Bloody Sunday - (Abgeschlossene Geschichte)


Christine

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Ich möchte euch heute schon mal - hoffentlich - die Nase ein bisschen lang machen auf die nächste Fan - Fiction - Geschichte. Es sollte der schönste Tag im Leben für Anna und Alessio werden, der Tag ihrer Hochzeit, zu dem auch alle geladen wurden, die an der Rettungsaktion im April beteiligt waren. Doch von einer Minute zu nächsten verwandelte sich die fröhliche Feier in eine absolute Katastrophe und nicht nur das "neue" Vice - Team, sondern auch die alten Hasen sind erneut gefordert, um eine Gang zu stoppen, die landesweit operiert und vor nichts zurückschreckt...

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Das mit dem Verleger ist eine sehr schwierige Sache. Selbst die großen Verlage, wie zum Beispiel Rowohlt haben nur zwei Lektoren und eingeschränkte Möglichkeiten, um neue Autoren aufzunehmen. Das weiß ich, weil ich dort sein Fantasy - Manuskript auf dem Stapel für (O - Ton Lektorin) "Verlangt eingesandte Manuskripte" liegen habe. Zuerst muss ein Autor abspringen und dann muss dein Manuskript 1. in die Schiene passen und2. von dem Lektor durch mehrere Instanzen, sprich Konferenzen, gebracht werden.Fan - Fiction ist außerdem wieder eine andere Schiene, aber ich freue mich auch, wenn es im Forum Anklang findet.

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Da freue ich mich auch schon drauf und bin jetzt schon gespannt.Deine letzte Fan Ficton war schon der Knaller und fesselnd. Einfach nur top :klatsch:

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ICH HABE BEsCHLOSSEN, DASS ES HEUTE LOSGEHT! Die einzelnen Kapitel gibt es von heute an jeden Donnerstag.
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EINS SONNTAG, 15. JULI 2008 Maria Montoya atmete auf, als es läutete und sie den Lieferanten der Bäckerei Shoemaker mit der dreistöckigen Hochzeitstorte draußen stehen sah. Viel Sahne, jede Menge Schokolade, rote, handgefertigte Marzipanrosen mit Marzipanblättern und obendrauf ein Brautpaar. Ron Shoemaker, Konditoreibesitzer und seit Jahren, wenn auch erfolglos, Marias Verehrer, hatte Alessio und Anna die Torte versprochen. Sie sah großartig aus.Der Lieferant, ein Latino, der eine Jeanskappe trug, unter der pechschwarze, gewellte Haare hervorquollen, und einer verspiegelten Sonnenbrille auf der Nase, nickte ihr freundlich zu."Sie sind spät dran," sagte Maria. "Ron hatte mir die Torte für zwei Uhr versprochen." Sie ging voran durch das längst renovierte Wohnzimmer. Die Bilder hingen in neuen Rahmen wieder an der Wand, statt der eierschalenfarbenen Couch mit den großen Rosen stand nun ein großes, hummerfarbenes Sofa mit zwei passenden Sesseln und einem Buchenholztisch in dem Raum. Für Marias Geschmack wirkte der Raum noch zu licht. Es gab zu wenig Pflanzen, aber sie arbeitete daran das zu ändern. Der Tisch mit den unterschiedlichen Torten, die mit durchsichtigen Hauben vor Insekten geschützt waren, stand auf der Terrasse, die vor vier Wochen ein hölzernes Dach bekommen hatte.Die Gäste gratulierten gerade dem Brautpaar und stießen mit Sekt pur, gemischt mit Orangensaft oder mit Orangensaft pur an. Maria zeigte dem Lieferanten, wohin er die Torte stellen sollte und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Der Mann bedankte sich knapp, ehe er ging. Zwei Kommilitoninnen von Alessio und Anna gingen mit Tabletts herum, auf denen gefüllte Gläser standen, und boten sie den Gästen an."Das ist aber ein toller Kuchen," staunte Samuel Switek. Er leckte sich über die Lippen und seine blauen Augen leuchteten begeistert. Sammy liebte Süßigkeiten, vor allem Sahnetorten, über alles.Gianna fasste ihn am Arm, beugte sich hinunter und flüsterte: "Bleib bloß davon, mein Freund!"Sie kannte Sammys flinke Finger, die schneller durch die Sahne fuhren, als andere Leute Luft holen konnten. Zu gut erinnerte sie sich an Stans 46. Geburtstag vor vier Jahren, als sie die Schokoladensahnetorte kühl gestellt, aber leider die Tür nicht richtig geschlossen hatte. Sammy hatte sich damals die Torte nicht nur in den Mund geschoben, sondern wahre Kunstwerke gemalt. Auch wenn er aus diesem Alter raus war hieß das nicht, dass er die Finger von der Hochzeitstorte lassen würde. Nicht weit entfernt standen Rico und Sonny zusammen auf dem Rasen. Rico trank Orangensaft pur, Sonny Sekt, wobei er eigentlich nur einmal daran genippt hatte, um mit dem Brautpaar anzustoßen. Sekt war einfach nicht sein Ding.Rico hatte sich wegen der Hitze gegen Alkohol entschieden. Er befürchtete, der Sekt könnte ihm ziemlich schnell zu Kopf steigen.Er sah sich um. Alessio und Anna hatten viele Freunde eingeladen, Annas Familie war aus Hamburg gekommen und sie hatten das Vice - Team mit Anhang und ihre "Leidensgenossen" eingeladen.Rico hatte nur Alaina mitgebracht, weil Dylan plötzlich Blindarmbeschwerden bekommen hatte und sich zwei Tage vor dem Abflug nach Miami unters Messer legen musste. Jetzt stand Alaina bei einem jungen, schwarzen Mann aus Alessios und Annas Freundeskreis und flirtete mit ihm. Sie trug ein zitronengelbes, trägerloses Kleid und gleichfarbige Schuhe. Das lange Haar hatte sie nur seitlich aus dem Gesicht gesteckt. Sie sah verdammt erwachsen aus! Etliche Kinder liefen herum. Stan und Gianna hatten Sammy und Fiona mitgebracht, einige Bekannte von Maria waren jünger und hatten Kinder und drei deutsche Kinder standen bei ihren Eltern. Sie wirkten etwas unglücklich, was vermutlich daran lag, dass sie kein Wort verstanden. Gina hatte ihre Tochter Elena mitgebracht. Sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und himmelte gerade Angelo an, während Billy sich mit einer braunhaarigen Deutschen unterhielt, die recht gut Englisch sprach. Gina unterhielt sich - mit Händen und Füßen - mit Annas Mutter und Trudy amüsierte sich mit Fiona Switek, während Stan mit Damian und Castillo zusammen stand. Abhisit hatte die weite Reise nicht antreten können. "Und? Wie fühlst du dich?," fragte Sonny grinsend, blickte nach rechts und links und kippte den Sekt in ein Blumenbeet.Rico tat, als hätte er es nicht gesehen. Kopfschüttelnd antwortete er: "Meine Familie wächst zu schnell!""Wir schneiden jetzt die Torte an!," verkündete Alessio. Alle gingen zu dem großen Tisch. Das Brautpaar, Anna in einem Traum in weiß, Alessio in weißer Hose und bordeauxrotem Jackett, platzierten sich, bewaffnet mit einem langen Messer, auf der einen Seite des Tisches vor der Torte, die Gäste standen auf der anderen Seite mit gezückten Digitalkameras und Videokameras. Sammy Switek und ein rothaariges, deutsches Mädchen standen rechts neben Anna am Tisch, Alaina, Elena, Angelo und der junge Mann, mit dem Alaina geflirtet hatte, auf der anderen Seite. Das Messer durchschnitt die Marzipanplatte, in dessen Mitte das "Brautpaar" stand.Der Knall kam unvermittelt. Die Torte flog auseinander, Anna und Alessio wurden ebenso zurückkatapultiert wie andere, die nah am Tisch gestanden hatten. Der Tisch wurde auseinandergerissen, Holzsplitter rasten herum. Eine schwarze Rauchwolke hüllte die in Schmerz und Panik schreienden Gäste ein. Die Glastür zum Wohnzimmer zerbarst und die Terrassenüberdachung flog in Einzelteilen davon.Mit einem Mal wurde es gespenstisch still. An der Einmündung zu der Straße, in der das Haus der Montoyas stand, parkte ein unauffälliger weißer Lieferwagen ohne irgendwelche Aufdrucke. Am Steuer saß ein junger Latino mit einer Jeanskappe und Sonnenbrille. Er nahm sein Handy, wählte grinsend eine Nummer und sagte: "Es war eine höllisch gute Hochzeitstorte!"
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ZWEIRico lag auf dem Boden. Er fühte etwas warmes, klebriges, das über sein Gesicht und seine Hände lief. Sein Rücken tat weh, er bekam schlecht Luft und hatte nicht die geringste Ahnung, was passiert war. Er hörte Sonny stöhnen. Sonny hatte neben Rico gestanden. Die Wucht der Explosion hatte ihn gegen den linken Pfeiler, der das Dach stützte, geworfen. Er war zusamengebrochen und irgendetwas lag auf seinen Beinen. In seinem Rücken stach es und er bekam schlecht Luft. Sein Kopf blutete und der rechte Arm schmerzte höllisch. Rico kam auf die Knie, nicht begreifend, was geschehen war. Ringsum hört er Stöhnen und Weinen, aber der Anblick war der absolute Horror und ließ ihn entsetzt und ungläubig die Luft anhalten.Alles war voller Blut, das sich mit den zerfetzten Torten zu bizarren Mustern vermischte. Das Brautpaar lag etwa fünf Meter von dem Platz entfernt, an dem der Tisch gestanden hatte. Annas Brautkleid war blutgetränkt, ihr Gesicht war nur noch eine blutige Masse. Alessio lag unter ihr. Bewegungslos. Wahrscheinlich ebenfalls tot. Nicht weit entfernt lag Sammy Switek auf dem Bauch. Blut klebte in seinen blonden Haaren. Auch er rührte sich nicht. Gianna Switek, die von der Wucht der Explosion auf den Rasen geschleudert worden war, kam schwankend auf die Beine. Ihr verwirrter Blick huschte herum, bis sie ihren Sohn entdeckte. Sie stieß einen Schrei aus. "Sammy! Oh, mein Gott, Sammy! Stan? Fiona?" Sie drehte sich im Kreis. Rico sah Gianna an. Sie blutete unterhalb des linken Auges, irgendwo oben am Kopf und an ihrem linken Arm sah er eine Fleischwunde, die bis auf den Knochen reichte. Als sie sich drehte, sah er, dass auch ihre rechte Gesichtshälfte blutüberströmt war.Ob das Blut auf ihrer rosafarbenen Bluse nur von ihr stammte, konnte er nicht sagen, aber Schmerzen schien Gianna nicht zu spüren, als sie mit fast irrem Blick zu Sammy rannte. Das Adrenalin, das kiloweise ausgeschüttet wurde, verhinderte das Schmerzempfinden.Annas Mutter lag halb im Wohnzimmer. Das lange Messer, mit dem das Brautpaar die Torte angeschnitten hatte, ragte aus ihrer Brust. Alaina!, dachte Rico voller Panik. Er kam auf die Beine. "Alaina!,"rief er. Auch andere riefen nun nach ihren Kindern oder Partners.Rico sah den Holzbalken, der über Sonnys Beinen lag. Ohne zu zögern packte er ihn und warf ihn zur Seite. Er hörte irgendjemanden nach einem Rettungswagen brüllen, und überall entdeckte er Tote und Verletzte. Er rannte herum, suchte nach dem zitronengelben Kleid. Und dann fand er Alaina, die halb unter dem jungen Mann lag, mit dem sie geflirtet hatte. In dessen Kopf prangte ein riesiges Loch, durch das Rico das Gehirn sehen konnte."Alaina!," rief er erneut, während er zu ihr hinüberrannte. Billy kam aus dem Haus. Fassungslos. Er war nur zur Toilette gegangen und jetzt fand er das absolute Chaos vor. Stan wankte an ihm vorbei, die rechte Geichtshälfte voller Blut, und packte Ricos Arm. "Fiona! Hast du Fiona gesehe? Und Gianna... Sammy?""Da drüben," sagte Rico nur mit belegter Stimme und wies auf den Rasen. Dann warf er sich neben Alaina auf die Knie. Er hörte sie leise stöhnen und war fast erleichtert, weil es bedeutete, dass sie lebte. Obwohl er eigentlich wusste, dass es vergeblich war, tastete er nach dem Puls des jungen Mannes, fand ihn nicht, und schob ihn von Alaina herunter. Alainas Lider flatterten. Sie war voller Blut, aber Rico vermochte nicht zu sagen, ob es von ihr oder von dem Jungen stammte, der auf ihr gelegen hatte."Dad?" Ihre Stimme klang jammervoll. "Was ist passiert?" Alaina öffnete die Augen. "Mein Bauch tut so weh!""Bleib ruhig liegen. Hilfe ist unterwegs," sagte Rico beruhigend und legte die rechte Hand auf ihren linken Unterarm. Sein Blick schweifte über das Chaos. Gina lag, das Gesicht abgewandt, leicht verdreht, wenige Meter entfernt. Elena, die hinter einem umgestürzten Tisch gelegen hatte, kam gerade taumelnd auf die Beine. Auch sie war voller Blut und schluchzte.Rico hörte ein Baby weinen. Es konnte nur Fiona sein! Eine Sekunde später sah er sie auch. Sie war immer noch bei Trudy, die sich nun aufrichtete. Sie hatte zwar eine Platzwunde an der Stirn, wirkte ansonsten aber relativ unverletzt. Das lag vermutlich daran, dass sie weiter vom Tisch entfernt gestanden hatte. "Dad, was ist passiert?,"wiederholte Alaina jammernd."Ich habe keine Ahnung, Alaina,"gestand Rico. "Bleib ruhig liegen, ja? Ich muss nach Alessio und Anna sehen.""Geh nicht weg, Dad!," jammerte Alaina.Rico tätschelte ihre Hand. Er blickte über die linke Shulter zum Rasen, wo Alessio und Anna lagen. Billy versuchte gerade ein Kind wiederzubeleben, während Stan schluchzend Sammy in seine Arme riss. Rico war hin und hergerissen. Natürlich müsste er bei Alaina bleiben, aber es war auch seine Pflicht nach Alessio zu sehen und zu helfen, wo es nötig war.In der Ferne ertönten bereits mehrere Martinshörner und er hörte Gianna entsetzlich gequält aufschreien."Ich bin gleich wieder da, Alaina," versprach er. "Es dauert nur einen Moment." Als er auf die Beine kam, sah er wie Elena sich von der anderen Seite mit einem Aufschrei auf Gina stürzte, von der anderen Seite kam Sonny. Er war voller Blut, kreidebleich und in seinem Blick lag absolute Verständnislosigkeit."Was, zum Teufel, ist passiert, Tubbs?,"fragte er mit rauer stimme.Rico schüttete nur stumm den Kopf, ehe er zu Alessio und Anna eilte. Anna war tot, aber das hatte er bereits gewusst, als er den allerersten Blick auf sie warf. Von ihrem hübschen Gesicht mit den veilchenblauen Augen war nur eine blutige Masse übrig geblieben. Rico konnte sie kaum ansehen, als er sie von Alessio herunterschob. Sie sah wirklich übel aus! Alessio hatte ebenfalls Gesichtsverletzungen erlitten. Seine Nase war an der rechten Seite halb aufgerissen und die rechte Augenbraue hatte sich hochgeklappt, was äußerst bizarr wirkte. Tiefe Schnittwunden waren auf seinen Wangen und seiner Stirn, Blut floss aus seinem Mund. Rico tastete an seinem blutüberströmten Hals nach dem Puls. Er war sehr schwach und flatterig. "Halte durch, Les," flehte er leise. Er sah zuden Switeks hinüber. Stan hielt Sammy im Arm und schrie gleichzeitig: "Gianna! Gianna, nein!" Gianna lag bewegungslos auf dem Rasen. Rico konnte nicht erkennen, ob Gianna und Sammy nur schwer verletzt oder inzwischen tot waren. Er entdeckte allerdings das kleine, rothaarige Mädchen, das neben Sammy am Tisch gestanden hatte. Wie eine weggeworfene Puppe lag sie blutüberströmt in einem Rhododendron. Als er einen Schatten bemerkte sah er auf und blickte in Castillos Augen. Der alte Lieutenant schien vollkommen unverletzt zu sein. Allerdings war sein Anzug schmutzig und zerrissen und an seinen Händen klebte Blut. Zweifellos das Blut von jemandem, dem er geholfen hatte."Wie geht´s ihm, Rico?,"fragte er, richtete den Blick aber auf das Kind im Rhododendron.Rico schüttelte den kopf. "Nicht gut. Haben Sie Maria gesehen?""Ja, sie ist schwer verletzt. Eine Nachbarin kümmert sich um sie. Etliche andere sind tot. Ich vermute, jemand hat eine Bombe in der Torte versteckt." Ric blickte auf Alessio hinunter. er atmete flach, war aber zum Glück bewusstlos. Rico zog ein weißes Taschentuch hervor und reitete es zum Schutz über Alessios Gesicht, während er Alaina rufen hörte. Er erhob sich. "Warum sollte jemand so etwas tun, Martin?""Ich weiß es nciht," gestand Castillo ehrlich. Dann eilte er mit langen Schritten zu dem kleinen, rothaarigen Mädchen. Er hoffte, dass sie nur verletzt und bewusstlos, aber am Leben war.Di jauenden Matinshörner der Retungswagen waren jetzt schon sehr nah. Auf dem Weg zu Alaina kam Rico an Stan vorbei, der Sammy an sich drückte und Gianna mit der anderen Hand leicht am Arm schüttelte. "Gianna! Gianna, bitte stirb nicht! Sammy...!" Er blickte verzweifelt zu Rico auf, während Tränen über sein Gesicht trömten, und stotterte: "Fiona! Wo ist Fiona, Rico?"Rico tastete rasch nach Giannas Puls. Er war flatterig, aber da. Er sah jetzt ihre Verletzungen auf der rechten Gesichtseite, wo der Unterkieferknochen durch die bis zur Wange aufgerissene Haut schimmerte. Zwei Zähne fehlten. Der Schmerz musste höllisch sein, die Bewusstlosigkeit war deshalb gnädig."Sie lebt, Stan, Fiona auch," sagte Rico. "Was ist mit Sammy?"Aber Stan hielt nur weiterhin seinen Jungen fest und wiegte ihn sanft hin und her. Rico stand auf. Er drückte kurz Stans Schulter, war aber nicht sicher, ob der Freund es überhaupt registrierte. Rico hörte erneut Alaina rufen. Er rannte über den Rasen, auf dem Marzipanrosen, zermatschtes Obst, Sahne, Scherben und Teile der Tische herumlagen. Sonny versuchte gerade verzweifelt Gina wiederzubeleben, während Elena butend und schluchzend daneben kauerte.Eine Frau, die zu Annas Verwandtschaft gehörte, kümmerte sich um Fiona, die laut schrie. Rico dachte: Wenn sie schreit, ist sie wenigstens am Leben!Trudy und Damian versuchten ebenfalls jemanden wiederzubeleben.Rico kniete neben Alaina nieder. Er streichelte ihr Hand und sagte: "Halte durch, Schätzchen, du schaffst das! Hilfe ist unterwegs!"Gleichzeitig aber dachte er: Wer hasst Alessio so sehr, dass er ihm am Hochzeitstag eine Bombe schickt?
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DREIImmer mehr Rettungswagen kamen an, angefordert von den Sanitätern vor Ort, die kaum wussten, wo sie mit den Rettungsarbeiten beginnen sollten. Leichenwagen hielten gleich dahinter. Die Leute von der Feuerwehr und vom CSI begannen mit der Suche nach Spuren und der Brandursache, während etliche Polizisten versuchten jene zu befragen, die leichter verletzt worden waren. Genaue Angaben konnte jedoch niemand machen. Es war zu plötzlich passiert, zu unerwartet und viel zu schnell. Auf der Straße hatten sich etliche Leute versammelt und starrten zum Haus der Montoyas. Der ohrenbetäubende Knall und die dicke, schwarze Rauchwolke, die aus Marias Garten in den Himmel aufgestiegen war, hatte sie aus ihrer Sonntagnachmittäglichen Beschäftigung gerissen.Jetzt standen sie herum, tauschten aufgeregt aus, bei welcher Tätigkeit sie der Knall überraschte und welche, eigentlich absolut unglaubliche Vermutung sie hegten. Jemand hatte der netten, hilfsbereiten und allseits beliebten Maria Montoya eine Bombe geschickt! Mehrere Rettungshubschrauber kreisten nun auf der Suche nach Landungsmöglichkeiten über den Bäumen. Die Baumkronen wurden vom Luftdruck der Rotoren durcheinandergewirbelt und schüttelten sich. Der Geräuschpegel stieg an, sodass die Leute sich anschreien mussten, um miteinander reden zu können.Sieben Rettungswagen verließen mit blinkenden Lichtern und jaulenden Sirenen das Grundstück, um ihre Patienten entweder ins Krankenhaus zu bringen oder an einem geeigneten Platz an die Hubschrauber - Crew zu übergeben. Sechs Leichenwagen fuhren in die entgegengesetzte Richtung davon. Niemand schenkte dem unauffälligen, weißen Lieferwagen, der in einer Seitenstraße parkte, Beachtung. Nach der Explosion waren zwar etliche Leute daran vorbeigelaufen, aber sie hatten nur einen kurzen Blick ins Innere geworfen, und einen jungen Mann gesehen, der eine Straßenkarte studierte. Hinter dem Lieferwagen hielt ein Polizeiwagen an. Der Fahrer stieg aus. Er war ein bulliger, sehr großer Typ und seine Uniform passte überhaupt nicht. Die Hose war zu kurz, die Jacke spannte über seinem Bauch. Auffallend waren seine riesigen Füße. Die schwarzen, blankpolierten Schuhe wirkten wie Rettungsboote. In der Hand trug er ein Polizei - Jackett, das er dem jungen Latino in dem weißen Lieferwagen reichte. "Nette Explosion," sagte er.Der Latino nickte. "Hoffentlich mit dem richtigen Ergebnis," antwortete er mit einem leichten Akzent, während er die Jacke anzog. Sein Kumpan gab ihm die Polizeimütze.Dann stieg der Latino in den Polizeiwagen und fuhr zu Maria Montoyas Haus. Er stellte den Wagen an der Straße ab, denn die Zufahrt musste frei bleiben. Er stieg aus und rückte zuerst die Mütze etwas zurecht. Sie war zu groß, aber das fiel niemandem auf. Dann stapfte er den gepflasterten Weg entlang. Am Haus wandte er sich nach links. Er nickte den "Kollegen" zu, die alle sehr beschäftigt waren, und ließ den Blick herumschweifen. Das Chaos war absolut perfekt, aber dennoch war er unzufrieden. Er entdeckte Sonny Crockett und Rico Tubbs, beide verletzt, im Gespräch mit einem unverletzten Castillo und einem ebenfalls unverletzten Crockett Junior. Auch Parson entdeckte er und Switek kniete auf dem Boden neben einem Kind. Mit zusamengepressten Lippen kehrte er zu dem Polizeiwagen zurück und ließ erst einen eintreffenden Rettungswagen passieren. Er wendete das Fahrzeug in einer Einfahrt und fuhr bis zu einer Grünanlage. Dort wartete der Andere mit dem Lieferwagen. Sorgfältig wischte der Latino seine Fingerabdrücke ab, ließ das Jackett und die Polizeimütze im Wagen liegen. Der Andere war ebenfalls ausgestiegen und nachdem auch er alles gereinigt hatte, trafen die beiden Männer an einem Range Rover aufeinander."Es hat sie nicht erwischt," sagte der Latino und er klang sehr enttäuscht.
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VIERDie Nacht war längst hereingebochen, als Rico und Sonny erschöpft auf zwei Stühle im Wartebereich der Intensivstation sanken. Beide waren am Kopf verpflastert, hatten Wunden an Händen, Armen und Beinen davongetragen, waren aber dennoch glimpflich davongekommen. Rico erinnerte sich vage daran, dass er sich zu einer recht kleinen, älteren Frau herabgebeugt hatte, die neben ihm stand. Sie war Annas Großmutter und wollte ihm irgendetwas mitteilen, aber sie sprach kaum Englisch und er hatte sich, ohne nachzudenken, gebückt, obwohl es Unsinn war. Ihre Worte waren deshalb nicht verständlicher. Jetzt lag sie leicht verletzt, aber mit einem schweren Herzinfarkt hier auf der Intensivstation. Ihre Überlebenschancen waren wohl nicht sehr groß. Sonny hatte neben Rico gestanden und erinnerte sich nur noch daran, dass das lächelnde Brautpaar mit dem Messer die Marzipanplatte auf der Torte durchschnitt.Er hatte eine Platzwunde im Haaransatz und eine am Hinterkopf davongetragen und Muskelfaserrisse an beiden Beinen erlitten. Eine sehr hübsche Ärztin hatte ihm außerdem mehrere Splitter aus dem Rücken und fünf aus den Wangen entfernt. Zwei Splitter am Rücken entfernt. Zwei Splitter am Rücken waren so tief eingedrungen, dass die Wunden genäht werden mussten. Castillo kam aus dem Aufzug. Er hielt ein Tablett mit Kaffee in den Händen, den er anbot. "Etwas Neues?," fragte er.Rico schüttelte, immer noch fassungslos, den Kopf. "Sechs Tote, dreizehn Schwerverletzte," zählte er auf. "Gina, ein Onkel von Anna, Alessio, Angelo, Gianna und der kleine Sammy hängen am seidenen Faden. Warum?" Castillo stellte das Tablett auf einem kleinen Tischchen mitten auf den Illustrierten mit dn Hochglanzbildern eines lächelnden "Brangelina - Paares" ab, mit denen die Wartenden sich die Zeit verkürzen sollten, aber keiner der drei Männer hatte Lust auf Klatsch und Tratsch über irgendwelche Promis.Schwestern eilten geschäftig über den hellerleuchteten Flur, das Telefon klingelte, und in irgendeinem Zimmer schrillte der Alarm, der sofort für Hektik sorgte. Auch Rico und Sonny eilten zur Tür, um erleichtert festzustellen, dass es um einen ihnen unbekannten Patienten ging, der in einem Zimmer am Anfang der Station lag. Castillo setzte sich, die Beine leicht gespreizt, auf einen weißen, unbequemen Plastikstuhl. Er hielt den Kaffeebecher in beiden Händen und blickte in die fast schwarze Flüssigkeit, als könnte er dort die Antwort auf Ricos Frage ablesen. "Sie muss schlimme Feinde haben," antwortete er dann. "Jemand hasst sie!" Sonny und Rico setzten sich, Rico trank einen kleinen Schluck. Er dachte daran, wie er Maria Anfang April kennen lernte und an Stans Worte: Ihre Weste ist so weiß, dass du mit Sonnenbrille erblinden würdest.Später hatte Alessio ihm stolz erzählt, wo seine Großmutter (das blieb sie für ihn) sich überall engagierte. Sie arbeitete drei Mal pro Woche ehrenamtlich für Montana´s Suppenküche, war einem kirchlichen Besuchsdienst angeschlossen und kümmerte sich am Wochenende abwechselnd um Altenheimbewohner und Krankenhauspatienten, die keinen Besuch von Angehörigen erhielten. Sie organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen, mit deren Erlös weitere Hilfsprojekte unterstützt wurden, wie zum Beispiel eine Delphinstation, in der schwerstbehinderte Kinder mit den Delphinen schwimmen konnten.Maria war unermüdlich damit beschäftigt anderen Menschen Gutes zu tun. So jemanden hasste man nicht. - Oder doch?"Die Bombe war in der Torte. Vielleicht war sie gar nicht für Maria bestimmt," überlegte Sonny. Castillo trank einen Schluck Kaffee. Er dachte nach. Eine Bombe in einer Torte, einem Geschenk anlässlich einer besonderen Feier... - Ihm kam das bekannt vor, aber er wusste im Augenblick nicht genau, wohin er die Geschichte packen sollte."Wie geht´s Ihrer Tochter, Rico?,"fragte er und genehmigte sich einen weiteren Schluck Kaffee. Allerdings war er der Meinung, dass dieses Automatenzeug den Namen Kaffee nicht verdiente. Rico seufzte. Wie alle, die in der Nähe der Torte gestanden hatten, hatte auch Alaina Kopfverletzungen davongetragen, aber sie waren nicht das Schlimmste. Erst, als die Sanitäter Alaina vorsichtig umdrehten, stellten sie fest, dass sich der Stiel einer Kuchengabel komplett in Alainas Unterleib gebohrt hatte. Bei dem Sturz waren die Zinken der Gabel verbogen und hatten sich ebenfalls eingegraben."Sie ist im OP. Ich weiß noch nichts genaues,"gestand er, wobei er in den Pappbecher starrte. "Mein Sohn liegt in New York im Krankenhaus. Er wurde vor vier Tagen am Blindarm operiert." Die Aufzugtür öffnete sich und eine Ärztin in OP - Kleidung begleitete eine Schwester, die ein Bett herausschob. Rico und Sonny sprangen gleichzeitig auf, denn Sonny wartete darauf, dass Gina oder Elena gebracht wurden. Nach der Geschichte im April hatten er und Gina sich mehrmals getroffen. Jetzt war er der Einzige, der sich um die Beiden kümmern konnte. Die Ärztin sah Rico an, stutzte eine Sekunde lang und lächelte dann. Rico sah sie an und stutzte ebenfalls. Das Haar konnte er nicht sehen, weil es von der OP - Haube verdeckt wurde, aber diese bernsteinfarbenen Augen...Sie kam auf ihn zu, schüttelte leicht den Kopf und sagte: "Ricardo Tubbs, das wir uns in diesem Leben noch mal begegnen hätte ich nicht erwartet.""Amber," sagte Rico nur, während sie hinter Alainas Bett hergingen. "Wie geht´s meiner Tochter?"Amber erzählte ihm, dass Alaina Glück im Unglück gehabt hatte, weil die Gabel die Bauchschlagader getroffen, aber gleichzeitig als Verschluss gewirkt hatte. Ihre Chancen standen sehr gut. Das Bett wurde in den Raum geschoben, in dem bereits Maria und die beiden Studentinnen lagen, die den Sekt offeriert hatten."War das wirklich ein Bombenanschlag, Rico?,"fragte Amber.Rico nickte. Er zog sich einen Stuhl neben Alainas Bett und sank darauf. Er nahm Alainas Hand, die sich kalt anfühlte und fast in seinen Händen verschwand. Ihm war nie zuvor aufgefallen wie schmal und zerbrechlich ihre Hände waren. Als er aufsah, überprüfte Amber gerade Marias Infusion, ehe sie eine kleine Lampe aus der Tasche zog und in Marias Augen leuchtete. "Mein Sohn hat gestern geheiratet," antwortete Rico. "Die Bombe war in der Torte, die Braut ist unter den Toten und Alessio wurde mit einem Hubschrauber weggeflogen... wie vier andere auch." Amber sah nach den beiden Studentinnen, schrieb etwas auf die Krankenblätter, die am Fußende in einer Mappe steckten. "Das ist furchtbar," sagte Amber. Sie steckte das Krankenblatt in die Mappe zurück. Dann kam sie herüber und legte ihm tröstend die rechte Hand auf die Schulter. "Deine TOchter wird es schaffen. Ist deine Frau auch unter den Opfern?""Meine Ex - Frau, Suzy, ist in New York bei unserem Sohn, der am Blindarm operiert wurde," seufzte Rico. "Was weißt du über die anderen Opfer?" Amber zögerte einen Moment. Eigentlich stand es ihr nicht zu Rico Auskunft über Patienten zu geben, mit denen er nicht verwandt war, aber sie betrachtete dies hier als eine Ausnahmesituation. "Eine Frau ist eben gestorben. Ihren Namen habe ich icht ganz mitbekommen. Ich glaube, sie hieß Juna... Gina... Joana?"Entsetzt sah Rico sie an.
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FÜNFSonny saß in einem anderen Raum an Elenas Bett. Sie war kurz nach Alaina aus dem OP gekommen, aber über Gina, nach der er gefragt hatte, konnte die Schwester ihm keine Auskunft geben. Sonny blickte Elena an, die ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war, und dachte an die letzten drei Monate. Er war ein paar Mal mit iIna ausgegangen oder sie hatten bei ihr gegessen. Zwei Mal hatte sie ihn in West Palm Beach besucht. Das erste Mal kam sie ohne Elena, die lieber bei einer Freundin übernachten, als an einem "OLdie - Dinner" teilnehmen wollte. Das zweite Mal kam sie notgedrungen mit und lernte Angelo kennen. Es hatte den Anschein gehabt, als ob sich da etwas entwickelte, aber jetzt wusste Sonny nicht mal, ob Angelo noch lebte. Er war einer der Personen gewesen, die mit dem Hubschrauber fortgebracht wurden, genau wie Alessio, Sammy und der Onkel, der Anna zum Traualtar geführt hatte. Sonnys Gedanken kehrten zu Gina zurück. Als sie vor einigen Stunden zusammen zu Marias Haus fuhren, hatte er darüber nachgedacht, ob er nach seiner Pensionierung nach Miami zurückkehren sollte, obwohl er sich wegen seinen Gefühlen für Gina nicht wirklich sicher war... - wie früher. Der Gedanke, nach Miami zurückzukehren, reizte ihn jedoch. Er würde jetzt natürlich eine Wohnung bevorzugen und sich keinen Alligator als Haustier halten... - oder doch? Das Leben auf der St. Vitus Dance hatte schon etwas besonderes gehabt. Wenn ihm der Sinn danach gestanden hatte, löste er einfach die Leinen und segelte über das Meer. Und Elvis? - Er hatte seinen Verbrauch an Weckern und Telefonen stark in die Höhe getrieben, ihm etliche nette Gespräche mit der hübschen Verkäuferin in einem Geschäft für Matratzen und Bettzubehör beschert und seine LP - Sammlung dezimiert. Inzwischen war er mit etwas Glück übers Internet an Ersatz gekommen. Elvis hatte Sonny eine Menge Ärger gemacht, weil er Ausflüge unternahm, Leute erschreckte, und Dinge zerkaute, die anderen gehörten, aber er war ein toller Bursche gewesen! Dann dachte er an die Explosion und wie er Gina unter einem zusammengebrochenen Tisch gefunden hatte. Er hatte ihren Puls nicht finden finden können und alles versucht, um sie wiederzubeleben, bis die Sanitäter kamen. Ihr Herz hatte geschlagen, als man sie wegbrachte, abr mehr wusste er nicht und inzwischen zog bereits der neue Morgen herauf. Ben hatte als einziger nicht zur Hochzeit kommen können, weil seine Tochter Nelly ihren siebten Geburtstag feierte. "Ich hoffe nicht, dass du planst dich mit irgendeiner dämlichen Ausrede vor der Geburtstagsparty zu drücken," hatte Joana, seine Ex Frau, ihm leicht schnippisch erklärt. "Sie ist auch deine Tochter und du wirst mich nicht mit einer Horde von zwölf Kindern allein lassen." Er war zum Haus seiner Ex - Frau gefahren, hatte die Kids unterhalten und mitbeaufsichtigt, bis sie abends um halb acht abgeholt wurden. Sie hatten gemeinsam aufgeräumt. Joana hatte ständig genervt herumgemeckert und schließlich hatten sie sich angebrüllt, ehe er wütend gegen zehn das Haus verlassen hatte. In den Radio - Nachrichten hörte er auf dem Heimweg von dem Bombenanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft in Coral Gables. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Er glaubte nicht, dass es an diesem Tag viele Hochzeitsgesellschaften in Coral Gables gab. Spontan wendete er den Wagen. Er fuhr zum Haus von Maria Montoya, deren Garten von Strahlern hell erleuchtet war, weil die Experten nach wie vor nach Spuren suchten. Ben war entsetzt, ob der gewaltigen Zerstörung, die auf viele Verletzte und wohl auch Tote schließen ließ. Ben wies sich aus und fragte einen Kollegen, ob es schon irgendeinen Hinweis auf die Bombe gab, aber er wurde enttäuscht."Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass es sich um keine normale Bombe handelt," erklärte der Mann im weißen Schutzanzug. "Wir fanden bisher weder einen Zünder noch Reste von Kabeln."Ben bat ihn darum, er möge ihn anrufen, wenn er Informationen hatte. Als er dem Mann eine Karte mit seiner Nummer darauf gab, runzelte dieser die Stirn. "Vice? Was hat Vice damit zu tun?" Ben blickte sich um. Überall herrschte das Chaos und er sah das dunkle, getrocknete Blut der Gäste auf dem Boden, den Wänden und sogar auf den Pflanzen ringsum, sofern sie nicht ebnfalls von der Explosion zerfetzt worden waren."Auf dieser Hochzeit waren heute etliche Vice - Polizisten. Der Vater des Bräutigams war früher bei Vice und deshalb sollte Vice bei den Ermittlungen mitmischen," antwortete er. "Wissen Sie, wohin man die Verletzten gebracht hat?""In die Uni - Klinik, glaube ich." Ben fuhr in die Klinik. Dort lagen jedoch nur Angelo, Alessio, Sammy und Rudolf Schreiber, Annas Onkel. Er traf Stan, der einen Kopfverband und den linken Arm in der Schlinge trug, als dieser gerade von der Kinder - Intensivstation kam, wo Sammy lag."St. Elisabeth," sagte Stan nur. "Da liegen Gianna und Fiona auch und da fahre ich jetzt hin." Dann hastete er weiter. Im St. Elisabeth Krankenhaus traf Ben im Wartebereich auf Castillo, der den Kaffee längst ausgetrunken hatte, aber nach wie vor den Pappbecher in den Händen hielt. Seine Gednken drehten sich permanent im Kreis. Eine solche Bombe war absolut persönlich und, wie Sonny ganz richtig gesagt hatte, konnte sie tatsächlich für Alessio oder Anna bestimmt gewesen sein und nicht für Maria. Aber Castillo war sicher, dass er erst letztens etwas von einem ähnlichen Fall gehört oder etwas in der Zeitung gelesen hatte. Wenn aber etwas derartiges auch woanders geschehen war, dann war es nicht persönlich. Dann steckte etwas vollkommen anderes dahinter. In seiner typisch knappen, aber präzisen Art berichtete er Ben, was geschehen war und was er vermutete."Ich fahre ins Büro und versuche mehr herauszufinden," sagte Ben. Er stand auf und ar bereits an der Tür, als ihm etwas einfiel. "Switek dürfte im Moment den Kopf zu voll mit persönlichen Dingen haben," sagte er, als er sich umdrehte und Castillo ansah. "Wenn Henderson Sie fragt, sind Sie dann dabei?""Das bin ich," antwortete Castillo mit grimmiger Miene.
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SECHS MONTAG, 7.00 hEliana Assani war eine Frau, die von vielen beneidet wurde. Sie sah gut aus, hatte eine tolle Figur und war mit nur 28 schon erfolgreich und reich. Sie bewohnte ein großes Haus in Coral Gables, das verborgen hinter einer hohen Mauer mit automatischer Toranlage und Kameraüberwachung stand, und fuhr einen weißen Lamborghini. Jeden Morgen um Punkt sieben verließ sie ihr Haus, um in einem nahegelegenen Park zu joggen. In schwarzen Shorts, einem knappen rosa Top und weißen Turnschuhen machte sie sich auf den Weg. Ein rosafarbenes Fransenband hielt ihre schulterlangen, honigblond gefärbten Haare zusammen und um den Bauch hatte sie eine kleine Tasche geschlungen, in der sich ihr Handy und der Walkman befanden, den sie stets im Park einschaltete. Es war erstaunlich ruhig an diesem Montagmorgen. Die meisten Leute fingen offensichtlich später an zu arbeiten oder waren schon weg. Ein paar Katzen streunten herum, ergriffen aber die Flucht oder duckten sich hinter Sträucher, als Eliana, sich aufwärmend den Oberkörper nach rechts und links drehend, vorbeikam.Die Vögel sangen, die Luft war jetzt schon sehr warm. Vermutlich kletterten die Temperaturen im Laufe des Vormittags in fast unerträgliche Höhen. Dann würde sie froh sein, wenn sie in ihrem klimatisierten Geschäft bleiben konnte. Eliana trabte die Straße entlang bis zur Kreuzung und bog dort rechts ab Richtung Park. Einige Autos kamen ihr entgegen. Die Fahrer blickten ihr nach, aber Elana nahm keine Notiz von ihnen. Links von ihr tauchte schließlich der Park auf. Die Parkbänke am Eingang waren noch verwaist, würden aber später von älteren Leuten bevölkert werden, die miteinander plauderten und die Vögel fütterten. Im Mülleimer lagen Tüten, Pappschachteln und Becher einer bekannten Fast - Food - Kette. Ein Becher war danebengefallen. Der milchige Plastikdeckel hatte sich geöffnet und der restliche Inhalt - vermutlich ein Erdbeer - Milchshake - hatte sich über den Boden ergossen, war aber bereits getrocknet. Dennoch versuchten etliche Insekten etwas von der Leckerei zu ergattern. Eliana lief in den Park. Unter den Bäumen, deren Zweige sich über dem Weg zu einem Dach vereinten, war es angenehm. Die Sonne malte Muster auf den Boden und immer wieder stießen Vögel herab, wenn sie einen Wurm oder Käfer erspähten.Eliana nahm die Stöpsel, die zum Walkman gehörten, aus der Tasche, steckte sie in die Ohren und schaltete das Gerät ein. Sie liebte Queen und hatte eine entsprechnde Kassette eingelegt. Eliana genoss die friedliche Stille des Montagmorgens und während sie in gleichbleibendem Tempo den beestigten Weg entlangjoggte, ließ sie ihre Gedanken herumschweifen. Sie hatte einige lukrative Aufträge, um die sie sich kümmern musste. E. A. UNIQUE, ihre Boutique mit eigener Schneiderei, hatte den Ruf auch die ausgefallendsten Wünsche ihrer Kundinnen (manchmal auch Kunden) erfüllen zu können. - Und ihre Kreationen waren oft extrem ausgefallen und verrückt, aber die Kundschaft in aller Welt liebte genau das und zahlte bombastische Preise für ihre Wünsche. Als sie den weißen Van zwischen den Bäumen sehen sah, verlangsamte sie ihren Schritt. Sie blickte sich um, aber niemand war da. Sie ging näher, bemerkte die beiden Frauen, denen sie häufiger hier begegnete und die, wie üblich, von der anderen Seite heranjoggten. Sie redeten miteinander und hatten den Van noch nicht gesehen, was sich aber im nächsten Moment änderte.Als nächstes fielen ihr die Beine auf, die hinter dem Lieferwagen hervorsahen, aber da stieß eine der beiden Frauen bereits einen Schrei aus. "Da liegt jemand!,"rief sie und wies auf die Stelle, wo die Beine zu sehen waren. Einen Moment später standen sie zu dritt unweit eines toten Mannes, der nur Socken, Schuhe und eine Boxershorts trug.Eliana zog ihr Handy aus der Bauchtasche. Während sie den Notruf wählte, sagte die rothaarige Frau mit zittriger Stimme: "Da hinte liegt, glaube ich, noch jemand!" Sie wies auf die Stelle, trat aber gleichzeitig zwei Schritte zurück, während die Frau mit der hellblonden Lockenmähne zu dem Gebüsch ging, wo tatsächlich eine weitere Leiche lag.Inzwischen meldete Eliana die Toten in der Parkanlage in Coral Gables. "Mr. Crockett!" Die weibliche Stimme kam von weit her und im ersten Moment hatte Sonny keine Ahnung, wer da sprach und wo er überhaupt war. "Mr. Crockett, Telefon für Sie!" Sonny öffnete die Augen. Das erste, was er sah, war eine weiße Kunststofftischplatte, auf die er seine linke Gesichtshälfte gelegt hatte. Der zweite Blick fiel auf das Fußende von Elenas Krankenbett mit der Mappe für die diversen Eintragungen.Die Hochzeit! Die Explosion! Gina!, dachte er und wollte sich aufsetzen, abr sein ganzer Körper war vollkommen verspannt als Folge des massiven Sturzes gestern und seiner mehr als ungesunden Schlafposition. In senem Kopf pochte es, in sein Gesicht piekste und spannte."Ich komme sofort," ächzte er.Mit schmerzverzerrtem Gesicht und immer wieder den Atem anhaltend, richtete er sich auf, um festzustellen, dass Elena schlief und Gina nicht hierher gebracht worden war. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es nach neun war. Ob man Gina aus irgendeinem Grund in ein anderes ZImmer, vielleicht ein Einzelzimmer, verlegt hatte? Sonny griff ächzend mit den Händen an seine Seiten, streckte und drehte leise stöhnend den Rücken und ließ ein paar Mal den Kopf kreisen, ehe er aufstand. Er fühlte sich, als wäre er mit einem Panzer zusammengestoßen. Er verließ das ZImmer, ging zum Stationszimmer und nahm das Telefon, das dort lag. Er meldete sich und lauschte den Worten von Pierson, dem für West Palm Beach zuständigen Commissioner, dem er unterstellt war."Und ob ich das will," sagte Sonny mit fester Stimme. "Ich fahre gleich hin."Als er auflegte, tauchten Rico und Billy hinter ihm auf. "Operation Wedding - Day?,"fragte Rico.Sonny drehte sich um. "Ja. Fahren wir im gleichen Boot?"Rico nickte. "Auf direktem Weg ins Vice - Department. Ich muss nur eben meine Waffe holen." Im Besprechungsraum von Miami Vice waren etliche Leute versammelt. Ben Bradford, Damian Parson (verpflastert, aber mit grimmig - entschlossener Miene) und Martin Castillo saßen ebenfalls dort. Am linken Kopfende des Tisches hatte ein Mann mit einem gepflegten rot - blonden Bart Platz genommen, der sich als George Mc Arthur, Leiter des Sprengstoff - Kommandos vorstellte. Erstaunt hörten Rico und Sonny zu, als sich die beiden anderen Personen als Estelle Garner, Mordkommission New Orleans, und Douglas Pride von der Mordkommission in Savannah vorstellten. Estelle war 35 Jahre alt. Sie war eine schlanke, weiße Frau mit dunkelbraunen, glatten Haaren, die ihr bis zum Kinn reichten, und dunkelbraunen Augen, die interessiert von einem zum anderen wanderten. An Billy hingihr Blick etwas länger. Douglas Pride war 42, ebenfalls weiß, eins - vierundachtzig groß und durchtrainiert. Seine kurzen Haare waren aschblond, die Augen stahlblau. Rico, Billy und Sonny suchten sich freie Stühle. Dann ergriff Castillo, der George Mc Arthur gegenübersaß, das Wort. "Da Stan Switek zurzeit unabkömmlich ist, habe ich mich bereit erklärt, die Leitung für die "Operation Wedding - Day" zu übernehmen. Die Detectives Garner und Pride sind hier, weil es in New Orleans und Savannah ähnliche Anschläge gab. Im Laufe des Tages wird außerdem noch Detective Doyle as Philadelphia zu uns stoßen.""Ähnliche Fälle?,"fragte Rico und blickte erstaunt in die Runde. Wenn das wirklich stimmte, dann bedeutete das, dass es weder um Maria, noch um Anna oder Alessio gegangen war. Estelle Garner ergriff das Wort und schilderte, was in New Orleans geschehen war. Dort war im April 2007 auf der Feier anläslich des 50. Geburtstages von Lieutenant Andrew Field eine Bombe explodiert, die sich in einem präparierten Geschenk befunden hatte. Neun Menschen waren gestorben, dreizehn verletzt worden. Field hatte die Ermittlungen im Fall eines Menschenhändlerrings geleitet, die ihre Opfer mit als Fischkutter getarnten Booten reingebracht hatten. Douglas Pride besaß eine sehr dunkle Stimme, eine "Märchenerzähler - Stimme". er saß recht entspannt auf seinem Stuhl, den Rücken angelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt.Er erzählte, dass die Bombe in Savannah Lieutenant Miranda Marshall, Leiterin des Sittendezernats, auf ihrem Junggesellinnenabschied im Februar dieses Jahres getötet hatte. In einem Karton, in dem die Ladies einen Stripper vermuteten, war die Bombe gewesen, die sieben Frauen tötete und neun verletzte. Als Absender hatte auf der Glückwunschkarte nur "Rate mal!" gestanden.Miranda hatte die Ermittlungen im Fall von sieben ermordeten, minderjährigen Thai - Mädchen geleitet, die illegal im Land gewesen waren und als Prostituierte gearbeitet hatten. "Von der Bombe abgesehen haben diese Fälle nichts miteinander zu tun," stellte Damian fest.George Mc Arthur nickte. Er beugte sch etwas vor, legte die Unterarme auf den Tisch und die Fingerspitzen gegeneinander. "Die Bomben waren von ihrer Zusammensetzung her identisch," sagte er. "Sie benutzten Pikrinsäure."Er blickte in die Runde, um sich zu vergewissern, dass ihm alle ihre Aufmerksamkeit schenkten. Nebenan lachte Sarah Tobias über irgendwas, dass ihre Kollegin Angela Billings gesagt hatte. Mehrere Telefone klingelten und jaulend rasten mehrere Polizeiwagen davon. "Pikrinsäure," wiederholte George Mc Arthur. "Es ist gut löslich in siedendem Wasser, giftig, ruft starke allergische Hautreaktionen hervor und seine Salze sind empfindlich gegenüber Schlag, Reibung und Funken, wie Sie leider bereits erfahren haben. Man verwendet es in der organischen Analytik, in der Mikroskopie und der Metallografie zum Ätzen metallischer Oberflächen."Wieder legte er eine Pause ein. Sonny blickte kurz zu Rico und seine Miene sagte aus, was Rico dachte: Der hört sich gern reden."Bei sehr raschem Erhitzen oder durch Initialzündung kommt es zur Detonation. Die Detonationsgeschwindigkeit liegt bei 7100 m/s und ist damit um zehn Prozent größer als bei TNT. Es gehört zuden explosionsgefährlichen Stoffen der Gruppe A und ist für Privatpersonen erlaubnispflichtig." Es klopfte, dann trat Angela mit zwei großen Thermoskannen Kaffee und mehreren Tassen auf einem Tablett ein. Ihr Blick hing vor allem an Ben. Sie lächelte ihn an und Ben lächelte kurz zurück. Rico versuchte die Informationen einzuordnen. Es hatte immer die private Party eines Polizisten getroffen, auch wenn die betroffenen - und getöteten - Beamten in weit auseinanderliegenden Städten und vollkommen unterschiedlichen Abteilungen gearbeitet hatten.In diesem Fall war Alessio der Sohn eines Polizisten, aber war das so bekannt? "An was arbeiten Sie gerade, Crockett?,"fragte Castillo."Erpressung von Geschäftsleuten. Wer nicht zahlt, zu wenig zahlt oder zu spät, der ist tot. Vier Tote gab es bereits. Die Bande, die sich HELL RIDERS nennt, geht sehr brutal vor," antwortete Sonny und bediente sich mit Kaffee. "Deshalb sind unsere Informationen bisher gering. Die Leute haben Angst." Rico füllte ebenfalls seine Tasse. Er gab Zucker hinein und rührte gedankenverloren um. Er dachte an Alaina, die alles gut überstanden hatte, an Anna, die tot und an Gina, die wahrscheinlich gestorbenwar. ÜberAlessioundalleanderenhatteerbishernichtsherausfindenkönnen. Wie konnte es einen Zusammenhang zwischen den Fällen inden verschiedenen Städten geben? "Tubbs," sagte Castillo in dem Moment, in dem Sonny ihn leicht anstieß. Rico bemerkte, dass alle ihn erwartungsvoll ansahen. Anscheinend hatte man ihm eine Frage gestellt, die er schlicht überhört hatte. Er blinzelte."Woran arbeiten Sie?,"fragte Castillo."Erpressung und Mord an drei Geschäftsleuten," erwiderte Rico. "Ist eine heikle Sache. Kurz nach dem Tod des jeweiligen Opfers tauchten im Internet Sex - Fotos auf, die das Opfer auf eine - für die Familie - peinliche und kompromittierende Weise zeigten, vermutlich um anderen Erpressungsopfern zu zeigen, was passiert, wenn sie nicht spuren. Wir vermuten, dass die Fotos in einem Sado - Maso - Club geschossen wurden, aber bisher konnten wir ihn nciht ausfindig machen. Allerdings haben wir einige Hinweise bekommen, denen wir zurzeit nachgehen." Es klopfte, dann trat Sharon Evans ein, um ihnen mitzuteilen, man habe in einer Parkanlage in Coral Gables die bereits als vermisst gemeldeten Polizisten gefunden. Die beiden jungen Beamten wurden ermordet und bis auf die Unterwäsche entkleidet. Der eine Polizist lag fast neben einem Van, der auf den Bäckereibesitzer Ron Shoemaker zugelassen war. Der Fahrer von Shoemakers Van war verschwunden. Als Sharon den Raum verlassen hatte kehrte für einen Moment Stille ein. Billy klickte nervös mit einem Kugelschreiber herum. In solchen angespannten Momenten hätte er sich immer noch gern eine Zigarette angezündet, obwohl er seit fünf Monaten eisern durchgehalten hatte.Dougas Pride hüstelte und trank einen Schluck Kaffee, Rico starrte auf den Tisch und Castillo räusperte sich. "Es sieht so aus, als ob sich eine recht große Organisation mit der Polizei anlegen will. Holen wir sie uns!"
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SIEBENMONTAGMITTAGCastillo teilte die Teams ein. Rico und Sonny würden natürlich zusammenarbeiten, dann Billy und Estelle, Damian und Douglas und Ben und Sam Doyle aus Philadelphia. Rico und Sonny verließen gemeinsam das Präsidium, um zu Eliana Assani zu fahren, die, wie sie erfahren hatten, zusammen mit zwei anderen Frauen, Patty Roberts und Eve Taylor, die Leichen der Polizisten gefunden hatte. Billy und Estelle sollten zu Ron Shoemaker, dem Konditor, fahren. Alessio hatte ihnen erzählt, dass Ron, der die besten Torten in ganz Miami buk, auf seine Großmuter stünde, und ihm und Anna deshalb die Torte schenkte. Shoemaker war im Moment also die beste Spur, auch wenn das nicht den geringsten Sinn ergab. Rico dachte an Alessio, der im Universitätskrankenhaus lag und nicht wusste, dass er nur zwei Stunden nach der Hochzeit seine Frau verloren hatte. Rico musste dringend die Telefonnummer des Krankenhauses in Erfahrung bringen und sich nach seinem Sohn erkundigen. Im Moment wäre es wirklich gut, wenn er sich in drei Teile reißen könnte: Ein Teil blieb bei Alaina, ein Teil bei Alessio und das dritte Teil jagte die Verantwortlichen. Im Aufzug auf dem Weg nach unten rief Sonny im St. Elisabeth Krankenhaus an und fragte nach Gina Calabrese, aber er konnte niemanden erreichen, der befugt war ihm Auskunft zu erteilen.Rico schluckte und starrte auf die Tür. Erneut dachte er darüber nach, ob er Sonny sagen sollte, was er wusste, aber auch jetzt zögerte er.Sonny bedanke sich bei der Schwester am anderen Ende und drückte das Gespräch weg. "Ich verstehe das nicht," gestand er, als sie den Aufzug verließen."Das Krankenhaus - Personal hat eine Menge zu tun," meinte Rico nur. Sie durchquerten die Halle, traten ins Sonnenlicht. Einige Leute kamen ihnen auf der Außentreppe entgegen, an deren Fuß Sonny beinah von einem Radfahrer überfahren worden wäre. Im letzten Moment trat er zurück und blickte dem eiligen Radfahrer kopfschüttelnd nach.Sie gingen zwischen zwei geparkten Fahrzeugen, einem schwarzen Ford Galaxy und einem Chevrolet Captiva, durch, denn Sonnys Corvette parkte auf der anderen Straßenseite. Plötzlich röhrte ein Motor auf, Reifen quietschten. Rico und Sonny, die sich mitten auf der Fahrbahn befanden, blickten gleichzeitig nach links. Ein schwarzes Motorrad mit zwei schwarzgekleideten Personen darauf raste heran. Der Sozius hielt eine M4 in den Händen, mit der er nun, auf den Fußrasten stehend, an dem Fahrer vorbei auf Rico und Sonny feuerte. Rico sprang rückwärts, suchte Deckung zwischen den Fahrzeugen und riss seine Waffe aus dem Schulerholster. Mehrere Kugeln prallten vom Lack des Galaxy ab, durchschlugen die Seitenscheiben und trafen einen Mann, der die Treppe am Präsidium herunterkam und sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte. Die Scheiben zerbarsten mit einem lauten Knall, Leute schrieen, Bremsen kreischten.Rico feuerte auf den Schützen, konnte aber wegen der Salve, die dieser abfeuerte, nicht richtig zielen. Eine seiner Kugeln prallte von der Schutzverkleidung des Motorrads ab, eine traf den Helm des Fahrers. Sonny war zur anderen Seite gehechtet und hatte Deckung hinter seiner Corvette gesucht. Er zog seine Waffe und schoss, als der Kerl gerade versuchte Rico in ein Sieb zu verwandeln. Er traf den linken Arm des Fahrers, sah, wie die Lederjacke aufriss und Blut aus der Wunde spritzte. Das Motorrad machte einen Schlenker, aber der Sozius hatte eine verdammt gute Balance und hielt sich. Er schwenkte die Waffe herum, um nun Sonny mit Kugeln einzudecken.Sonny duckte sich. Er hörte mehrere Kugeln von seinem Wagen abprallen, wie jemand auf die Hupe drückte, ehe er gegen ein Hindernis donnerte, und wie der Motorradfahrer beschleunigte. Er irchtete sich auf, sprang, genau wie Rico auf der anderen Seite, auf die Straße, und beide feuerten auf das fliehende Fahrzeug, das nun um eine Kurve verschwand."Bist du OK, Sonny?," fragte Rico.Sonny nickte. "Bin ich. Komm, den holen wir uns!" Sie rannten zur Corvette und Sonny ließ schnell einen Blick über den Lack gleiten, der einige Beschädigungen hatte. Sie stiegen ein. Als Sonny den Wagen herumriss sahen sie, dass mehrere Leute sich um den Mann kümmerten, der auf der Treppe des Präsidiums lag. Einige Polizisten kamen aus dem Präsidium gerannt. Sonny raste die Straße entlang. Rico sah einen Pick - up, der in einen weißen Kombi gefahren war, aber der Fahrer des Pick - up kletterte gerade scheinbar unverletzt aus seinem Fahrzeug, ebenso wie der Fahrer des Kombi. Die Corvette schleuderte um die Kurve auf eine rote Ampel zu. Mehrere Leute überquerten gerade bei Grün die Fahrbahn. Zwei erstarrten, die anderen rannten schreiend zurück auf die Straßenseite, von der sie gekommen waren.Sonny ignorierte die rote Ampel, lenkte den Wagen mit verbissenem Gesichtsausdruck um die beiden Leute herum, die wie Statuen mitten auf der Fahrbahn standen, und dann um den Hummer, der, von rechts kommend, in diese Straße abbiegen wollte. Sonny riss das Steuer herum und rauschte um Haaresbreite an dem Jeep vorbei.Rico seufzte. Weit vor ihnen raste das Motorrad - eine BWM R 1150 - die Straße entlang. Es überholte mal rechts, mal links, schoss einmal über den Gehweg. Die Passanten wichen schreiend aus. Rico schnappte sich das Funkgerät und gab die Position des Motorrades und ihre eigene durch, gemeinsam mit der Warnung, dass die Täter bewaffnet waren.Plötzlich gewahrte er den riesigen Truck mit einem Anhänger daran, der aus einer Seitenstraße rechts auf die Hauptstraße abbog und dafür einen Großteil der Fahrbahn beanspruchte. Aus der Gegenrichtung kam ein weiterer Truck."Sonny! ,"schrie Rico entsetzt, ließ das Funkgerät fallen ud riss die Hände vor das Gesicht. Sonny bremste den Wagen nur kurz ab, um mit einem Blick die Breite der Lücke zwischen den beiden Lastwagen abzumessen. Dann gab er wieder Gas und Rico blieb nichts anderes übrig, als die Luft anzuhalten. Sie kamen dem abbiegenden Truck so nah, dass Rico die feinen Risse in dem Reifen deutlich sehen konnte. Auf Sonnys Seite war es ebenso eng, aber dann waren sie durch. Rico atmete auf und schlug ein Kreuz, während Sonny fluchte: "Verdammt!"Das Motorrad war weg, wie vom Erdboden verschluckt. Sonny fuhr bis zur nächsten Kreuzung, dann noch eine Kreuzung weiter. Schließlich hielt er in einer Parkbucht am Straßenrand an. Er sah Rico an und sagte: "Wer auch immer dahintersteckt, er meint es verdammt ernst und wird bestimmt wieder von sich hören lassen."
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ACHT MONTAGRon Shoemaker arbeitete in seiner Backstube, als Billy und Estelle dort eintrafen. Es duftete nach frisch gebackenem Kuchen, mehrere Öfen brummten, ein junger Bäcker mixte Buttercreme, und in mehreren Schüsseln warteten verschiedene Obstsorten auf ihre Verarbeitung. Ron Shoemaker formte mit seinen großen, schwarzen Händen geschickt rosafarbene und gelbe Marzipanrosen. In der Backstube war es brüllend heiß. Auf seiner Stirn perlte deshalb der Schweiß, den er in fast regelmäßigen Abständen mit einem weißen Taschentuch abwischte. "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll," bekannte er und legte eine fertige, gelbe Marzipanrose auf einen großen Porzellanteller, auf dem bereits, wie kleine Soldaten, zehn gelbe und zehn rosafarbene Rosen lagen. "Maria ist eine großartige Frau..." - Er blickte kurz auf und lächelte, wobei seine weißen Zähne aufblitzten. "Ich versuche seit etlichen Jahren mit ihr auszugehen, aber sie sagt immer nein. Aufgeben werde ich aber nicht. Wie geht es ihr denn jetzt?""Warum besuchen Sie sie nicht und fragen sie selbst?" fragte Billy herausfordernd. Für seinen Geschmack war der Mann zu ruhig für jemanden, der ihnen gerade von der Frau vorschwärmte, die durch eine Bombe in seiner Torte fast ums Leben gekommen wäre. Billy fehlte das Entsetzen, die Erschütterung und auch das Mitgefühl. Wobei er nicht leugnen konnte, dass es Menschen gab, die ihre Gefühle nicht offen zeigen konnten. Ron Shoemaker nickte so heftig, dass sein Doppelkinn in Bewegung geriet. Er formte jetzt eine rosa Rose. "Das mache ich."Estelle lehnte an einem Metalltisch. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, das rechte Bein lag locker über dem linken und sie stützte es nur auf der Spitze ab. "Wie lange arbeitet der Fahrer schon für Sie?"Shoemaker hielt kurz inne. Der andere Bäcker schaltete gerade den Mixer aus und einer der Öfen klingelte, um anzuzeigen, dass der Kuchen fertig war."Ein knappes Jahr," antwortete er, während sein Gehilfe den Kuchen aus dem Ofen holte. Ein geradezu unwiderstehlicher Duft breitete sich aus. "Dean Rogers war in dieser Zeit ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter. Immer pünktlich." Seine Hände formten jetzt weiter. Er schnaubte. "Ich hätte ihm nie etwas Böses zugetraut.""Man kann eben jedem nur vor den Kopf sehen," meinte Billy mit einem leicht anzüglichen Unterton.Ron nickte, legte die Rose ab und wischte über seine Stirn, ehe er zu der Schüssel mit der Schokoladenbuttercreme ging und sie mit einem Teelöffel probierte. Er sprach leise mit seinem Gehilfen, der verstehend nickte. Dann kehrte er zu seinen Marzipanrosen zurück. Er blickte mit gerunzelter Stirn von Billy zu Estelle und zurück. Offensichlich hatte er den Faden verloren. "Erzählen Sie uns von gestern Nachmittag," forderte Estelle ihn auf. Sie schielte zu der Schüssel mit den Erdbeeren. Sie sahen absolut verführerisch aus und sie musste sich zwingen nicht zuzugreifen.Ron zuckte die Achseln. Er unterbrach seine Arbeit nicht und sah nicht auf. "Ich hatte Maria versprochen, dass sie die Torte um zwölf Uhr bekommt. Sie sollte schon vor der Trauung als Blickfang auf dem Tisch stehen..."Billy runzelte die Stirn und sagte: "Sie kam erst danach an."Ron hielt inne und der Blick aus seinen mokkabraunen Augen drückte Verwirrung aus. "Dean ist bereits um halb zwölf weggefahren...""...und er kam erst um drei Uhr an," fügte Billy hinzu. "Es würde uns brennend interessieren, was er in den dreieinhalb Stunden gemacht hat. Haben Sie Deans Adresse?"Shoemaker nickte. Er ging zu einem Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Dann eilte er zu seinem Büro und kehrte wenig später mit einem Zettel zurück, auf dem er die Adresse notiert hatte. "Ich weiß nicht, was der kleine Dreckskerl mit der Hochzeitstorte angestellt hat, aber wenn Sie ihn haben, sperren Sie ihn gut weg. Wenn ich ihn in die Finger kriege, wird er nämlich keine Zelle mehr brauchen." Billy blickte auf den Zettel mit der Adresse. Dean Rogers wohte nicht gerade in der besten Wohngegend. "Wie lange braucht man, um solch eine Hochzeitstorte herzustellen?"Shoemaker schnaubte. Die meisten Leute glaubten, dass er mal eben so eine Torte herstellen konnte und verstanden deshalb nicht, warum seine Preise höher waren als die der anderen Konditoren. Ihm war klar, dass auch diese beiden Polizisten nicht erkannten, dass jede seiner Torten ein einzigartiges Kunstwerk war."Viele Stunden!,"stieß er hervor. Er wies auf den Teller mit den Marzipanrosen. "Ich mache die Rosen und die Blätter immer selbst und das in der Farbe, die der Kunde wünscht. Sie wollen ein Gebetbuch auf der Torte haben oder das Zuckerguss - Brautpaar soll in einem essbaren, efeuumrankten Torbogen auf der Torte stehen? - Ich mach´s! Ich erfülle auch die ausgefallendsten Dekorationswünsche. Deshalb kommen die Leute zu mir, verstehen Sie?" Billy nickte, Estelle bedankte sich für die Auskünfte. Dann verließen sie die Konditorei. Shoemaker sah ihnen nach. Dann eilte er in sein Büro, schloss sorgfältig die Tür und griff zum Telefon. Fünf Minuten später verließ er beinah fluchtartig das Geschäft. Ron Shoemaker hatte etwas wirklich wichtiges zu erledigen.
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NEUNWährend der Fahrt nach Coral Gables sahen Rico und Sonny sich immer wieder automatisch um, aber das Motorrad war natürlich verschwunden. Der Fahrer war verletzt und brauchte ärztliche Hilfe. Nahdem Sonny ihm gesagt hatte, dass er den Fahrer am Arm erwischte, gab Rico die Information über Funk weiter. Jetzt würden alle Krankenhäuser informiert werden und es sollte in den Nachrichten darauf hingewiesen werden, für den Fall, dass er eine Arztpraxis aufsuchte. "Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass all diese unterschiedlichen Fälle wirklich zusammenhängen," gestand Rico. "Ich meine, sie haben keine Gemeinsamkeit, oder?"Sonny hob schulmeisterlich die Hand. "Geld, Rico! Drogen, Menschenhandel, Prostitution und Erpressung waren schon immer die lukrativsten Einnahmequellen für Gangster aller Art.""Ja," murmelte Rico. Er dachte an die Fotos der drei ermordeten Männer, die auf seinem Schreibtisch gelandet waren. Es fiel ihm immer noch schwer sich vorzustellen, dass jemand Vergnügen bei solchen Behandlungen fand. Sonny starrte auf die Straße, auf der an diesem Motagmorgen natürlich eine Menge los war. Er trat das Gaspedal seiner Corvette durch und schoss an einem alten Kombi vorbei, in dem ein älteres Ehepaar saß und in aller Ruhe seines Weges tuckerte.Ricos Blick glitt suchend herum. Er hoffte immer noch das Motorrad zu entdecken und es war besser sich darauf zu konzentrieren, als ständig die Bilder des vergangenen Tages und die der ermordeten Männer in New York vor sich zu sehen. Das Tor zu Eliana Assanis Anwesen öffnete sich vollkommen lautlos, nachdem Sonny seine Dienstmarke in die Kamera hielt, und schloss sich hinter ihnen wie von Geisterhand. Sonny fuhr eine geteerte, gewundene, von Bäumen und Sträuchern gesäumte Auffahrt entlang, die man woanders vermutlich schon als Straße bezeichnen würde. Hier und da gaben die Sträucher den Blick auf eine Rasenfläche und gepflegte Blumenrabatten frei. In einer davon arbeitete ein Gärtner, der wahrscheinlich mexikanischer Herkunft war. Zum Schutz vor der Sonne trug er einen Strohhut. "Nicht übel," meinte Rico, als das Haus in Sicht kam. Es handelte sich um einen verwinkelten Bau mit Erkern, Türmen, diversen Balkons und einem leuchtendroten Dach. "Hat sie einen lukrativen Job oder einen reichen Ehemann?""Keine Ahnung," gstand Sonny, als er den Wagen parkte. Sie stiegen aus und gingen zur Tür aus dunklem Eichenholz, die ihnen ein Hausmädchen in schwarzem Kleid und weißer Schürze öffnete, nachdem Sonny geläutet hatte. Eliana Assani empfing sie in ihrem Büro, das komplett in weiß eingerichtet war. Der einzige "Farbtupfen" war ein großes, abstraktes Gemälde von der Sorte, in die jeder etwas anderes interpretierte. In Sonnys Augen war es nur eine vollgekleckste Leinwand und er verstand nicht, wieso manche Leute mehr für so ein Bild bezahlten, als er in seinem ganzen Leben verdienen konnte. Sie hatten erwartet eine geschockte Frau anzutreffen, die eine Freundin, ihre Mutter oder ihren Hausarzt gerufen hatte, weil sie Beistand brauchte. Eliana Assani saß jedoch geschäftsmäßig hinter ihrem Schreibtisch. Sie hatte die Sportkleidung gegen einen grauen Rock und eine fliederfarbene Bluse eingetauscht und trug das Haar offen. Sie arbeitete am Computer, dessen Bildschirm sie jedoch nur von hinten sahen.Sie war viel jünger, als Rico und Sonny erwartet hatten, und lächelte sie an, als sie aufstand, und ihnen, nacheinander die Hand reichend, einen Platz in der Sitzecke anbot. Sie befand sich auf der fensterlosen Seite des Raumes, damit die Aussicht auf den Park die Geschäftspartner nicht ablenkte. "Möchten Sie etwas trinken?," fragte sie. Ihre etwas kieksige Stimme passte nicht so recht zu der kühlen, schönen Geschäftsfrau.Rico und Sonny lehnten ab. Sonny bat Eliana ihnen vom Morgen zu erzählen. Eliana wiederholte, was sie bereits den Polizisten im Park gesagt hatte: Sie wäre, wie jeden Morgen um die gleiche Zeit, joggen gegangen und sie würde stets die gleiche Strecke laufen, weil sie genau wusste, wie lange sie dafür benötigte und dies in ihrem Terminplan einkalkuliert wäre. Dann sah sie den Polizeiwagen und den Van, der etwas versteckt hinter einem Strauch gestanden hatte. Sie und zwei Frauen hatten dann die Toten entdeckt. Sie hatten nichts angefasst, sondern die Polizei gerufen. "Sie wirken nicht sehr geschockt," stellte Rico ehrlich fest. "So oft findet man schließlich keine Toten."Eliana blickte Sonny an. Sie lächelte fast entschuldigend. "Ich war sehr geschockt, das versichere ich Ihnen, aber ich bin auch eine Geschäftsfrau." Sie wies vage mit der rechten Hand herum und erklärte: "Das alles hier habe ich mir hart erarbeitet.""Was machen Sie beruflich?," fragte Sonny."Ich besitze eine Boutique, E.A. UNIQUE. Der Name ist Programm. Sie suchen ausgefallene Kleidung in extravaganten Farben oder besondere Accessoires...? - Bei uns bekommen Sie alles. Ich habe Kunden - vor allem Kundinnen - in der ganzen Welt und zwei davon warten auf ihre Bestellung. Wir reden hier von etwa 200.000 Dollar." Wieder lächelte sie entschuldigend, ohne jedoch Sonny aus den Augen zu lassen. Sie schlug das rechte Bein über das linke Bein und der Rock rutschte hoch. Er gab den Blick bis hinauf zum Oberschenkel frei. Viel trug sie nicht darunter und Rico dachte sofort an Sharon Stone in "Basic Instinkt"."Es tut mir leid, wenn ich Ihnen nicht mehr sagen kann," bedauerte Eliana.Sonny erwiderte das Lächeln. Sie hatte schöne Augen und schöne Beine. Er hätte schon blind sein müssen, um das nicht zu sehen und dumm, um nicht zu merken, dass sie ihn anbaggerte. Er konnte nicht leugnen, dass es ihm gefiel. Rico stand auf. "Dann wollen wir Sie nicht weiter aufhalten, Mrs. Assani."Sonny erhob sich ebenfalls. Er reichte Eliana ein Kärtchen mit dem Hinweis, sie solle ihn anrufen, falls ihr doch etwa wichtiges einfiel. Sie lächelte und nicht nur Sonny war klar, dass ihr eine Menge Gründe einfallen würden, um ihn anzurufen, aber dass nicht einer mit den ermordeten Polizisten zu tun hatte. Von einem Fenster im Obergeschoss blickte Eliana der Corvette wenig später nach, als diese davonfuhr. Sonny Crockett gefiel ihr sehr gut, auch wenn er um einiges älter war als sie selbst. Sie stand ohnehin nicht auf die Typen in ihrem Alter, die studierten, aber dennoch oft keine Ahnung hatten, was sie eigentlich wollten. "Sie steht auf dich," stelle Rico fest, als sie davonfuhren."Ich fand sie auch nicht hässlich," entgegnete Sonny. Im Außenspiegel registrierte er eine Bewegung der Gardine im Turmzimmer. Er wusste, dass sie dort oben stand und ihnen nachsah. Er spürte ihre Blicke als feines Prickeln im Nacken."Mir ist sie zu cool," gestand Rico. "Sehr hübsch, aber cool. Sie hat... wann? - Vor vier Stunden? - zwei Leichen gefunden und kann sich jetzt auf irgendeinen Modeauftrag konzentrieren?" Er schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er im Laufe der Jahre die seltsamsten Dinge erlebt. Schwerstverletzte, die herumliefen, ohne den Schmerz zu spüren oder die Frau, die während eines Streits ihren betrunkenen, gewalttätigen Ehemann in der Küche erstach und seelenruhig im Wohnzimmer bügelte, als die von den Nachbarn gerufene Polizei eintraf. - Aber irgendetwas an Eliana Assanis Verhalten störte in. - Vielleicht war es auch nur seine angeborene Skepsis. "Sie ist eine Geschäftsfrau, Rico," drang Sonnys Stimme in seine Gedanken. "Eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau...""...die zwei Leichen gefunden hat und ziemlich cool reagiert," wderholte Rico. "Wie wurden die Beiden eigentlich ermordet?"Sonny zuckte die Achseln. Er wusste nicht mehr als Rico und der Autopsiebericht lag noch nicht vor. Sie fuhren zu Patti Roberts. Sie war eine sehr blasse, rothaarige, krankhaft dürr wirkende Frau. Sie saß auf der Terrasse des recht ansehnlichen Hauses unter einem riesigen, zitronengelben Sonnenschirm. Ihr Mann Paul, ein schlanker, gepflegter Mitt - Vierziger mit schwarzen Haaren und dunkelbraunen Augen saß neben ihr. Er streichelte unaufhörlich ihre rechte Hand, während Patti leise, mit immer wieder stockender Stimme Elianas Version bestätigte."Möchtest du, das ich dir noch eine Tasse Tee koche, Schatz?,"fragte Paul, wandte sich an Rico und Sonny und erklärte: "Das hat sie alles furchtbar mitgenommen. Wie gut, dass ich gerade zu Hause bin. Allerdings muss ich morgen eigentlich wieder weg."Patti lächelte zittrig. "Ich schaffe das schon." Rico und Sonny verabschiedeten sich bald, um zu Eve Taylor zu fahren, die in einem älteren gepflegten Appartement - Haus wohnte. Eine Nachbarin, eine Frau um die siebzig, hatte sie hereingelassen und gleich losgeplappert, wie sehr die Sache die arme Eve belastete und dass sie schon eine Beruhigungstablette genommen hatte."So viel Gewalt!,"seufzte die ältere Frau. "Zuerst diese entsetzliche Geschichte auf der Hochzeit von Marias Enkel, dann zwei Tote... -Wo soll das nur enden?" Eve saß auf dem karamellfarbenen Sofa in ihrem hellen freundlichen Wohnzimmer. Sie hatte viele Pflanzen und einige Bilder von Familienmitgliedern schmückten die Wände. Sie war eine knabenhaft gebaute Frau mit veilchenblauen Augen und einer hellblonden Löwenmähne. Auch sie war blass, ihre Bewegungen fahrig. Sie erzählte, dass sie zwei Mal wöchentlich mit Patti im Park joggte. Manchmal trafen sie Eliana, aber sie grüßten einander nur.Eve saß da, die Hände im Schoss gefaltet, und starrte auf den Tisch. Sie sprach mit ruhiger, fast emotionsloser Stimme und sah nicht einmal auf. Schließlich meinte die Nachbarin, Eve müsste sich nun ausruhen. Rico und Sonny erhoben sich augenblicklich, bedankten sich für die Informationen und gingen. "Viel zu ruhig," meinte Rico auf dem Weg zum Auto. Sonny zuckte die Achseln. "Sie hat Beruhigungsmittel geschluckt.""Machte sie auf dich denn einen geschockten Eindruck?""Nein," seufzte Sonny, als er den Motor startete. "Fahren wir ins Krankenhaus? Ich mache mir Sorgen um Gina. Ich verstehe nicht, warum mir niemand Auskunft über ihren Zustand geben will."Rico schwieg. Er blickte aus dem Fenster. Ein Mann in Shorts und Unterhemd wusch seinen Wagen, in einem Beet jätete eine ältere Frau Unkraut, während ein etwa fünfjähriges Mädchen noch recht unsicher auf seinem rosafarbenen Fahrrad auf dem Gehweg hin und herfuhr. Rico dachte nach. Sonny war sein Freund. Sie hatten eine Menge miteinander erlebt. War es da nicht seine Aufgabe Sonny zu sagen, was er wusste? Aber was wusste er? Amber hatte sich recht vage ausgedrückt. Sie hatte an einem anderen Tisch gearbeitet, sich auf den Menschen konzentriert, dessen Leben sie retten wollte. Sie hatten alle Hauben und Mundschutz getragen, Stimmen waren durcheinander geschwirrt und Instrumente klapperten. Amber konnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen wie der Name der verstorbenen Frau lautete.Aber wer sollte es sonst gewesen sein? Rico kannte nicht alle Gäste - eigentlich kannte er die wenigsten -, aber Gina ging es sehr schlecht. Sie musste wiederbelebt werden und bei ihr dauerte es mit am längsten, bis sie transportfähig war. Er seufzte. "Lass mich erst den Hummer holen, bevor wir ins Krankenhaus fahren. Ich hoffe, jemand in der Klinik kann mir die Nummer des Universitätskrankenhauses geben."Und er hoffte inständig, dass die Frau, die gestorben war, nicht Gina hieß.
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ZEHNDamian und Douglas hatten im Büro auf Billys Anruf gewartet. Sie tranken einen Kaffee und plauderten ein bisschen - auch über den Fall - und beschlossen du zueinander zu sagen.Damian rief Trudy an, um zu erfahren, dass es ihr und der kleinen Fiona Switek so weit ganz gut ging."Morgen darf ich nach Hause," erklärte Trudy. "Dann unterstütze ich euch tatkräftig bei der Suche nach den Mördern."Damian hatte dazu seine eigene Meinung, aber er war klug genug sie noch für sich zu behalten. Dann rief Billy an, gab ihnen Dean Rogers Adresse und Damian und Douglas machten sich auf den Weg."Kanntest du die Leute, die in Savannah umgekommen sind?,"fragte Damian unterwegs.Douglas antwortete nicht gleich. Er blickte aus dem Fenster auf das geschäftige Treiben der Stadt und den postkartenblauen Himmel, der immer wieder zwischen den Häusern auftauchte. Er hätte erzählen können, dass er zwei Jahre mit Miranda Marshall, deren Junggesellinnenabschied an jenem Abend gefeiert wurde, zusammen gewesen war, ehe sie sich in einen anderen Mann verliebte, den sie heiraten wollte"Ja," sagte er schließlich leise. "Ich kannte die Leute und ich gehörte zu denen, die nach der Explosion zum Club gerufen wurden. Es war grauenhaft! Aber darüber muss ich dir wohl eher nichts erzählen.""Nein," antwortete Damian und dachte an die Bilder aus Marias Garten, die er wahrscheinlich niemals mehr loswerden würde.Er fuhr über den Expressway. "Kid Rock sang "All Summer Long" und ohne die grässlichen Bilder hätte dies ein ganz normaler Sommertag sein können. Schließlich verließ Damian den Expressway. Er bog mehrfach ab und Douglas sah die Veränderungen: Leerstehende Fabrikgebäude, Wohnsilos mit vielen unbewohnten Etagen und beschmierte Wände.Auch Damians Blicks schweifte herum. "Unser Freund Dean Rogers wohnt nicht gerade in bester Wohnlage," erklärte er."Ich glaube nicht, dass er noch da ist. Er lieferte im Auftrag von irgendwem die Bombe ab und machte sich aus dem Staub," antwortete Douglas. Die Häuser in der Straße, in der Dean Rogers ein Appartement gemietet hatte, waren alle heruntergekommen. Der Putz bröckelte, die Farbe an den Fenstern blätterte ab. Die winzigen Rasenstücke vor den Häusern waren ungepflegt und das Unkraut spross lustig zwischen den Pflastersteinen. Die Autos am Straßenrand waren alt, übersät mit Beulen, Rostflecken oder den (farblich völlig misslungenen) Versuchen den Rost wegzupinseln.Ein paar Jugendliche mit Kippen im Mund und Jeans, die - gewollt - voller Risse waren, hingen herum und musterten den Jaguar voller Interesse. Damian faltete sich in seiner ganzen Größe aus dem Wagen, zückte lässig seine Polizeimarke und ließ kurz, wie zufälig, seine Waffe sehen, indem er die Weste zurückschob. Dann ging er zu den Jungs hinüber, die er alle überragte. "Wenn ich gleich zurückkomme und den Wagen nicht so vorfinde, wie ich ihn hier abgestellt habe, dann finde ich euch. Klar?" Er blickte jeden einzelnen an und die Jungs nickten. Ein Latino verließ gerade das Appartement - Haus, als Damian und Douglas die Tür erreichten. Er musterte die beiden Polizisten ebenso wie sie ihn. Er war drahtig, um die eins - achtizig, eher etwas kleiner. Seine gewellten Haare waren dunkelbraun, eine Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Er trug billige, ziemlich schmutzige Jeans, aber Nikes. Douglas war zuerst an der Tür und verhinderte, dass sie sich schloss. Damian sah mit gerunzelter Stirn dem Latino nach, ehe er sich abwandte und seinen Blick über die Namensschilder an den Klingeln gleiten ließ. Demnach wohnte Dean Rogers unter dem Dach.Einen Aufzug gab es nicht. Sie stiegen die zerkratzten, fleckigen Stufen hinauf. Hier und da waren Stücke herausgebrochen, Graffitis verunstalten die Wände. Die meisten waren obszöne Gemälde und Botschaften, die irgendjemand, recht erfolglos, zu entfernen versucht hatte.Es roch nach Essen und Alkohol und eine Pfütze in einer Ecke - der dazugehörende Fleck fing etwa einen Meter über dem Boden an - sah verdächtig nach Urin aus. Außer Dean Rogers wohnte eine weitere Person unter dem Dach. Auf dem Klingelschild stand kein Name, aber auf der Tür prangte ein grinsendes Katzengesicht mit einer Sprechblase, in der "Willkommen" stand. Aus der Wohnung drang "Mandy" von Westlife, untermalt mit eindeutigen Geräuschen. Damian klopfte an Dean Rogers Tür, aber niemand öffnet. Damian grinste Douglas an. "Hast du auch gerade verdächtige Geräusche aus der Wohnung gehört, Douglas?"Douglas nickte. "Auf jeden Fall!" Die Tür war nicht sehr stabil. Ein gezielter Tritt und das Schloss brach aus. Die beiden Männer betraten das Einraum - Appartement. Links gab es ein winziges Bad mit einer Dachschräge. Damian hätte nur mit gebeugtem Rücken eine Dusche nehmen können. Er sah Seifenreste im Ablauf der Dusche, auf der fleckigen, rosafarbenen Porzellanablage über dem Waschbecken lagen eine offene, zerquetschte Zahnpastatube und ein Kamm mit mehr Haaren darin, als manche Leute auf dem Kopf hatten. Dean war ganz eindeutug blond.An der Düse einer Rasierschaumdose klebten Schaumreste und die Dose mit dem Haargel war ebenfalls offen. Neben dem Bad befand sich der Küchenbereich, ausgestattet mit weißen Kunststoffmöbeln. Ein Campingtisch mit drei Plastikstühlen stand unter dem Dachflächenfenster. Auf dem Tisch standen eine benutzte Kaffeetasse und ein Teller mit einem halb gegessenen Brot. Die Wurst darauf war bereits ausgetrocknet, wurde aber von etlichen dicken, bunt schillernden Fliegen bevölkert. Daneben lag ein aufgeschlagenes Magazin mit iner nackten, olivfarbenen Schönheit. Sie rekelte sich halb auf der Seite, das linke Bein etwas angewinkelt und ein verführerisches Lächeln auf den Lippen.Im Kühlschrank waren noch vier Scheiben Brot, Wurst, Milch und ein Fertiggericht für die Mikrowelle. Auf der Arbeitsplatte in Granitoptik konnten sie Deans Speiseplan der vergangenen Woche ablesen: Kaffeeflecken, Tomatensoßenflecken, getrocknete Mayonnaise, verschrumpelte Paprika - und Tomatenstückchen. Im Wohnbereich, der gleichzeitig auch Schlafbereich war, gab es eine dunkelbraune Ausziehcouch, auf der blau - gelb - grünkarierte Bettwäsche lag. Auf dem zerkratzten Holztisch standen eine Saftflasche, ein benutztes Glas und ein überquellender Aschenbecher. Hinter einem scheußlichen orangefarbeen Vorhang hingen Deans Klamotten: billige Jeans und Shirts, Kaufhausunterwäsche und zwei Jacken, eine beige und eine schwarze. Zwei Reisetaschen lagen achtlos auf dem Boden. "Wir suchen einen weißen Mann mit blonden Haaren, vermutlich nicht größer als eins - fünfundsiebzig. Er ist kein Vegetarier, Raucher, Antialkoholiker und er liebt Pornomagazine. Ordnung liebt er allerdings nicht," fasste Damian zusammen.Doglas hatte die Schubladen der Kommode geöffnet, die neben der Couch stand. Er fand Wechselbettwäsche, ebenfalls kariert, aber diesmal rot - gelb - orange, etwa zehn Handtücher und Waschlappen, und in einem davon 200 Dollar Bargeld. "Entweder ist er nicht abgehauen und es ist ihm etwas zugestoßen oder er ist sehr überstürzt getürmt," sagte er und wedelte mit den Geldscheinen. Damian glaubte nicht, dass Dean überstürzt verschwinden musste. Ein Anschlag dieser Art bedurfte einer intensiven Planung und wenn der Täter vorhatte anschließend abzuhauen, dann nahm er seine Klamotten und das Geld sofort mit. Das sagte er Douglas.Der Detective aus Savannah nickte. "Du hast Recht, aber wo ist Dean Rogers dann geblieben?," fragte er.
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ELFDie Schwester hatte sie gebeten zu warten, bis sie einen Arzt geholt hatte. Sie erklärte bedauernd selbst keine Auskünfte geben zu dürfen. Dann ging sie eilig hinaus.Rico und Sonny standen im Warteraum, zu dem die übliche Hektik herüberdrang. Das Telefon klingelte, Schwestern eilten geschäftig herum, Angehörige kamen oder gingen, ein Alarm piepste und jemand verlangte über die Lautsprecheranlage Dr. Brown möge dringend zur Station 5 kommen. Sonny rannte nervös herum, beobachtet von Rico, der mit verschränkten Armen an der Wand lehnte."E ging ihr sehr schlecht, Sonny," sagte er in dem Versuch den Freund auf die schlimmste Nachricht vorzubereiten. Im Stillen hoffte er weiterhin, das Amber sich verhört hatte. Wie schnell klangen Namen ähnlich, wenn Geräusche und ein Mundschutz die Verständlichkeit erschwerten? Sonny blieb stehen. Er stopfte die Hände in die Hosentaschen und sah Rico eindringlich an. Er kannte Rico gut und der vorsichtige Ton war ihm nicht entgangen. "Rico, weißt du mehr als ich?"Rico hatte gerade beschlossen ihm alles zu sagen, als Stan auftauchte. Ein Verband zierte seine Stirn, ein anderer bedeckte das rechte Auge und die Wange. Die linke Gesichtshälfte war geschwollen und bläulich verfärbt. Seine Haare standen in alle Richtungen und ein Bart bedeckte sein Gesicht. Er trug immer noch die zerrissene, blutbeflecke Kleidung vom Vortag und sein linker Arm lag in einer geradezu unverschämt weißen Schlinge. Die Freunde umarmten sich kurz. "Wie geht es deiner Familie?," fragte Rico."Fiona hatte Glück. Sie und Trudy waren etwas weiter entfernt. Sammy geht es nicht gut. Ich habe eben in der Uni - Klinik angerufen und Gianna...- sie hat zumindest die Nacht ohne nennenswerte Zwischenfälle überstanden. - Was ist mit Alaina und Alessio?" Rico erzählte ihm, dass Alaina großes Glück gehabt hatte, er aber bisher keine Informationen über Alessio hatte. Sein schlechtes Gewissen meldete sich sofort. Seit sie sich Anfang April kennen lernten telefonierten sie regelmäßig. Ende Mai waren Anna und Alessio für ein verlängertes Wochenende nach New York gekommen und jetzt wusste er nicht mal wie es seinem Sohn ging. Vieleicht war er längst gestorben. "Mr. Crockett?" In der Tür tauchte ein Arzt auf. Er war asiatischer Herkunft, klein, gedrungen und fast grauhaarig.Sonny verließ den Warteraum, um mit dem Arzt zu sprechen, während Rico Stan erklärte, er solle sich wegen den Ermittlungen keine Sorgen machen. Castillo hätte die Leitung des Vice - Teams übernommen, das durch Beamte aus New Orleans, Savannah und Philadelphia erweitert worden wäre. "Kümmere du dich um deine Familie, Stan. Sie geht vor," sagte Rico und legte dem Freund die Hand auf die Schulter. "Kann ich irgendwas für dich tun?"Stan blickte an sich hinunter. Seine Kleidung sah zum fürchten aus und er fühlte sich schrecklich schmutzig. Das getrocknete Blut kratzte außerdem."Kannst du mir frische Sachen besorgen? Duschzeug? Rasierapparat...?"Rico nickte. Er verließ mit Stan den Warteraum und sah sich um, aber er konnte Sonny nirgendwo entdecken. Er begleitete Stan zu dem Krankenzimmer, in dem Gianna lag. Dort war auch Maria untergebracht. Beide Frauen ähnelten Mumien und sie hingen an so vielen Schläuchen, dass sie fast darunter verschwanden.Stan gab ihm den Haustürschlüssel. "Brauchst du auch meinen Wagen?""Nein," antwortete Rico. "Ich benutze im Moment Alessios Hummer." Er hob kurz die Hand mit dem Schlüssel darin. "Ich will nur warten, bis Sonnys Gespräch mit dem Arzt wegen Gina zu Ende ist und dann beeile ich mich.""Danke," erwiderte Stan nur müde. Rico legte ihm erneut tröstend die Hand auf die Schulter, ehe er das Zimmer verließ. Am Stationszimmer fragte er nach der Nummer der Uni - Klinik, um dann von dem Fernspecher auf der Station dort anzurufen. Die ganze Zeit behielt er das Arztzimmer im Auge, aber Sonny kam nicht raus. Das Gespräch mit dem Arzt in der Uni - Klinik war kurz, aber fürs erste beruhigend. Alessios Zustand war stabil. Er hatte Knochenbrüche, einen Schädelbruch und innere Verletzungen mit massiven Blutungen davongetragen, aber erstaunlicherweise keine Gesichtsverletzungen. Warum das so war konnte niemand erklären. Dann verließ Sonny das Arztzimmer. Er wirkte ruhig und gefasst, aber Rico wusste, dass das nicht unbedingt etwas zu edeuten hatte. "Sonny?"Sonny hob abwehrend die rechte Hand. "Ich bin OK, Rico. Ich muss jetzt nur zu Elena.""Was ist mit Gina?," fragte Rico.Sonny blieb kurz stehen. Seine Miene wirkte so undurchdringlich wie das sonst nur bei Castillo der Fall war. Er holte Luft und es sah fast so aus, als wollte er Ricos Frage beantworten, aber dann sagte er: "Wir reden später."Rico war davon überzeugt, dass Sonny sich erst fangen wollte. Er brauchte Zeit. Deshalb nickte er nur und erklärte ihm, er würde eben zu Stan nach Hause fahren, um dem Freund ein paar Sachen zu bringen. Dann verließ er das Krankenhaus. Die Switeks bewohnten ein hübsches Haus am Wasser. Es lag in einer Straße mit Neubauten, in der Schilder auf spielende Kinder hinwiesen. An diesem Tag aber war es so heiß, dass die Kinder es vorzogen nicht draußen zu spielen. Die Hitze hing wie eine gigantische Glocke über der Stadt und erschwerte das Atmen. In vielen Häusern waren die Rollläden heruntrgelassen. Rico parkte den Hummer vor Stans Garage. Er stieg aus,ging zur Haustür und schloss sie auf. Ein Luftzug wehte ihm entgegen und er wunderte sich darüber, dass die Switeks offensichtlich ein Fenster offen gelassen hatten, als sie sonntags das Haus verließen.Rico stieg die Treppe hinauf. Er öffnete die erste Tür auf der rechten Seite. Sie führte in Sammys Zimmer. Sammy stand eindeutig auf Sponge Bob Schwammkopf. Mehrere Sponge Bob Poster schmückten die Wände, Sponge Bob grinste ihn von der Bettwäsche an, von einem Sitzkissen, und von dem Schreibtischstuhl, der vor dem Schreibtisch am Fenster stand. Die nächste Tür, die Rico öffnete, gehörte zum Schlafzimmer der Switeks. Es war aus Nussbaumholz mit roter Bettwäsche darauf, abgestimmt auf die zartroten Wände und die passenden Vorhänge.Rico öffnete auf der Suche nach einer Reisetasche den begehbaren Schrank. Er schaltete das Licht ein und sah sich drinnen um. Den Schatten, der sich über die Treppe näherte, sah er nicht und er hörte auch nicht das feine Geräusch, mit dem der Mann die Klinge des Messers aufschnappen ließ."Da hätten wir ja eine Tasche," sagte Rico zufrieden und bückte sich, um sie aus dem untersten Regal zu ziehen.
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ZWÖLFBen war im Büro geblieben, um auf die Ankunft von Sam Doyle aus Philadelphia zu warten. Er nutzte die Zeit, um die unterschiedlichen Fälle, die offensichtlich zusammenhingen, miteinander zu vergleichen. Irgendwo musste es eine Gemeinsamkeit geben, abgesehen von den Anschlägen mit der Pikrinsäure, mit der man die Ermittlungen lahmlegen wollte. Angela füllte eine Kaffeetasse. Nach wie vor hoffte sie darauf, dass Ben irgendwann etwas anderes in ihr sah als die hilfsbereite Sekretärin, und seit heute Morgen waren ihre Hoffnungen gestiegen. Nach einem Telefonat mit seiner Exfrau- Ben war extra hinausgegangen, damit niemand lauschte-war er zurückgekehrt und hatte Joanas Foto in der untersten Schreibtischschublade verschwinden lassen. "Es gibt einfach keinen Zusammenhang," stöhnte er halb verzweifelt. Er hob nacheinander die verschiedenen Akten an, die per Fax eingetroffen waren. "Menschenhandel in New Orleans, Morde an fünf minderjährigen, illegal im Land lebenden thailändischen Prostituierten in Savannah, Erpressung und Mord an drei vermögenden Geschäftsleuten, die auf Sado - Maso - Kram standen, in New York, Erpressung und vierfacher Mord in West Palm Beach, wir haben diese Drogenschwemme mit dem gepanschten Zeug und ich habe keine Anung, was in Philadelphia los war. Das muss Sam Doyle uns sagen." Angela legte ihm die rechte Hand auf die linke Schulter und massierte sie leicht. "Unterm Strich steht das Geld,Ben."Sie spürte, dass er verspannt war und vermutete, dass es nicht nur mit diesem Fall zu tun hatte, sondern auch mit Joana.Ben brummelte zufrieden und schloss für einen Moment die Augen. Er war müde, seine Augen brannten und seine Muskeln fühlten sich an, als hätte sie jemand mit Zement übergossen, aber seine Gedanken wirbelten herum. Wer auch immer hinter den Anschlägen steckte, gab ganz sicher nicht auf, wie die Schüsse auf Crockett und Tubbs, bei denen es einen Toten und zwei Schwerverletzte gegeben hatte, bewiesen hatten.Die Fahdund nach dem Motorrad war sofort rausgegangen, ebenso ein Hinweis an alle Krankenhäuser. Ben glaubte aber nicht, dass es etwas brachte. Andauernd wurden Opfer irgendwelcher Schießereien in Krankenhäuser eingeliefert und eine Täterbeschreibung gab es nicht. Dann dachte er an Joana und sofort verkrampften sich seine Schultern wieder mehr. Er fragte sich, wieso er sich jemals in diese Frau verliebt hatte. Sie war egoistisch, zänkisch und gefühllos. Sie hatte tatsächlich erwartet, dass er heute Nachmittag - dem freien Tag ihrer Mutter - zur Familien - Kuchenschlacht antanzte. "Deine Kollegen werden ja wohl mal ein paar Stunden ohne dich auskommen," hatte sie in den Hörer gezischt. "Schließlich hat deine Ochter nur einmal im Jahr Geburtstag!"Er hatte nicht glauben können, was sie da sagte. Leise, weil gerade zwei Kollegen miteinander plauderns aus der Mittagspause zurückkehrten und den Flur entlang kamen, wies er JOana auf die Toten und Verletzten der Hochzeitsfeier hin. Daraufhin fing sie an herumzumaulen, stieß ein paar Drohungen bezüglich der Regelung des Besuchtsrechts aus und knallte den Hörer auf die Gabel. Angela erstarrte plötzlich und blickte zur Tür. Ben blickte auf. In der Tür stand eine Frau. Sie mochte Mitte dreißig sein, war schlank und hatte eine Haut wie MIlchkaffee. Ihr Gesicht war ebenäßig, hellbraune Augen blickten Ben und Angela an. Sie lächelte.Sie trug weiße, eng sitzende Jeans, eine korallenrote Bluse und gleichfarbige Schuhe. Eine schmale Goldkette lag um ihren Hals, eine Uhr mit einem schwarzen Lederarmband zierte ihr linkes Handgelenk."Ich bin Detective Samantha Doyle von der Mordkommission in Philadelphia," stellte sie sich vor. Ihre Stimme klang angenehm warm.Ben stand auf. Er reichte ihr lächelnd die Hand, während er sie schnell musterte. "Ben Bradford, Ihr Partner in Miami. Ich gestehe allerdings, dass ich mir Sam Doyle anders vorgestellt hatte. Wo fangen wir an?"Sam lachte. "Ja, das mit den falchen Vorstellungen kenne ich." Sie strich eine Strähne ihre langen, geglätteten Haares aus dem Gesicht. "Wenn es keine Mühe macht, möchte ich gern mehr über das hören, was passiert ist und mir dann den Tatort ansehen." Während Ben und Sam bei einer Tasse Kaffee über die Ereignisse des Sonntags sprachen, saß Angela enttäuscht an ihrem Schreibtisch. Nachdem Ben Joanas Foto wegpackte, hate sie Hoffnung geschöpft. Jetzt fragte sie sich, ob es sich lohnte weiterhin ihre Gedanken an Ben Bradford zu verschwenden.Andernorts aber überschlugen sich die Ereignisse...
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DREIZEHNDer chromblitzende, blankpolierte Chevrolet Blazer parkte bereits hinter dem heruntergekommenen Lagerhaus, als das Motorrad, eine BMW R 1150, anhielt. Der Fahrer stellte die Maschine ab und sah sich um. Links von ihm rosteten einige alte Arbeitsgeräte und ein Bagger vor sich hin, die allmählich von Unkraut überwuchert wurden. Gras und Löwenzahn hatten auch den geteerten Boden aufgebrochen, der sich nun Kratern gleich nach oben wölbte, damit das Unkraut der Sonne entgegensprießen konnte. Er sah leere, verbeulte Kanister, übersät mit Vogeldreck, den er auch entlang der Wand am Boden bemerkte. Wahrscheinlich waren unter dem Dach ganze Nistkolonien angesiedelt. Er blickte besorgt zu seinem Motorrad. Hoffentich ließen die Vögel nichts darauf fallen. Er ging auf die schief in den Angeln hängende Tür des alten Lagerhauses zu, vorbei an dem Chevy. Es war beinah lachhaft. Der Boss wollte ihn sehen, aber er sollte nicht zu ihm nach Hause kommen, damit niemand eine Verbindung zwischen ihnen sah.Stattdessen fuhr sein Boss mit diesem auffälligen Wagen zu dieser Bruchbude. Als ob das die Polizei, falls sie hier vorbeikam, nicht viel stutziger machte, denn inzwischen hatten sie die Fahndung nach dem Motorrad herausgegeben, das nun unweit des Chevy parkte. Die Tür quietschte laut, als er sie aufschob und eintrat. Durch etliche Löcher in den Wänden und im Dach fiel etwas Licht, das ausreichte, um nicht über den Krempel zu fallen, den irgendwelche Typen zurückgelassen hatten. Staub tanzte mit den Mücken um die Wette in den Sonnenstrahlen, die Kreise auf den Boden malten. Ein leichter Wind wehte durch die Ritzen, aber dennoch roch es muffig und es war stickig.Er nahm den Helm ab, klemmte ihn lässig unter den rechten Arm und fuhr sich mit der linken Hand von vorne nach hinten durch die dunklen Haare. Aus dem Halbdunkel trat ein Mann. "Wo ist Danny?," fragte er wie aus der Pistole geschossen. Seine Stimme klang dunkel. Man hörte deutlich den südamerikanischen Akzent.Der Motorradfahrer holte tief Luft. Der Boss hasste schlechte Nachrichten und wenn er Pech hatte, bekam er nun dessen ganzen Zorn ab. "Die Sache ist schief gegangen," gestand er, unuihig von einem Bein aufs andere tretend. Sein Blick huschte nervös herum, als suchte er nach einem Fluchtweg. "Es hat Danny übel erwischt und weil ich nicht wusste, was ich machen sollte, hab ich ihn zu Al gebracht." Der Boss schnaubte wütend. Alles war so gut geplant gewesen, genau wie in den anderen Städten. Dort rwischte es die richtigen Leute. - Natürlich waren auch ein paar Unschuldige drauf gegangen, aber das konnte man nicht verhindern. Es hatte ihm sogar ein bisschen leid getan, dass das Brautpaar geopfert werden musste, aber diese Bombe hatte letzten Endes nur die Falschen erwischt! Nachdem er davon erfuhr wusste er, dass sich alle BUllen verbünden würden. Deshalb entwarf er eilig einen neuen Plan, um jetzt zu hören, das das auch nicht funktioniert hatte und dass der Idiot eine der obersten Regeln gebrochen hatte."Du warst bei Al? Bist du verrückt geworden? Du weißt genau, dass du Al nicht mit hineinziehen und nicht hinfahren sollst!," brüllte er außer sich vor Wut. "Bin ich denn nur von Idoten umgeben?" Die Tür quietschte anklagend, als der Wind dagegendrückte. Der Motorradfahrer schoss herum. Er rechnete damit, dass dort jemand stand, der eine Knarre auf ihn richtete, aber da war niemand. Mit wild klopfendem Herzen und vor Angst schweißnassen Händen blickte er wieder zu seinem Boss hinüber. "Danny blutete wie ein Schwein und ich konnte ihn ja wohl kaum ins Krankenhaus bringen. Sollte ich ihn krepieren lassen?," ereiferte er sich. "Verdammt, die Bullen hielten plötzlich Waffen in den Händen. Damit hatten wir nicht gerechnet..." Der Boss trat wütend gegen eine leere Coladose, die am Boden lag. Sie flog davon und prallte mit hellem Ton von der Wand ab. Der Motorradfahrer zuckte zusammen und duckte sich automatisch."Ihr habt nicht damit gerechnet, dass Bullen bewaffnet sind?,"brüllte der Boss. "Wie dämlich kann man sein?""Sie waren wegen der Hochzeit hier! Wer geht schon bewaffnet zu einer Hochzeit?" Der Boss spürte die Waffe in dem Schulterholster unter der Jacke und er hatte nicht übel Lust diesem unfähigen, großschnäuzigen Idiot ein Loch in sein Spatzenhirn zu schießen, aber er brauchte ihn noch. Wer den Auftrag anfing, der brachte ihn auch zu Ende. Er griff in die rechte Tasche, holte ein Kästchen heraus und hielt es dem Motorradahrer hin. "Kümmere dich darum und versieb es nicht, klar? Bis Donnerstag muss alles erledigt sein."Der Motorradfahrer nickte, als er das Kästchen entgegennahm. Er konnte nicht lesen, was darauf stand, weil es dafür hier drinnen zu dunkel war. Eilig verließ er das Lagerhaus durch die protestierend quietschende Tür.
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VIERZEHNDamian und Douglas beschlossen nach der erfolglosen Untersuchung von Dean Rogers Wohnung etwas essen zu gehen.Als sie das Haus verließen, umrundete Damian seinen Wagen, um festzustellen, dass er OK war. Er drückte jedem der Jungs einen Geldschein in die Hand, ehe sie losfuhren. Er hoffte, dass die Jungs, wenn sie seinen Wagen woanders sahen, daran dachten wie großzügig er gewesen war und den Jaguar in Ruhe ließen. Von unterwegs rief er Castillo an, erstattete Bericht und teilte ihm mit, dass er und Douglas jetzt ins OLD MIAMI STEAK HOUSE fahren würden. Das OLD MIAMI STEAK HOUSE war immer noch gediegen und seine Einrichung aus blankpoliertem Eichenholz vermittelte Gemütlichkeit. Die Polster der Stühle, die gerafften Vorhänge und die Servietten waren lindgrün, de glänznden Kerzenhalter silbern. Aus den Lautsprechern drang leise klassische Musik. Nicht unbedingt jedermanns Geschmack, aber passend zum Ambiente. Nebenan befand sich nach wie vor das Bistro, aber es gehörte nicht mehr zum Steak House. Man hatte die Verbindungstür zugemauert und das OLD MIAMI BISTRO in MAE´S BISTRO umbenannt. Damian und Douglas bestellten STeaks, Folienkartoffel und Salat und redeten über den Fall.Douglas erklärte, dass Miranda Marshall seit September vergangenen Jahres an dem Fall dran gewesen war und dass der Fall sie sehr belastet hatte. "Die Autopsieberichte dieser Mädchen lesen sich wie das Drhbuch für einen dieser Horrorfilme, die auf dem Index stehen und die Fotos sind genauso entsetzlich," erklärte Douglas, nachdem er den leeren Teller etwas zur Mitte geschoben hatte."Aber wieso Pikrinsäure? Es gibt so viele verschiedene Sprengstoffe," meinte Damian und lehnte sich ebenfalls gesaättigt zurück.Douglas zuckte die Achseln. Darüber htaten sie sich im Departement in Savannah ebenfalls Gedanken gemacht. "Vielleicht benutzen sie es, weil es unüblich ist oder weil sie die Möglichkeit haben unauffällig an das Zeug ranzukomen," vermutete er. Damian blickte auf die Uhr. Inzwischen war es nach acht und er hielt es für besser ins Büro zurückzukehren, ehe sie Feierabend machten. Er wollte noch zu Trudy, de vielleicht morgen oder übermorgen das Krankenhaus verlassen durfte.Douglas erklärte, das Essen ginge auf seine Spesen. Er bezahlte und sie verließen das klimatisierte Restaurant. Rico spürte einen Lufthauch. Eine winzige Bewegung in seinem Nacken, die nicht hätte da sein dürfen. Seine Nackenhärchen stellten sich auf, die Alarmglocken begannen zu schrillen und er spannte automatisch die Muskeln an. Er blickte unter seinem rechten Arm durch, die dunkelbraune Ledertasche bereits in der Hand haltend. Obwohl ihm nur wenig Zeit blieb registrierte er verschiedene Dinge: Motorradstiefel, schwarze Jeans, einen roten Helm in der linken und ein Messer in der rechten Hand.Dann stürzte der Kerl sich schon auf ihn. Rico reagierte instinktiv. Er riss die Tasche aus dem Regal, wirbelte herum und knallte sie dem Kerl von unten ins Gesicht. Es gab einen hässlichen, dumpfen Ton, als das Messer in das Leder eindrang. Der Kerl zog es sofort heraus, Rico schlug erneut zu. Der harte Boden der Tasche traf denAngreifer im Gesicht. Etwas splitterte und RIco hörte ein Stöhnen. Der Angreifer taumelte zurück. Er knallte gegen den Türpfosten, duckte sich aber sofort und wich so Ricos nächstem Schlag aus. Er sieß mit dem Messer zu, traf den Gürtel von Ricos Holster und rutschte ab. Dadurch schlitzte er Ricos Hose und die Haut am Oberschenkel auf. Rico spürte den brennenden Schmerz, aber er biss die Zähne zusammen. Der Kerl meinte es verdammt ernst und würde jede Schwäche sofort ausnutzen. Rico holte erneut aus und schlug mit der Tasche aufwärts. Er traf den Kerl noch einmal im Gesicht. Der Mann heulte und taumelte wieder rückwärts.Für einen Moment sah Rico das gesicht eines jungen Mannes mit dunklen Haaren. Seine Sonnenbrille war zersplittert und hatte ihn im Gesicht verletzt. Blut lief aus mehreren Wunden, sodass er aussah wie ein Indianer mit Kriegsbemalung. Plötzlich krachte die behandschuhte Faust des Mannes in sein Gesicht. Rico wurde es schwummrig, aber er drehte sich instinktiv zur Seite, um dem Stich des Messers auszuweichen.Wie aus weiter Ferne hörte er eine Stimme seinen Namen rufen. Er glaubte, dass er "Hier!", schrie, aber er war sich nciht sicher, ob er wirklich gerufen oder das Wort nur gedacht hatte.Er ging in die Knie, spürte das Blut, das aus seiner Nase lief und sah die Messerklinge auf sich zurasen. Dann gingen seine Lichter aus.
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FÜNFZEHNElena lag in ihrem Krankenbett. Eine Schwester hatte das Kopfteil etwas höher gestellt, weil Elena es nicht mochte flach zu liegen. Sie wirkte blass unter den weißen Verbänden und immer noch tropfte eine Infusion in ihre linke Armvene. Die Letzte, wie ihr der Arzt versprochen hatte.Elena war nervös,wil sie immer wieder nach ihrer Mutter gefragt, aber keine Antwort erhalten hatte. Jetzt saß Sonny an ihrem Bett und sah sehr ernst aus. "Warum sagen sie mir nichts, Sonny?," fragte sie.Sonny nahm Elenas rechte Hand. Sie war eiskalt. "Sie lebt, aber es geht ihr nicht gut. Sie muss beatmet werden und liegt in einem Einzelzimmer neben dem Stationszimmer. Sie hat jedoch die Nacht und den Tag gut überstanden. Das lässt hoffen." Elena sah ihn unverwandt an. Sonnys Augen wanderten über ihr Gesicht, das ihn so sehr an Gina erinnerte. Er hatte Gina zwar nicht gekannt, als sie sechzehn gewesen war, aber er vermutete, dass sie genauso ausgesehen hatte."Wann darf ich sie sehen, Sonny?""Vielleicht morgen, sagt der Arzt. Dann geht es ihr sicher auch schon besser.""Und Angelo? Was ist mit Angelo?,"wollte Elena wissen.Sonny schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wie es Angelo ging, aber er würde sich so bald wie möglich danach erkundigen. Schließlich war Angelo einer seiner besten Agenten und irgendwie war er auch ein bisschen wie ein weiterer Sohn für Sonny.Er drückte leicht Elenas Hand, sagte, alles würde wieder gut und merkte im gleichen Moment, was für ein dämlicher Spruch das war. Nichts wurde wirklich gut. Die furchtbaren Ereignisse würden für immer ihre Spuren hinterlassen.Dann verließ er das Krankenhaus und fuhr ins Büro. Ben und Samantha fuhren in Bens Chevrolet Blazer nach Coral Gables. Samantha hatte ihm erzählt, dass in Philadelphia im Februar diesen Jahres eine mit Pikrinsäure gefüllte Bombe - ebenfalls verborgen in einer Torte - auf einer Department - Party der Drogenfahndung explodiert war. Es hatte sieben Tote und sechs Verletzte gegeben. Die Kollegen beschäftigten sich zu der Zeit mit synthetischen Drogen, die auf der Straße unter dem netten Namen " Summerdream" verkauft wurden."Summer - Nightmare wäre passender," erklärte Samantha abfällig. "Von November letzten Jahres bis zum Februar diesen Jahres starben 53 Leute an dem Zeug, inzwischen sind es 88." Ben schnaubte. Er bog von der Schnellstraße ab und bemerkte im Rückspiegel einen silberfarbenen BMW 5er Touring. "An dem Zeug sind wir auch dran. Die Leute kaufen es, weil es billig ist und angeblich die Libido extrem steigert.""Aber leider führt es selbst bei unempfindlichen Menschen oft zu sehr starken allergischen Reaktionen wie dem Anschwellen der Schleimhäute und massiver Atemnot, die letztendlich zum Tode führt," meinte Sam. Bens Blick wanderte zum Rückspiegel. Der 5er BMW war immer noch da. Er schien an Bens Chevy zu kleben, aber Ben konnte nicht sehen, wer darin saß und wie viele, weil die Scheiben sehr dunkel getönt waren.Ben spürte seine wachsende Nervosität. Niemand wusste, wie groß diese Verbrecherorganisation wirklich war. Davon ausgehend, dass sie auf jeden Fall in sechs verschiedenen Großstädten operierten, möglicherweise zur gleichen Zeit, hieß das, dass es sehr viele "Mitarbeiter" gab. Samantha wandte sich um. "Ein Verfolger?"Ben sah sie kurz an. In seinem Bauch kribbelte es, als er ihrem Blick aus goldgepunkteten, hellbraunen Augen begegnete. "Möglich," antwortete er.Er blickte wieder nach vorn auf die Straße. Spontan beschloss er einen Umweg zu nehmen, um herauszufinden, ob der BMW ihm tatsächich folgte. Doch sein Blick wanderte nicht nur in regelmäßigen Abständen in den Rückspiegel, sondern auch zu Samantha, während er mehrmals abbog, um schließlich zu der Straße zurückzukehren, in der Marias Haus stand.Es kribbelte immer noch in seinem Bauch und er dachte, dass es lange her war, seit er diese Schmetterlinge gespürt hatte. Sie hörten irgendwann während seiner achtjährigen Ehe mit Joana auf zu flattern, und nach der Trennung glaubte er, sie wären gestorben. Jetzt erwachten sie zu neuem Leben."Pass auf!," schrie Samantha plötzlich in seine Gedanken hinein und Ben riss instinktiv das Steuer herum.
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SECHZEHNVielleicht war es ein Instinkt oder eine Ahnung, aber vielleicht war Damian auch nur mit seinen Gedanken woanders gewesen und hatte deshalb die falsche Abfahrt genommen.Tatsache war er hatte sich mit Douglas unterhalten, hatte ihm von dem Fall erzählt, den Vice bearbeitete und von der Hochzeit, die so furchtbar endete. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er vollkommen falsch abgebogen war und sich in der Wohngegend befand, in der das Haus der Switeks stand. Die Straße war eng und deshalb eine Einbahnstraße. Fahrzeuge am Fahrbahnrand fungierten außerdem als Bremse und Schilder wiesen auf spielende Kinder hin. Um wieder Richtung Schnellstraße fahren zu können musste Damian bis zur nächsten Kreuzung fahren, wo er in beide Richtungen abbiegen konnte. Links herum ging es zum Haus der Switeks. Douglas blickte sich neugierig um. Es war eine typische Vorstadtidylle: Weiß getünchte Häuser mit farbigen Absätzen um die Fenster, Gartenzäune, gepflasterte Einfahrten und gpflegte Blumenbeete."Nette Gegend," lobte Douglas. "Was machen wir hier?"Damian grinste. "Das wüsste ich auch gerne," gstand er und bog nach links ab,obwohl der Weg länger war. Waum er das tat? - Er hatte keine Ahnung! Vielleicht wollte er Douglas die hübsche Aussicht auf das Wasser zeigen. Dann sah er den Hummer in Stans Einfahrt und das Motorrad, das hinter einem Strauch parkte. Der Hummer gehörte Alessio, wie er schnell feststellte, denn auf der Heckscheibe prangte neben einem Aufkleber mit der amerikanischen Flagge auch einer mit der deutschen Flagge.OK, Rico Tubbs besorgte Stan also vermutlich frische Klamotten. Was aber machte das Motorrad hier? Er erinnerte sich an die Schüsse vor dem Präsidium und an Tubbs´ Informationen, die über Funk hereingekommen waren. Sie passten zu der Maschine, die hinter dem Strauch stand.Damian bremste. "In dem Haus wohnt Lieutenant Switek. Seine Familie wurde gestern ebenfalls schwer verletzt. Der Wagen gehört Alessio, dem Bräutigam. Sein Vater, Rico Tubbs, fährt ihn im Moment...""Und das Motorrad passt zu der Beschreibung des flüchtigen Fahrzeugs von heute Mittag," fügte Douglas hinzu und sprang aus dem Wagen. Die Haustür war geschlossen. Damian teilte Douglas leise mit, er würde zur Rückseite des Hauses gehen. Douglas nickte. Mit gezogener Waffe blieb er, den Rücken gegen die Wand gepresst, neben der Tür stehen, während Damian den schmalen, gepflasterten Weg neben dem Haus benutzte. Die Tür, die von der Küche hinausführte, war beschädigt. Allerdings hatte der Einbrecher die Scheibe, die sich im oberen Teil der Holztür befand, nicht eingeschlagen, sondern sie herausgeschnitten. Der rote Saugnapf, mit dem er sie heraushob, klebte noch wie eine große Wunde an der Scheibe, die am Boden lag.Ein schneller Blick zeigte Damian, dass die Küche leer war. Er huschte hinein, blieb stehen und lauschte. Er hörte ein dumpfes Klatschen und ein Ächzen, lautes Atmen, den Knall einer Tür, die hart gegen eine Wand schlug und ein erneutes Klatschen. Es kam von oben.Er eilte zur Haustür, hörte weitere Kampfgeräusche, als er Douglas hereinließ. Jede Vorsicht außer Acht lassend brüllte er: "Rico?""Hier!,"antwortete Rico. Im nächsen Moment knallte irgendwo eine TÜr. Danach wurde es gespenstisch still. Damian rannte die Treppe hinauf, während Doglas kehrtmachte und nach draußen lief. Damian registrierte die offenstehenden Türen, den Durchzug, der offensichtlich entstanden war, weil jemand eine Tür oder ein Fenster geöffnet hatte, und er hörte den dumpfen Aufprall vor dem Haus. "Tubbs?," rief er. Douglas sah den Mann vom Balkon springen. Er prallte auf dem Boden auf, überschlug sich, kam auf die Beine und rannte zu seiner Maschine.Douglas folgte ihm und feuerte auf die Beine des Mannes. Die Kugel surrte jedoch in den Strauch und blieb dort irgendwo stecken. Während der Kerl sich in Windeseile auf sein Motorrad schwang quetschte Douglas sich an dem Hummer vorbei und rannte zur Straße. Die BMW raste jedoch bereits entgegengesetzt durch die Einbahnstraße davon, die am Straßenrand geparkten Wagen als Deckung nutzend. Douglas feuerte dennoch, erwischte den Kerl aber nicht.Fluchend kehrte er zum Haus zurück. Er sah etwas glänzendes auf dem Rasen liegen, ging hin und hob es vorsichtig auf. Es war ein blutbeschmiertes Messer. Damian rannte in den ersten Raum. Es war ein Kinderzimmer und aus allen Ecken grinste ihn Sponge Bob an. Ein Albtraum! Er drehte auf dem Absatz um und rief: "Tubbs?"Keine Antwort!Er rannte in den nächsen Raum, eindeutig Stans und Giannas Schlafzimmer. "Rico?"Rico antwortete nicht."Dam? Ich habe ein blutiges Messer gefunden!," rief Douglas von unten.Damian stöhnte auf. "Oh, bitte nicht!" Er eilte zu dem begehbaren Schrank und sah Rico auf dem Boden liegen. Blut klebte am Türpfosten und auch auf dem Boden mit dem hellen Teppichboden."Rico! - Doug, ich habe ihn!" Damian kniete neben Rico nieder, tastete an dessen Hals nach dem Puls und atmete erleichtert auf, als er ihn fand. Rico seufzte leise. Hinter Damian tauchte Douglas auf. "Er ist entkommen," sagte er, wirbelte herum und eilte ins Bad, um einen Waschlappen anzufeuchten, den er Damian reichte. Rico seufzte. Er hörte Stimmen, aber sie klangen, als wäre er irgendwo unter Wasser. Jemand fasste ihn an den Schultern und dann berührte etwas angenehm Kühles sein Gesicht, das sich anfühlte, als bestüne es aus Brei. Er wollte die Augen öffnen, aber sie waren schwer wie Blei. Er wollte etwas sagen, aber er schaffte es nicht sofort die Lippen zu öffnen. Er hörte eine Stimme, die allmählich deutlicher wurde. "Rico, es ist alles in Ordnung. Rico, hörst du mich?""Dam," krächzte Rico. Er blinzelte endlich, hob mühsam die Hand und betastete sein Gesicht. Er fühlte klebriges, warmes Blut, stellte aber fest, dass seine Zähne noch alle da waren und auch die Nase vermutlich nicht gebrochen war. Eine weitere Wunde fand er an seiner rechten Schulter. Sie schmerzte, brannte und blutete, aber er konnte den Arm bewegen und das war beruhigend. "Der Rettungswagen ist unterwegs," sagte Douglas."Nicht...nötig," ächzte Rico und versuchte sich hochzustemmen, aber ihm fehlte die Kraft und außerdem schmerzte sein linker Oberschenkel. Er stöhnte auf und sank wieder auf den Rücken."Hast du den Kerl gesehen, Rico?," fragte Damian.Rico versuchte seine Gedanken zu sortieren, was nicht so einfach war, weil vor seinen Augen immer noch Sterne tanzten und sein Kopf sich anfühlte, als hätte jemand versucht ihn eckig zu klopfen."Latino," sagte er dann. "Anfang bis Mitte zwanzig, lockige...Haare... schlank. Hör mal...Stan braucht Sachen..." Douglas stieß ein kleines Lachen aus. "Unglaublich! Da schlgt einer dem mann fst den Schädel ein und versucht ihm in die Haut zu schreiben und er denkt an frische Klamotten für seinen Freund!" Damian blickte von Rico zu Douglas und wieder zurück. Er war davon überzeugt, dass der Latino Rico umgebracht hätte, wären er und Douglas nicht aufgetaucht. Das hieß, sie waren nirgendwo sicher, hatten aber nicht die geringste Ahnung wer der Feind war.Sein Blick blieb an dem Blut am Türpfosten hängen. Er erhob sich, ging näher heran. "Blut," sagte er überflüssigerweise. "Und ein paar Haare." Er kehre zu Rico zurück und betastete vorsichtig dessen Hinterkopf. "Und es stammt nicht von Tubbs!"
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SIEBZEHN Montag, Spätabends in Coral GablesDer schwarze Van tauchte urplötzlich auf. Er kam aus einer Einfahrt geschossen und wäre in die Beifahrerseite geknallt, hätte Ben nicht instinktiv das Steuer herumgerissen und gleichzeitig auf die Bremse getreten. Samantha riss die Arme hoch und ließ sich etwas nach links fallen. Im ersten Moment glaubte Ben nur, dass jemand sehr in Eile wäre, aber nur eine Sekunde später wurde die Seitentür des Vans geöffnet."Pass auf!," rief Samantha, als sie in die Mündung eines Maschinengewehres blickte und duckte sich instinktiv.Im gleichen Augenblick splitterten bereits die Scheiben, Geschosse prallten mit schnerzhaft hellen Tönen von den Türen ab und die Reifen quietschten, als Ben, aus einer halb geduckten Stellung heraus, den Wagen in Schlangenlinien über die Straße lenkte. Eine Straßenlaterne explodierte mit lautem Knall, Splitter flogen umher und als mehrere Geschosse eine Mauer trafen, flogen Teile des Putzes umher. Samanthas entsetzter Aufschrei verhallte und jetzt zeigte sich, dass sie ausgesprochen professionell war. Sie zog ihre Waffe, entsicherte sie, kam kurz hoch und feuerte. Dann tauchte sie ab, kam hoch und alles wiederholte sich. Es war schwer zu sagen, ob sie den Van wirklich traf, denn der Chevy schlingerte und ruckte. Er knallte gegen einen geparkten Wagen, wurde halb herumgeschleudert und stand nun quer auf der Straße. Wieder kam Samatha hoch und sah durch die zersplitterte Scheibe kurz ein Gesicht hinter dem Steuer des Vans, ehe sie mit wild entschlossener Miene feuerte. Ben gab Gas, fuhr halb über den Gehweg und knapp an einer Straßenlaterne vorbei. Samantha gab einen weiteren Schuss auf den Van ab, der sich nun mit quietschenden Reifen aus dem Staub machte. Ben hängte sich an ihn dran, während Samantha sich das Funkgerät schnappte. Sie gab das Kennzeichen des Wagens durch und dann, souffliert von Ben, die Position und die Fahrtrichtung. Immer wieder quietschten Bremsen, wenn andere Autofahrer anhalten oder ausweichen mussten.Der Van fuhr auf die Schnellstraße, raste Richtung Stadt, aber den Chevy konnte er nicht abhängen. Samantha wischte mit dem Griff der Waffe die Scherben fort, die an einen Zipfel hingen und ohnehin bald herunterfielen. Eine Scherbe bohrte sich in ihren rechten Unterarm. "Au!"Ben schielte kurz zu ihr rüber. "Schlimm?"Samantha zog die Scherbe heraus, warf sie auf den Boden und leckte das Blut ab. "Ich werde es überleben!" Sie gab erneut Position und Fahrtrichtung durch und wiederholte die Durchsage alle paar Minuten, bis der Van die Schnellstraße wieder verließ. Er raste quer durch die Stadt, ignorierte sämtliche rote Ampeln und fuhr falsch herum in die Einbahnstraße. Ein entgegenkommender Fahrer verriss erschrocken das Steuer und raste in einige Mülltonnen, die am Rand standen. Laut schepperned flogen sie umher. Eine landete auf der Motorhaube des Chevy, die wie ein Katapult wirkte. Im Rückspiegel sah Ben, dass die Mülltonne ein Fenster durchschlug. Er konnte nur hoffen, dass sie in dem Raum niemanden traf. Der Van donnerte gegen das Heck des Wagens, der etwas quer stand und nun herumgeschoben wurde, als der Fahrer des Van sich rücksichtslos seinen Weg bahnte.Ein Mercedes - Jeep rauschte gegen einen Laternenmast, aber der Fahrer schien unverletzt zu sein. Der bullige Mann sprang aus dem rauchenden Wagen. Er wandte dem Chevy den Rücken zu und schrie hinter dem Van her: "He, du Idiot! Kannst du keine Verkehrsschilder lesen? So eine verdammte...!" Ben stieg in die Eisen. Die Bremsen kreischten protestierend, der Mercedesfahrer wirbelte ungläubig herum und starrte mit schreckgeweiteten Augen auf den Chevrolet, der auf ihn zuschlidderte. Der Van entkam! ZUR GLEICHEN ZEITAuf der Intensiv - Station des St. Elisabeth - Krankenhauses war Ruhe eingekehrt. Auf dem Flur spendeten nur die Hälfte der üblichen Neonröhren Licht und auch im Stationszimmer brannte nur im Pausenbereich eine Lampe. Die beiden Krankenschwestern, die in dieser Nacht Dienst hatten, kümmerten sich um einen Motorradfahrer, der vor einer halben Stunde gekommen war und nun in dem zweiten Einzelzimmer lag. Aus den anderen Zimmern drang ab und zu ein Husten, im Stationszimmer verbreitete der Kaffee, der gerade durchlief, sein Aroma, das auch auf den Flur hinausströmte.Ein Rettungswagen verließ mit blinkenden Lichtern, aber noch ohne eingeschaltetes Martinshorn die Krankenhausgarage. Das blaue, rotierende Licht drang durch die Jalousien in die Krankenzimmer, die auf dieser Seite der Klinik lagen. Es schien eine ganz normale Nacht zu sein. Fast lautlos öffneten sich die Aufzugtüren und eine Ärztin in OP - Kleidung kam herus. Eine blaue Haube verdeckte ihr Haar, ein Mundschutz den größten Teil ihres Gesichts. Sie hatte Einmal - Handschuhe übergestreift und sie trug Schuhe mit Gummisohlen. Sie verharrte am Stationszimmer und sah hinein. Als sie es leer vorfand, ging sie weiter. Drei Namen spukten durch ihren Kopf, als sie nun die erste Tür öffnete. In dem Zimmer lagen drei Männer: Kostopulos, Meller und Swintek. Alle Drei schliefen. Die Frau ging zum Bett von Sam Swintek. Mit flinken Fingern löste sie den Beatmungsschlauch, durch den Sam Swintek den lebenswichtigen Sauerstoff erhielt. Dann verließ sie leise den Raum. Sie hörte die Schwestern in dem Zimmer schräg gegenüber miteinander reden, während sie zum nächsten Zimmer eilte. Drei Frauen lagen darin und an einem der Betten saß ein Mann. Er trug Verbände und wirkte müde, aber es hatte ihn nicht so schlimm erwischt wie seine Partnerin. Er sah sie fragend an. Sie entschuldigte sich und schloss die Tür. Falls Joplin oder Calabrese in einem der Betten lagen, hatten sie eben für diese Nacht Glück gehabt. Die falsche Ärztin eilte von einem Zimmer zum anderen und wurde allmählich nervös. Sie hatte gedacht, dass es schnell ging, nicht länger als fünf Minuten dauerte. Jetzt war sie seit zehn Minuten auf der Station, hatte aber weder Joplin noch Calabrese gefunden. Nun gut, der Auftrag lautete, wenigstens eine der drei Personen zu erwischen und Swintek... oder hieß er Switek? - Swibeck? - Jedenfalls war er sicherlich schon tot. Auf dem Weg zurück zum Aufzug kam sie an den Einzelzimmern vorbei. In einem arbeiteten immer noch die beiden Krankenschwestern, die Tür des anderen Zimmers stand einen Spalt breit offen.Die falsche Ärztin trat ein. Sie warf einen schnellen Blick auf das Krankenblatt und ihr Mund unter dem Mundschutz verzog sich zu einem Lächeln, wobei sich kleine Fältchen um ihre veilchenblauen Augen herum bildeten. Auch Gina wurde beatmet und ihr Gesicht war fast vollständig unter den Verbänden verschwunden. Der rechte Arm war eingegipst, der linke Arm war bandagiert. Das EKG zeichnete regelmäßige Linien auf und das Beatmungsgerät zischte leise.Die falsche Ärztin schaltete das EKG - Gerät aus, damit es keinen Alarm gab. Dann löste sie auch Ginas Atemschlauch, schlüpfte aus dem Zimmer und verließ unbemerkt die Intensiv - Station.
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ACHTZEHNDIENSTAG, 17.7 9:00 hDas Team traf fast gleichzeitig im Büro ein. Nur Rico war noch im Krankenhaus.Castillo saß beeits hinter seinem Schreibtisch und telefonierte, wie durch die offene Tür deutlich zu hören war. Die Kaffeemaschine lief und Sarah und Sharon nahmen gleichzeitg irgendwelche telefonischen Hinweise aus der Bevölkerung entgegen. "Haben Sie sich von dem Schreck erholt?," wandte Ben sich lächelnd an Samantha.Sie hatten Glück gehabt, weil der Mercedesfahrer weitaus schneller reagiert hatte, als es seine Leibesfülle vermuten ließ. Er war zur Seite gehechtet, umgeknickt und auf die Knie gestürzt, aber Ben hatte ihn zum Glück nicht erwischt. Allerdings war der Mann stinksauer gewesen, weil er den Wagen erst vor drei Wochen kaufte. Die Dienstmarken und der Hinweis darauf, dass sie einen flüchtigen Straftäter verfolgt hatten, beruhigten den Mann nicht wirklich. "Kann ich mir davon ein neues Auto kaufen?," hatte er aufgebracht gefragt. Nachdem sie weitergefahren waren, hatte Ben Sam zum Essen eingeladen. Nach so einem Erlebnis, so meinte er, wären Gsellschaft und ein leckeres Essen gut, aber Samantha hatte abgelehnt. - Höflich, aber bestimmt. Damian telefonierte per Handy mit seiner Schwester Carla, die das Blut am Türrahmen von Stans begehbarem Schrank untersucht hatte, während Douglas mit Angela flirtete. Sie ging nur zu gern darauf ein, schielte aber hin und wieder zu Ben hinüber, aber er schenkte ihr keine Beachtung. "Ich weiß nicht, was ich von diesem Shoemaker halten soll," gestand Billy, der mit einer Kaffeetasse bewaffnet, mit Estelle und Sonny in den Besprechungsraum ging. "Ich muss andauernd über ihn nachdenken." Er ließ sich auf einem Stuhl an dem langen Tisch nieder und Sonny setzte sich ihm gegenüber, während Estelle neben Billy Platz nahm. Sie nickte. "Er wirkte unheimlich cool. Zu cool!" Damian, der immer noch Carla am Ohr hatte, und Douglas kamen herein, gefolgt von Ben und Sam. Damian beendete sein Gespräch, klappte das Handy zu und schob es in die rechte Hosentasche. "Der Kerl, der Tubbs überfallen hat, heißt Alessandro DeLa Rosa, vorbestraft wegen Vergewaltigung," erklärte er, als er sich auf den nächstbesten Stuhl fallen ließ. "Weiß jemand, wie es Tubbs geht?" In diesem Moment kam Castillo herein. Er war, wie immer, absolut korrekt gekleidet, jedes Haar lag an seinem Platz und nichts ließ darauf schließen, das auch er die Hälfte der Nacht damit zugebracht hate über diesen Fall nachzudenken. Seine Miene war, ebenfalls wie immer, ernst und undurchdringlich, als er in die Runde blickte."Guten Morgen, sagte er und fügte hinzu: "Crockett, Bradford und Doyle, fahren Sie ins St. Elisabeth - Krankenhaus. Letzte Nacht wurde ein Mordanschlag auf Gina verübt." Rico hatte sich dagegen gewehrt ins Krankenhaus gebracht zu werden. Aber Damian hatte nicht mit sich reden lassen. Er hatte einen Rettungswagen alarmiert und gewartet, bis Rico fortgebracht worden war.In der Notaufnahme beugte sich dann Amber über ihn, leuchtete in seine Augen und tastete mit sanften Händen sein Gesicht ab."Es ist alles in ordnung, Amber! Wirklich!," beteuerte Rico. Amber wandte sich zu der jungen, chinesischen Krankenschwester um, die auf ihre Anweisungen wartete. Mit leiser Stimme erklärte sie ihr, was sie tun sollte. Die Schwester nickte und machte sich an dem Metallwagen zu schaffen."Weil es dir so gut geht, warst du auch bewusstlos, stimmt´s, Rico?," fragte Amber. Die Frage sollte ironisch klingen, aber ihre Besorgnis war unüberhörbar. Rico machte eine wegwerfende Handbewegung. In seinem Schädel pochte es und seine Nase fühlte sich an als wäre sie mindestens drei Mal so dick wie normal. Er konnte kaum atmen wegen der Schwellung. "Das war nur eine kleine vorübergehende Schwäche." Er klang jedoch, als litte er unter einem fürchterlichen Schnupfen.Amber nickte. "Genau deshalb bleibst du heute Nacht hier."Rico versuchte zu lächeln, aber seine Gesichtsmuskeln wollten einfach nicht gehorchen. Es fühlte sich an, als drückte jemand von seinen Ohren aus dagegen. "Hast du heute Nacht Dienst?" Die chinesische Krankenschwester verließ kurz die Kabine. Amber nutzte den Moment, beute sich vor und flüsterte: "Auch wenn du mich für nachtragend hältst, Rico, ich habe nicht vergessen, dass du mich nach meinem Unfall damals hast fallen lassen. Als ich aufwachte, habe ich auf dich gewartet, auf einen Anruf, einen Besuch... - aber du kamst nicht." Rico schnaubte, sog entsetzt die Luft ein und hielt sie an, weil es schien, als wollte sein Schädel jetzt sofort explodieren. Seine Hand griff nach ihrer Hand, damit sie nicht einfach zum nächsten Patienten ging. Dann erklärt er: "Ich habe angerufen und ich wäre zu dir gekommen, aber dein Vater machte mir am Telefon deutlich klar, dass ich unerwünscht bin. Er sagte, wenn du wieder bei Bewusstsein wärst, hättest du genug mit dir selbst zu tun, aber er würde dir von meinen Anrufen erzählen. Du solltest dann entscheiden, ob du mich zurückrufen willst." Er sah ihr an, dass sie erschrocken war. Ihre Eltern hatten ihr nichts von seinen Anrufen erzählt, aber das hatte er damals auch nicht erwartet. Er ließ ihre Hand los. Kurz sahen sie einander an, ehe Amber fast fluchtartig die Kabine verließ. Gleichzeitig kehrte die Krankenschwester zurück. Sie versorgte Ricos Gesicht, erklärte tröstend, dass keine Narben zurückbleiben würden, ehe sie dafür sorgte, dass er auf sein Zimmer gebracht wurde. Er bekam zwei Tabletten, die gegen die Schmerzen wirken sollten, aber entweder war eine davon ein Schlafmittel oder aber die Erschöpfung war zu groß. Rico schlief so tief und traumlos, als hätte ihm jemand eine Narkose verpasst. Sonny raste quer durch die Stadt. Ben und Samantha konnten kaum im Chevy Blazer mithalten. Sonny verfluchte jede Ampel und jeden Autofahrer, der sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen hielt, und auch etliche Fußgänger, die als schlechtes Vorbild einfach über die Straße rannten. Drei Mal umkurvte er haarscharf solche lebensmüden Leute, die entsetzt aufschrien, als die Corvette sie fast streifte. Sonnys Gedanken waren bei Gina. Nachdem er telefonisch herausgefunden hatte, dass Angelo auf dem Weg der Besserung war und auch die anderen überleben würden, dachte er, es ging aufwärts. Und dann hatte Castillo mit sechs Worten alle positiven Gedanken zunichte gemacht. Leider hatte Castillo ihm kaum Informationen geben können. Jemand hatte ihren Atemschlauch gelöst und das EKG - Gerät ausgeschaltet, damit es keinen Alarm gab. Die Schwestern hatten es zufällig bemerkt und Alarm geschlagen. Ein Mann war auf die gleiche Weise umgebracht worden. Sein Name war Sam Swintek. Das ließ vermuten, dass der Mörder es vermutlich auf Stan Switek abgesehen hatte. In Sonnys Kopf hallte Castillos Stimme nach: Er wurde auf die gleiche Weise getötet.War Gina tot?Sonny konnte und wollte es nicht glauben. Es durfte nicht sein. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit, zu den Nächten, die sie auf der St. Vitus Dance verbracht hatten, zu den Abenden, an denen sie zusammensaßen. Er dachte an den Tag, an dem Gina Lupo Ramirez, einen Dreckskerl und miesen Zuhälter erschossen hatte, der sie vergewaltigt hatte. Sie hatte so hilfsbedürftig und verletzlich augesehen. Das gleiche galt für den Tag, an dem der irische Terrorist Sean Caroon starb, in den sie sich verliebt hatte. Er hatte sie immer getröstet und gewusst, dass sie eigentlich ihn liebte. Es hatte sie tief getroffen, als er, vollkommen überstürzt, Caitlin Davis heiratete, und auch, dass er seinen Dienst quittierte. Während er nun in halsbrecherischem Tempo durch die Straßen heizte, fielen ihm all die Dinge ein, die er Gina schon lange hatte sagen wollen. Vielleicht war es jetzt zu spät. Plötzlich gewahrte er das Motorrad, das ihn überholte, eine BMW R 1150. Zwei Leute saßen darauf und er sah, dass der Sozius etwas in den Händen hielt. Er konnte nicht genau erkennen, was es war, aber allein der Anblick dieser Maschine ließ all seine Alarmglocken schrillen. Er konnte nicht ausweichen und er konnte nicht Gas geben, weil es sich auf der Straße staute. Nur der Motorradfahrer hatte keine Probleme sich zwischen den Fahrzeugen durchzuschlängeln. Er kam näher und näher. Jetzt konnte Sonny erkennen, dass der Sozius eine Handgranate in der Hand hielt. Der Motorradfahrer ließ den Motor aufheulen, die Maschine schoss vorwärts und dann landete die Handgranate hinter dem Fahrersitz der Corvette, ehe die BMW davonraste.
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