Freund und er starb an den gepanschten Drogen, die er über dich bekommen hat!“Rico und Castillo erreichten Sonny, der ihnen mit der Hand Zeichen gab sich zurück zu halten. Rico postierte sich links neben Sonny, Castillo huschte an der Tür vorbei und blieb dahinter stehen.Irgendwo am Ende des Ganges öffnete sich nun eine Tür. Ein Mädchen kam heraus, sah die bewaffneten Männer und stieß einen kleinen Schrei aus. Dann verschwand sie wieder in ihrem Zimmer.„Lady, geben Sie auf! Die Justiz wird sich um Ricosta kümmern“, rief Rico. „Machen Sie nichts, was Sie später bereuen!“Andrea hörte nicht zu. Ihr angewiderter Blick hing an Ricosta, der inzwischen um den Schreibtisch herumgewankte.Er hatte ein Taschentuch aus der Hosentasche gezogen, das er auf die Wunde drückte und er versuchte an seine Jacke heran zu kommen. In einer der Jackentaschen lag seine Waffe, aber Andrea wartete nur, bis er ungeschützt stand. Dann zielte sie auf seinen Bauch.„Das ist für Chelsea“, sagte sie. „Meine Schwester, die deinetwegen gezwungen war, die Stadt zu verlassen.“Am anderen Ende des Ganges öffnete sich nun eine andere Tür und ein Junge kam heraus. Er hielt eine Waffe in den Händen, die er auf die Eindringlinge richtete, während er schnell näher kam.„Werfen Sie die Knarren weg!“, schrie er.Dann erkannte er Castillo. „Sie schon wieder“, zischte er.Es klickte, als er die Waffe entsicherte.Sonny stürmte in den Raum. Er wollte Andrea die Waffe entwenden, aber sie war schneller. Die Kugel traf Ricostas Bauch und zerfetzte ihm die Bauchschlagader. Das Blut schoss in Intervallen heraus und er ging in die Knie.Dann wirbelte sie herum und ein weiterer Schuss löste sich, als Sonny sie fast erreicht hatte. Gleich danach fiel ein dritter Schuss.Sonny stoppte mitten in der Bewegung. Er blickte an sich hinunter, sah den sich ausbreitenden roten Fleck auf seinem beigefarbenen Mantel, begegnete noch einmal den erschrockenen Augen der Frau... und brach zusammen.

Link to comment
Share on other sites

VIERZIGRico dachte nicht nach. Er hörte den Schuss und sah Sonny zusammenbrechen. Sofort hob er seine Waffe, um auf die Frau zu schießen, aber da ließ sie ihre Pistole fallen, als hätte sie sich daran verbrannt. Ihre Hände hoben sich langsam, während sie mit weit aufgerissenen Augen zwischen Rico und Sonny hin und her blickte.„Nicht schießen!“, bat sie.Rico richtete seine Waffe weiterhin auf sie. „Gehen Sie drei Schritte nach rechts!“, forderte er. „Weg von der Waffe!“Castillo hatte nach dem Jungen gesehen, auf den er zu schießen gezwungen war. Er war tot. Die Waffe war seinen Fingern entglitten.Castillo erhob sich und eilte an Rico vorbei zu Sonny. Er kniete neben ihm nieder und tastete an dessen Hals nach dem Puls. Dann drehte er ihn vorsichtig um.„Wir brauchen dringend einen Rettungswagen“, sagte er, erhob sich und eilte zu dem Telefon auf Ricostas Schreibtisch.„Wie heißen Sie?“, wollte Rico wissen.Die Frau schluckte schwer. „Andrea. Andrea Mallinder“, antwortete sie dann. Ihr Blick wanderte zu Ricosta hinüber, der sich nicht mehr rührte. Unter ihm hatte sich eine Blutlache ausgebreitet, die den teuren Teppich ruinierte.„Er war ein Schwein, ging immer über Leichen. Wer ihm im Weg stand, der wurde umgebracht.“Andrea schüttelte den Kopf, ehe sie sich von dem Anblick des toten Ricosta losriss. Sie hob die Augen, um Rico anzusehen. „Ich habe nicht gezählt, wie viele Menschen er in den wenigen Wochen ermorden ließ, die wir zusammen waren, aber es waren sehr viele, nicht mitgezählt all jene, die durch seine gepanschten Drogen starben. Wie mein Freund Jamie zum Beispiel.“Rico wies auf einen Sessel. „Setzen Sie sich“, ordnete er an.Andrea gehorchte, während Rico sich rückwärts, Andrea nicht aus den Augen lassend, zu Sonny bewegte.Er hockte sich neben den Freund, um selber dessen Puls zu tasten. Ihm war, als müsste er sich vergewissern, dass Sonny tatsächlich am Leben war.Der Puls raste wie der eines kleinen Vogels, aber er war da. Sonny stöhnte leise auf und seine Lider flatterten.„Ich wollte nicht auf Ihren Freund schießen“, beteuerte Andrea. „Der Schuss löste sich versehentlich. Ich hoffe wirklich, er kommt durch!“„Das hoffe ich auch“, entgegnete Rico.„Der Rettungswagen kommt“, erklärte Castillo, als er den Hörer auflegte. „Es wird aber wegen des Wetters etwas länger dauern.“Sonny stöhnte wieder leise.Rico schob seine Waffe vorn in den Hosenbund. Dann drehte er Sonny mit Castillos Hilfe vorsichtig auf den Rücken. Sie schoben ihm ein Kissen unter den Kopf und legten eine Decke über ihn.In diesem Moment kam der Freund kurz zu sich. Er verzog das Gesicht, griff mit der rechten Hand an die schmerzende Stelle.Rico hielt seine Hand fest. „Der Rettungswagen ist unterwegs, Sonny“, beruhigte er den Freund.Sonny dämmerte wieder weg.„Erzählen Sie uns von Chelsea“, forderte Rico Andrea auf.Er blieb neben Sonny auf dem Boden sitzen, um sofort zur Stelle zu sein, falls Sonny die Augen erneut aufschlug.Andrea zuckte die Achseln. „Chelsea traf Ricosta bei irgendeiner Veranstaltung. Ich weiß nicht mehr, was es war. Sie verliebte sich in ihn, den reichen, bekannten Geschäftsmann.“Andrea faltete die Hände im Schoss und blickte auf ihre schlanken Finger. „Sie dachte, sie hätte es geschafft. Chelsea Mallinder, ein Mädchen aus einem kleinen, unbedeutenden Kaff nahe New York trifft ihren reichen Traumprinzen. Sie rief mich an, war total begeistert, aber schon nach kurzer Zeit merkte sie, was für einer Ricosta wirklich war...“„Sie sind Ricosta nie begegnet, während er mit Ihrer Schwester zusammen war?“, wunderte sich Rico.Andrea schüttelte den Kopf. „Sie wollte, dass ich ihn kennen lerne, aber es kam immer etwas dazwischen. Außerdem hatte ich eine Menge damit zu tun mich zum Jamie zu kümmern. Mein Freund war drogenabhängig und ich dachte tatsächlich, ich könnte ihn von dem Zeug weg kriegen.“Sonny stöhnte schmerzvoll auf und bewegte sich etwas, als hoffte er instinktiv, er könnte eine weniger schmerzhafte Lage finden.Sofort legte Rico ihm die Hand auf den Arm. „Es ist alles OK, Sonny“, sagte er beruhigend und wiederholte: „Der Rettungswagen ist unterwegs.“Er wusste allerdings nicht, ob Sonny ihn gehört hatte, denn der Freund blieb unruhig.Plötzlich hörte sie ein alarmierendes Klicken. Als Rico sich umwandte, stand ein Mädchen mit kurzen, schwarzen Haaren in der Tür. Sie hielt eine Waffe im Anschlag, die sie hin und her bewegte, um die Mündung immer wieder auf jeden einzelnen im Raum zu richten.„Nimm die Waffe herunter, Erin“, bat Andrea müde.„Ihr Scheißkerle habt meinen Bruder umgebracht“, sagte Erin mit zornbebender Stimme. Ihr Blick fiel auf den ebenfalls toten Vater. „Und meinen Vater!“„Erin!“, wiederholte Andrea.Erin war für einen Moment abgelenkt. Rico nutzte diesen Augenblick, sprang auf sie zu und entwendete ihr geschickt die Pistole.„Kinder sollten nicht mit Waffen spielen“, grummelte er, als er Erin durch den Raum zu einem Sessel schubste. „Setz dich!“Rico kehrte, rückwärts gehend, zu Sonny zurück, ohne Erin aus den Augen zu lassen. Das Mädchen rollte sich jedoch kommentarlos im Sessel zusammen, die großen, dunklen Augen fest auf Rico gerichtet.„Was geschah dann?“, wollte Rico von Andrea wissen. Damit sie den Faden wiederfand sagte er: „Chelsea hatte sich in Ricosta verliebt...“Andrea zuckte die Achseln. „Chelsea rief mich irgendwann an und erzählte mir, was für eine miese Type Ricosta wirklich ist. Sie hatte ihn verlassen, aber er ließ sie nicht in Ruhe.“Erin wollte aufspringen, aber Castillo stand inzwischen neben ihr und drückte sie in den Sessel zurück.„Lügen!“, fauchte sie. „Alles, was du sagst, sind nur Lügen!“Andrea schielte kurz zu ihr herüber. Sie schnaubte abfällig, ehe sie fortfuhr: „Einen Ricosta verlässt man nicht, hat er wohl zu ihr gesagt. Chelsea hatte Angst. Zwei Mal entkam sie knapp Ricostas Männern, die sie kidnappen wollten...“„So etwas hat mein Vater nicht nötig!“, zischte Erin mit blitzenden Augen.Andrea blickte Erin an. „Das mag sein, aber dennoch tat er es. Chelsea fasste schließlich den Entschluss New York zu verlassen. Sie ging nach Miami, änderte ihren Namen...“„Sie wussten das?“, fragte Rico.Andrea nickte. Sie begann ihre Hände zu reiben, als wären sie kalt und sie wollte sie aufwärmen. „Chelsea rief mich an, sagte, sie hätte den Namen ihrer Freundin angenommen, die vor einigen Jahren verstorben ist. Etwa zur gleichen Zeit starb Jamie an gepanschtem Heroin und ich hatte herausgefunden, dass er den Stoff über Giorgio bezog, der wiederum im Auftrag von Manuel Ricosta arbeitete.“„Mein Vater war ein angesehener Geschäftsmann!“, schrie Erin. Erneut wollte sie aufspringen, aber Castillo reagierte wieder sehr schnell. „Sitzen bleiben, Miss Ricosta“, knurrte er.Andrea sah auf. „Dein Vater war ein Verbrecher, Erin, auch wenn du das nicht sehen willst! Er ließ Leute ermorden, die ihm im Weg standen und er verkaufte Drogen, gepanschte Drogen, an die Junkies in der Stadt!“„Drecksstück! Lügnerin!“, fauchte Erin, aber Castillo hielt ihre Schulter fest und hinderte sie daran aufzustehen und sich auf Andrea zu stürzen.Andreas Blick wanderte zu Sonny, der sich erneut stöhnend bewegte, aber sie wirkte jetzt sehr ruhig und beinah erleichtert darüber, dass sie endlich über alles reden konnte.„Wenig später sagte Chelsea mir, sie würde sich erneut verfolgt fühlen. Sie wäre sicher, dass sie Giorgio gesehen hätte. Sie dachte schon wieder darüber nach Miami zu verlassen, aber dann erzählte sie mir, sie hätte einen Polizisten kennen gelernt.“In der Ferne ertönten nun Sirenen, die sich näherten, wenn auch nicht so rasch, wie Rico es am liebsten gehabt hätte. Er tastete erneut nach Sonnys Puls, aber der flatterte immer noch. Die Wunde blutete allerdings zum Glück nicht so stark wie Rico befürchtet hatte.Sein Blick folge kurz Castillo, der den Raum verließ, um an der Haustür auf das Eintreffen des sich nähernden Rettungswagens zu warten. Dann sah er Andrea an, ehe er auf Sonny wies. „Chelsea hatte Sonny kennen gelernt.“Andrea riss die Hand an den Mund. „Oh, mein Gott! Das wird Chelsea mir nie verzeihen!“Für einen Moment vergaß Rico zu atmen. Andreas Aussage machte ihm klar, dass sie nichts vom Tod ihrer Schwester wusste. Erst jetzt fiel ihm ein, dass sie nur gesagt hatte, dies wäre für Chelsea, die wegen Ricosta gezwungen gewesen wäre die Stadt zu verlassen.„Andrea“, sagte Rico sanft. „Chelsea...“Andrea, die gerade ihre Hände knetete, hob den Kopf. „Ja?“Rico holte tief Luft. Auch nach all den Jahren im Polizeidienst fiel es ihm nicht leicht eine Todesnachricht zu überbringen. „Ricosta ließ Chelsea in Miami ermorden.“Andrea holte tief Luft und blickte hasserfüllt zu Ricosta hinüber.„Schwein!“, entfuhr es ihr, aber Ricosta konnte es natürlich nicht mehr hören.„Lügner!“, kreischte Erin. „Mein Vater war kein Mörder!“Draußen hielt der Rettungswagen. Die Türen klappten. Castillo ließ Erin los und eilte nach unten, um die Eingangstür zu öffnen.Wenig später polterten die Sanitäter, feuchte Spuren auf dem Teppich hinterlassend, die Treppe hinauf.Rico machte ihnen Platz. Er blieb neben Andrea stehen, bis die Kollegen von der örtlichen Polizei eintrafen und sich um Andrea kümmerten.Später fuhren er und Castillo erst zum Motel, danach mit dem Jeep zum Krankenhaus. Sie tranken dünnen Kaffee aus dem Automaten, während sie darauf warteten, dass Sonny aus dem OP kam.Es war beinah Morgen, als es endlich so weit war. Eine Schwester schob Sonny vorbei, der Arzt blieb bei Rico und Castillo stehen.„Er wird es schaffen“, sagte er. „In ein paar Wochen wird Ihr Freund wieder ganz der alte sein. Jetzt sollten Sie ihm allerdings noch etwas Ruhe gönnen.“„Hatten Sie nicht geplant nach Miami zurückzukehren, Tubbs?“, fragte Castillo, als er und Rico das Krankenhaus verließen.Noch war es dunkel. Dicke Wolken bedeckten den Himmel und es schneite wieder. Ein Schneepflug räumte die Einfahrt zum Krankenhaus.Rico nickte. „Im nächsten Jahr werde ich pensioniert. Ich denke, dass ich dann nach Miami ziehen werde. Ich freue mich auf den ewigen Sommer, die Sonne, vielleicht einige Bootsfahrten mit Sonny, nette Gespräche mit meinem Sohn und das gemächliche Tempo als Pensionär.“Castillo blickte ihn an. Er schmunzelte. „Ja, so dachte ich auch mal, aber der Job lässt mich einfach nicht los... und Sie auch nicht. Wollen wir wetten?“Rico lachte. „Die Wette gilt!“, antwortete er.

Link to comment
Share on other sites

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Guest
Reply to this topic...

×   Pasted as rich text.   Paste as plain text instead

  Only 75 emoji are allowed.

×   Your link has been automatically embedded.   Display as a link instead

×   Your previous content has been restored.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.